Einleitung
Es ist merkwürdig, dass ein Ereignis, oder vielmehr eine ganze Folge von Ereignissen, welche die Geschichte des 20. Jahrhunderts möglicherweise stärker als jedes andere Ereignis beeinflusst haben - die Auslöschung von Nagasaki und Hiroshima vielleicht ausgenommen - nie zu einer wirklichen historischen Debatte geführt hat. Argumente wurden zwar ausgetauscht, aber eher in einer Form, die man in Frankreich un dialogue de sourds nennt - alle reden und keiner hört zu.
Einer der Gründe für diese Erscheinung mag darin liegen, dass über einen Zeitraum von 50 Jahren hinweg, die Lager von Auschwitz und Birkenau zwar nicht völlig unzugänglich, wohl aber für eine unabhängige Forschung verschlossen waren. Es war nicht einmal bekannt, ja, es wurde verschwiegen, dass eine enorme Menge von Dokumenten das Ende des 2. Weltkriegs überstanden hatte und gut gesichert in sowjetischen und anderen Archiven Osteuropas lag.
Es ist das Verdienst von Professor Robert Jan van Pelt und seiner Mitverfasserin Deborah Dwork, mit dem gut geschriebenen und gut lesbaren Buch zur Geschichte der Stadt und der Region des heutigen Oswiecim, "Auschwitz, 1270 to the Present", diesen Ort aus dem Nebel der Geschichte herausgenommen und wieder an seine richtige Stelle in Mitteleuropa gerückt zu haben. Nach dem berühmten Verleumdungsprozess von Anfang 2000, den David Irving gegen Penguin Books und Deborah Lipstadt angestrengt hatte, fasste Professor van Pelt dann seine Arbeit für die Beklagten in einem weiteren Buch, "The Case for Auschwitz", zusammen. Dieses Werk liest sich viel schwerer als das vorige, denn es enthält nur eine etwas willkürliche Zusammenstellung von Informationsschnipseln zur Geschichte des Lagers und enttäuscht den Leser, der sich eine kohärente und schlüssige Darstellung erhofft hatte.
Nun sollten einen gute Bücher ja zum Denken anregen, und insofern ist "The Case" ein gutes Buch. Bei und nach der Lektüre stellt man sich eine ganze Reihe von Fragen, insbesondere, wenn man daneben auch noch andere Veröffentlichungen zu diesem schmerzhaften Thema liest, wie etwa Rosemans Nach-Denken - er nennt das reconsiderations - über die Wannsee-Konferenz, in dem er viele lieb gewordene Dogmen ad acta legt, oder Hilbergs Buch über die Quellen des Holocausts, das ohne solche ehemals wichtigen Zeugen wie Kurt Gerstein und Jan Karski auskommt, oder Yehuda Bauers "Rethinking the Holocaust" das ganz nebenbei erwähnt, so totalitär sei das Nazi-Regime ja auch wieder nicht gewesen oder von der Schwierigkeit spricht, die wirklich wesentlichen Elemente des Holocausts zu dokumentieren. Diese Liste über neuere Bücher zur Verfolgung der europäischen Juden durch die Deutschen ist längst nicht vollständig, besonders wenn man an Fritjof Meyers Artikel in "Osteuropa" (5/2002) denkt, der trotz seiner Fehler doch fast revolutionär zu nennende Gesichtspunkte enthält.
Noch ein Buch über Auschwitz
Angesichts einer solchen Salve von Veröffentlichungen, die alle in dieser oder jener Weise bisherige Ansichten über Bord werfen, hat der Leser den Eindruck, dass irgendwo hinter den Kulissen ein Umdenken im Gange ist, eine Umwertung bisheriger Werte, welches sich darin äußert, dass die Ausschmückung des Themas in dramatischen, filmischen oder romanhaften Bearbeitungen in den Vordergrund tritt, während durchaus andere Gesichtspunkte im Hintergrund und vom Publikum weithin unbemerkt abgehandelt werden.
Diesen Gedankengang ein wenig weiter führend fragt sich der Leser, wie eine revolutionierende Neubewertung der Ereignisse - wenn es je dazu kommen sollte - überhaupt vonstatten gehen könnte, und kommt dabei zu dem Schluss, dass man natürlich mit allen Mitteln einen völligen Umsturz der bisherigen Ansichten vermeiden und die Sache sehr lange hinziehen würde, wobei man den mehr oder weniger geordneten Rückzug durch geeignete Vernebelung so gut es geht verbergen würde. Das Ziel wäre dabei, soviel Zeit wie möglich zu gewinnen und wesentliche Erwerbungen zu konsolidieren, gleichzeitig aber auch die Sache selbst der Geschichte zu überantworten, in der Hoffnung, dass sich am Ende nur noch einige wenige Spezialisten dem Thema widmen würden. Solange jedoch politischer oder materieller Gewinn aus dem heutigen Stand der Dinge gezogen werden kann, wird man trotz neuer Erkenntnisse alte Ideen am Leben zu erhalten suchen. Vielleicht ist dieses neue Buch über Auschwitz ein Zeichen dafür, wie stark die inneren Spannungen sind, die sich auf diesem Feld der Geschichte aufgebaut haben.
Robert Jan van Pelt häuft eine Menge Material vor uns auf, die er nach Quellenart geordnet hat - absichtlich angelegt, juristisch hervorgerufen oder zufällig entstanden - aber am Ende hat man das Gefühl, dass all dies, gerade in seiner Masse, nicht richtig überzeugt. Es ist eine Sache, den Kläger in einem Verleumdungsprozess vor einem englischen Gericht abzuwehren, eine ganz andere aber, die vorhandenen Beweise einem neutralen Leser so nahezubringen, dass dieser sie auch akzeptiert.
Im akademischen Sinne ist van Pelts Werk keine auf einer kohärenten Folge von Hypothesen und Argumenten gegründete Abhandlung, die am Ende eine Schlussfolgerung erreicht. Es ist vielmehr ein unübersichtliches Konstrukt aus vielerlei Elementen, von denen kein einzelnes wirklich als solches schlüssig oder für die Beweisführung unabdingbar ist. Der Autor führt uns seine verschiedenen Punkte vor und wählt dann aus ihnen einzelne aus, die durch ihre Konvergenz eine Art Beweis ergeben sollen.
An einer solchen Methode sind mindestens zwei Aspekte nicht in Ordnung: der wichtigere davon ist das stillschweigende Eingeständnis des Autors, dass es eben keinen klaren Beweis für die Einzigartikeit, die Besonderheit oder wie man das sonst bezeichnen will, der Verbrechen von Auschwitz gibt. Der andere dubiose Aspekt ist, dass der Autor auf diese Weise die alte Regel "in dubio pro reo" - dass man also bei zweifelhaften Beweisen für und nicht gegen den Angeklagten entscheiden solle - hier außer Kraft setzt. Im Gegenteil, van Pelt interpretiert löchrige Argumente wie es ihm beliebt und scheint zu glauben, dass von einem gewissen Punkt an eine hinreichende Menge von dubiosen Elementen sich zu einem neuen und nun brauchbaren Beweis gegen den Angeklagten zusammenfügen kann.
Der Autor war ohne Zweifel kein allein arbeitender Einzelkämpfer und es wäre erstaunlich, wenn ihm diese Schwächen in seiner Argumentation nicht aufgefallen wären. Da er sein Plädoyer nun dennoch so vorträgt, kann man vielleicht darauf schließen, dass David Irving, als er das große Risiko seiner Verleumdungsklage auf sich nahm, insgeheim darauf abzielte, von seinen Gegnern zu verlangen, ihre Karten auf den Tisch zu legen und wir nun diese Karten in Gestalt von van Pelts Buch vor uns haben.
"Prawda", oder die Wahrheit?
Wenn dies tatsächlich Irvings Absicht war, so hat sich die Sache trotz seiner Niederlage im Prozess dennoch gelohnt, denn man kann sich von nun an auf die Punkte konzentrieren, die für Auschwitz anscheinend wesentlich sind. Bevor wir einige davon mehr im einzelnen betrachten, sollten wir van Pelts explizite Aussage hervorheben, dass die offizielle Geschichte des Lagers Auschwitz, d.h. das, was darüber gesagt wurde, sobald die Sowjets das Lager erreicht hatten, aus einer ganz klaren Erfindung und einem gewaltigen Fehler bestand; den Fehler würden kritische Geister auch härter qualifizieren. Die Erfindung bestand aus einem elektrisch geladenen Förderband, das die Opfer zunächst mit einem Stromschlag tötete und sie dann in einen Hochofen warf, in dem die Leichen verbrannten. Der Fehler war die Zahl von 4 Millionen Ermordeten, welche die Sowjets im Mai 1945 der ganzen Welt kundtaten. Bis zum Zusammenbruch des Sowjetblocks konnten alle Besucher des Lagers Auschwitz diese Zahl in bronzenen Lettern lesen; inzwischen hat man sie abgeändert. Die "Todesfabrik" mit ihrer Massentötung und anschließendem Höllenfeuer wurde später durch die plausibler erscheinenden Gaskammern und Krematorien ersetzt.
Solche anfänglichen Unwahrheiten kann man dem Tumult in den letzten Kriegsmonaten zuschreiben. Später war es zwar relativ einfach, solche unmöglichen technischen Angaben abzuwerfen, obwohl ähnlicher Unsinn in Bezug auf andere Lager in Polen immer noch Teil der Nürnberger Dokumente und somit bindend für amtliche Historiker in manchen Ländern ist. Die Tatsache jedoch, dass 50 Jahre hindurch die Zahl von 4 Millionen Ermordeten ein wesentliches Element in der offiziellen Darstellung des Lagers blieb, zeigt, wie schwierig es ist, in solch trüben Gewässern einen neuen Kurs zu steuern.
Natürlich kann man argumentieren, dass es doch unwichtig ist, ob es nun 1 Million oder 4 Millionen Opfer waren und unter einem moralischen Gesichtspunkt ist dies auch ohne Zweifel richtig, aber wir dürfen hier nicht vergessen, dass im Falle von Auschwitz das grundlegende Argument nicht ist, dass dort Massen von Menschen zu Tode kamen (solche Fälle finden sich leider zuhauf in der Geschichte der Menschheit, besonders in der des 2. Weltkrieges), sondern dass es in Auschwitz wegen der ungeheuren Zahl der Opfer für die Täter nötig war, eine industrielle Art des Tötens zu erfinden, in die Wege zu leiten und dann durchzuführen, und dass diese "Todesmaschinerie" das qualitativ neue Element in der langen Liste der Schrecken darstellt, die der Mensch seinen Mitmenschen zugefügt hat.
Die Zahl von 4 Millionen hatte daher einen doppelten Zweck. Einerseits benutzten die Sowjets sie, um ihre eigenen - zeitmäßig und zahlenmäßig viel größeren - Untaten hinter ihr zu verstecken und andererseits verschob diese Zahl die Verbrechen der Nazis in eine andere Kategorie und erlaubte den Siegern jedwede eigene böse Tat als angesichts solcher Verbrechen eines wahrhaft teuflischen Feindes unvermeidbar zu rechtfertigen. Wenn man einen Schritt zurücktritt, sieht man sich einem Zirkelschluss gegenüber: die Ungeheuerlichkeit der Opferzahl und die dazugehörige maschinelle Art ihrer Tötung gab Auschwitz seine Einzigartigkeit - und weil Auschwitz nun einzigartig war, hatte es auch keinen Sinn, durch Zahlenkrittelei zu versuchen, die Schuld quantitativ zu vermindern.
Wenn man also eine klare Einsicht in den Fall Auschwitz gewinnen will, ist es sehr wichtig, die wahre Anzahl der dort zu Tode gekommenen Menschen zu verifizieren und die Umstände ihres Todes zu kennen; Fritjof Meyer hat das tun wollen und ist dabei auf Zahlen gekommen, die nur ein Zehntel der anfänglichen 4 Millionen betragen, aber seine Beweisführung ist fehlerhaft. Was jetzt gebraucht wird, ist eine Neubewertung der Zahl der Toten, und zwar nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben in der Weise, dass das Fundament dieses Schreckensbauwerks auf seine Haltbarkeit hin untersucht wird.
Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass die Geschichte der westlichen Welt nach dem 2. Weltkrieg ganz wesentlich auf der bisherigen Anschauung von Auschwitz fußt - moralisch, politisch und wirtschaftlich. Unsere Beurteilung von Auschwitz bedingt jedoch auch die Zukunft unserer Weltregion; wir riskieren zwar wenig im heutigen Zustand, wenn wir an der traditionellen Darstellung festhalten, jedoch nehmen diese Fragen eine andere Dimension an, wenn wir die Probleme betrachten, die sich am Horizont abzeichnen.
Wir sollten hier aber nicht weiter von unserem eigentlichen Thema, also von R.J. van Pelts jüngstem Buch, abweichen und lieber einige der von ihm behandelten Punkte genauer betrachten.
Ein Zeuge
In dem Kapitel "Intentional Evidence" gibt es beispielsweise den Zeugen Janda Weiss. Er kam nach Auschwitz, als er 14 Jahre alt war und wurde trotz seiner Jugend erstaunlicherweise nicht sofort in die Gaskammer gebracht, sondern als Küchenhelfer eingesetzt. Er brachte dem Sonderkommando im Krematorium das Essen und war ein Jahr später selbst Mitglied dieser Gruppe. Wie so viele andere Zeugen aus diesem Bereich, überstand auch er die Exekutionen, denen das Sonderkommando regelmäßig unterworfen wurde und konnte somit nach dem Kriege Zeugnis über seine Erlebnisse ablegen.
Aus diversen verfahrenstechnischen Gründen - Weiss machte spezifische Angaben zu bestimmten Fragen - sieht van Pelt, im Einklang mit einer von Staeglich, diesem Erzrevisionisten, gegebenen Definition Janda Weiss als verläßlichen Zeugen an, den man ernst nehmen muss. So weit, so gut; wenn wir uns jedoch einige Einzelheiten ansehen, die Weiss uns geliefert hat, so sind mindestens zwei davon so abartig, dass sie ihn als Zeugen völlig disqualifizieren.
Da ist zunächst einmal die Geschichte von den gebrechlichen Leuten, die von der "Rampe" in einem Kipp-LKW nicht zu den Gaskammern, sondern gleich zu den Verbrennungsgruben gefahren und lebend in diese abgeladen wurden. Wenn man einmal von der Frage absieht, ob es überhaupt möglich war, einen schweren LKW querbeet durch das sumpfige Gelände von Birkenau zu fahren ohne steckenzubleiben, so stoßen wir an eine Grenze, wenn wir uns vorstellen sollen, wie dieser LKW nun rückwärts auf einen flammenden Graben zufährt, wo er dann - ohne selbst dabei Feuer zu fangen - seine widerstrebende Ladung in die Glut hineinkippt. Jeder deutsche Soldat, der eine so riskante und völlig überflüssige Aktion durchgeführt hätte, wäre vermutlich wegen Gefährdung von Militärmaterial, wenn nicht sogar wegen Sabotage vor ein Kriegsgericht gestellt worden.
Wir müssen uns dabei auch mit der Frage befassen, wie solche Gräben angelegt waren: entweder waren die Wände abgeschrägt (was wahrscheinlich ist), dann hätte der LKW gar nicht nahe genug an die Glut gelangen können, oder aber sie waren senkrecht, dann hätte erstens das hintere Ende der Ladefläche sich in den Flammen befunden, und zweitens hätte die Gefahr bestanden, dass die unbefestigte Wand eines solchen schnell ausgehobenen Grabens nachgeben würde und der LKW nun vollends ein Opfer der Flammen geworden wäre.
Der andere Punkt, über den Weiss Unsinn berichtet, ist seine Erzählung von den Lungen, die unter der Einwirkung des Gases geplatzt sein sollen. Er scheint damit sagen zu wollen, dass die Lungen sich weiteten, bis sie dann schließlich den Brustkorb zum Bersten brachten, denn er berichtet, einige Minuten nach Einbringung des Gases in die Kammern habe es einen lauten Knall gegeben. Sechzig Jahre nach den Ereignissen sollten jedem, der sich mit diesem Problem befasst, die toxischen Effekte von Blausäure klar sein, und schon diese Angabe für sich allein hätte van Pelt, der sogar die amerikanischen Arbeitsschutzbestimmungen für Blausäure zitiert, die Unglaubwürdigkeit des Zeugen vor Augen führen müssen.
Dies ist nur eines von vielen Beispielen, in denen van Pelt seine Quellen völlig unkritisch behandelt. So ergeben sich immer wieder Darstellungen, die Passagen enthalten, denen man Glauben schenken könnte, wenn sich nicht beim gleichen Zeugen auch völlig unglaubhafte Angaben finden würden. Diese Art der Präsentation macht die Lektüre von van Pelts Buch so schwierig. Der Leser hat den Eindruck, dass es dem Autor weniger darum ging, die traditionelle Sehweise zu verstärken, als darum, das Publikum durch eine Mischung von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Unsinn zu verwirren, damit dieses Gewirr erst einmal mühsam aus dem Wege geräumt werden muss, bevor man eine sinnvolle Diskussion führen kann. Das ist eine Taktik, die dem Verhalten einer Armee auf dem Rückzug ähnelt, die hinter sich die Brücken sprengt, um die Verfolger aufzuhalten und Zeit zu gewinnen, neue Stellungen aufzubauen.
Die Gaskammern
Das Kernstück eines jeden Berichtes über Auschwitz und Birkenau und über das, was dort nun passiert ist oder auch nicht, stellen natürlich die Gaskammern dar, seien sie echt oder erfunden. Dieser Punkt hängt direkt mit dem der Krematorien zusammen, und zwar so eng, dass häufig Gaskammern und Krematorien verwechselt oder als identisch angesehen werden. Jahrzehntelang vertraten viele Autoren die Auffassung, die Krematorien seien speziell für die Durchführung des Holocaustes gebaut worden, van Pelts Meinung ist differenzierter.
In ihrem Buch über die Geschichte der Gegend um Auschwitz sagen van Pelt und Dwork, dass nur die beiden kleineren Krematorien (IV und V in Birkenau) von vornherein als Ausrottungseinrichtungen geplant wurden, während die beiden anderen (II und III) noch entsprechend umgebaut werden mussten. Diese Autoren befassen sich des längeren mit dem Krematorium II, das ursprünglich gar nicht für Birkenau, sondern für das Stammlager Auschwitz entworfen worden war und erst später nach Birkenau umgelagert wurde.
Die "Rutsche"
Im Zusammenhang mit der Veränderung des Zwecks von Krematorium II bei seiner Verlagerung nach Birkenau untersuchen die Autoren insbesondere den Zugang zu den Leichenhallen im Untergeschoss. In einem der Entwürfe für das Stammlager Auschwitz, vom Spätherbst 1941, war ein solcher Eingang als Teil des Gebäudes vorgesehen und wies zwischen zwei parallelen Treppen eine "Rutsche" auf. Das obere Ende dieses kleinen Treppenhauses war ein Absatz mit einer Tür nach außen, das untere lag in einem Vorraum, von dem aus ein Aufzug in den Ofenraum führte; der Vorraum hatte außerdem Eingänge zu den beiden Leichenhallen.
Für Dwork und van Pelt ist die Tatsache sehr wichtig, dass dieses Treppenhaus samt Rutsche von der Bauleitung Auschwitz gestrichen wurde, als die Zeichnungen für Birkenau modifiziert wurden. Sie vertreten die Meinung, dass der Grund für diese Veränderung die nun anders ausgerichtete Verwendung des Krematoriums war und sagen, dass ursprünglich "corpses were dropped through a chute but now live victims would walk to their death". Man sieht hier, dass es für sie etwas schwierig ist, die Funktion einer solchen Rutsche zu erfassen, denn sie sagen "dropped through a chute", so, als ob da ein Loch gewesen wäre und nicht nur eine glatte Schräge aus Zement.
Die Geschichte dieser Rutsche ist recht interessant: für das neue Krematorium (die Nr. II) hatte die Bauleitung Auschwitz anfangs, Ende Oktober 1941, einen Entwurf gemacht, bei dem eine Treppe mit Vordach von außen zu den zwei Leichenhallen ("Länge nach Bedarf")im Keller führte, sie hatte aber keine Rutsche. Einen Monat später kamen detailliertere Entwürfe aus Berlin (s.o.), der Eingang war dem Rest des Gebäudes angepasst worden und der Zugang zum Untergeschoss lag nun an einer anderen Stelle, war breiter und hatte die besagte Rutsche. Zu diesem Zeitpunkt scheint auch ein erster Bauplatz für dieses neue Krematorium - immer noch im Stammlager - festgelegt worden zu sein, denn die neuen Zeichnungen weisen eine genaue Ausrichtung (Norden usw.) auf. Der Bauplatz erscheint im Februar 1942 auf dem Lageplan für das Stammlager, den Dwork und van Pelt als Plate 7 in ihrem Buch ("Auschwitz, 1270") abbilden.
Das Grundstück im Stammlager war viel zu klein, als dass man dort Leichenhallen wie später in Birkenau hätte bauen können. Es lag neben dem bereits bestehenden Krematorium I und man hätte bestenfalls eine recht kurze Leichenhalle senkrecht zu Hauptachse des Krematoriums unterbringen können; ein direkter Zugang, wie später realisiert, hätte noch mehr Raum verbraucht. Als nun das Krematorium in Birkenau gebaut werden sollte, wurden Veränderungen nicht nur möglich, sondern auch nötig, wegen der größeren Zahl von Häftlingen und den dort wütenden Epidemien. Die wesentliche Veränderung war die Wiedereinbringung von zwei Leichenhallen mit einem direkten Zugang von außen zu einer von diesen, an ihrer Schmalseite.
Dwork und van Pelt sind nicht die einzigen Autoren, die von dieser Rutsche sprechen, auch Franciszek Piper vom Museum Auschwitz-Birkenau erwähnt ein solches Element, und zwar nicht nur für die Planungsphase, sondern als konkreten Teil des Krematoriums III, dass im Prinzip ein Spiegelbild von Nr. II war. In dem Buch "Anatomy of the Auschwitz Death Camp" schreibt er auf S. 168: "Crematorium III had a second entrance In addition to the stairway it housed a special concrete chute (Rutsche) through which corpses were lowered straight down to the elevator shaft". Berücksichtigt man diese Aussage von Piper, verliert das Argument von Dwork und van Pelt erheblich an Gewicht.
Als entschieden wurde, Krematorium II in Birkenau zu erstellen, änderten sich auch andere Bedingungen erheblich. Der Boden dort war so sumpfig und der Grundwasserspiegel lag so hoch, dass das Untergeschoss nicht völlig unter den gewachsenen Boden gelegt werden konnte; die Betondecke musste nun etwa 90 cm aus dem Erdboden heraustreten. Die unterschiedlichen Bodenverhältnisse zwischen Birkenau und Auschwitz zeigen sich deutlich auf verschiedenen Bildern des Buches von van Pelt und Dwork. Das Foto von Bauarbeiten im Stammlager auf S. 232 zeigt dies im Vergleich zu dem Drainagegraben in Birkenau auf S. 193 besonders klar, wie auch der stark wasserführende Straßengraben im Bereich "Kanada", auf S. 323.
Diese neuen Bodenverhältnisse hatten nun einen doppelten Effekt in Bezug auf den Eingang zum Kellergeschoss: auf jeden Fall war bei Krematorium II, für welches van Pelt genaue Zeichnungen veröffentlicht, der ursprüngliche Zugang nun von der Erdanschüttung für die teilweise aus dem Boden ragende Leichenhalle versperrt. Ein anderer Zugang musste also geschaffen werden (wobei möglicherweise Teile der Rutschanlage schon gebaut waren und einfach verdeckt wurden). Bei Krematorium III wurde dies, wie Piper sagt, vermieden, vielleicht durch eine kleine Verschiebung der Leichenhalle. In beiden Fällen war das Grundstück groß genug, einen neuen, direkten, geraden und breiten Zugang möglich zu machen; Reste davon sind für Krematorium II auf S. 213 in "The Case" zu sehen. Die andere Leichenhalle, die angeblich Gaskammer, war in beiden Krematorien zu nah an der Umzäunung, sodass ein direkter Zugang hier nicht vorgesehen werden konnte.
Diese Neuerungen hatten natürlich große Vorteile: der Zugang zur Leichenhalle war jetzt direkt und Tragbahren konnten bequem gehandhabt werden; außerdem erlaubte nun ein zweiter Zugang (zumindest bei Krematorium II) bzw. der alte mit seiner Rutsche (bei Krematorium III) dem Dienstpersonal, die anderen Räume im Keller zu erreichen, ohne durch die Leichenhalle zu gehen.
Die Türen
Der Grundriss der unterirdischen Einrichtungen im Krematorium II (und III, das ähnlich ausgelegt war) wird bei van Pelt in "The Case"des längeren dargelegt und diskutiert. Eine für van Pelt sehr wichtige Einzelheit ist, dass die Türen zum Leichenkeller 1, der angeblichen Gaskammer, verändert wurden, als für Krematorium II die Treppe mit der Rutsche verworfen bzw. abgeblockt wurde: ursprünglich sollte sich diese Doppeltür nach innen, zur Leichenhalle hin, öffnen, während sie nun in den Vorraum hin aufging. Van Pelt sieht auch diese Änderung als wichtigen Beweis dafür an, dass die Bestimmung der Leichenhalle sich nun gewandelt hatte.
Wenn man diese Frage näher betrachtet, ist sie ziemlich kompliziert. Leuchter hatte in seinem Bericht über Gaskammern argumentiert, dass es schwierig werden könnte, Türen, die nach innen aufgingen, nach einer Vergasung zu öffnen, weil sich Leichen dort vermutlich häufen würden. So war van Pelt nun froh nachweisen zu können, dass sich bei der Verlegung von Krematorium II nach Birkenau auch die Öffnungsrichtung dieser Doppeltür geändert hatte und diese nun nach außen aufging. Jedoch ist zumindest ein Teil der Gründe für diese Modifikation darauf zurückzuführen, dass die Tür sich bis dahin nach innen öffnen musste, weil sie sonst das untere Ende der Treppe mit der Rutsche verdeckt hätte. Ohne diese Treppe gab es auf jeden Fall eine Wahl für die Richtung. Ob der neue Zustand nun besser oder schlechter für eine Vergasungsaktion geeignet war, wird weiter unten diskutiert.
Obwohl die verschiedenen Zeichnungen für das Untergeschoss des Krematoriums bei van Pelt immer eine etwa 2 m breite Doppeltür an dieser Stelle zeigen, sagt Piper, der Eingang zur Gaskammer sei 1,92 m hoch und einen Meter breit gewesen ("Anatomy", p. 166); er gibt jedoch nicht an, in welche Richtung diese Tür aufging.
Piper hat sein ganzes Berufsleben in Auschwitz zugebracht, van Pelt und seine Mitarbeiter haben die Örtlichkeiten besucht und intensiv studiert, und doch sind sich beide nicht über diesen für die Beurteilung so wichtigen Punkt einig, und scheinen nicht einmal zu wissen, dass dies so ist. Vielleicht dachte Yehuda Bauer an Fragen dieser Art, als er von den Schwierigkeiten bei der Dokumentierung des Holocausts sprach.
Die Menschen
Diese Konstruktionsprobleme bringen uns zu einer Frage, die bislang noch nicht im Detail behandelt worden ist, weder bei den traditionellen Historikern, noch bei ihren Gegnern: wie bringt man hunderte, ja mehr als tausend nackte Menschen dazu, ruhig und zügig vom Auskleideraum in die Gaskammern zu gehen? Das klingt einfach, ist es aber nicht ohne weiteres, wenn man sich den Grundriss des Untergeschosses von Krematorium II näher ansieht; außerdem ist die Gängelung von Menschenmassen nie ganz leicht, besonders wenn diese ängstlich und feindlich eingestellt sind.
Zunächst einige Zahlen: aus den Zeichnungen und den Fotos, die in "The Case" und anderswo veröffentlicht worden sind, kann man ersehen, dass der "Auskleideraum" etwa 8 m breit und 50 m lang war, also ein Fläche von 400 qm hatte. Die "Gaskammer" war kleiner: sie war 7 m breit und nur 30 m lang, hatte also nur eine Fläche von etwa 200 qm.
Wir wollen hier nicht darüber nachdenken, wieviele Menschen man auf einem Quadratmeter zusammenpressen kann, wenn man sie töten will. Interessanter ist die Frage, wieviel Platz sie brauchen, um sich halbwegs ruhig und bequem auszuziehen und ihre Sachen ordentlich abzulegen. Hierfür benötigen sie sicherlich mehr Fläche, als die 30 mal 30 cm, die van Pelt jedem von ihnen für die letzten Minuten ihres Lebens zumisst. Der Auskleideraum ist doppelt so groß wie die Gaskammer, sodass also hier jeder Mensch noch doppelt soviel Fläche einnehmen konnte, d.h. knapp 50 mal 50 cm, aber auch vier Personen auf einem Quadratmeter können sich wohl kaum in Ruhe und Ordnung ausziehen und ihre Sachen ablegen und es ist wahrscheinlich, dass sich große Unruhe, ja Panik breitmachen konnte.
Es ist daher unwahrscheinlich, dass die großen Krematorien solche Massen von Opfern durchsetzen konnten. In gewisser Hinsicht ist dies jedoch ziemlich unwichtig, denn für solche Aktionen war der Engpass die Verbrennung; man hätte immer die Möglichkeit gehabt, für die Vergasungsaktionen kleinere Gruppen zu bilden.
Das sei nun, wie es wolle. Es wird uns gesagt, dass diese noch gar nicht misstrauischen Menschen, hunderte, ja über tausend von ihnen, von außen kommend die zehn Stufen hinuntergingen, ihre Kleider irgendwie in der vorderen Halle deponierten und dann durch eine Doppeltür am anderen Ende des Auskleideraumes weiterzogen. Bevor sie zu dieser ersten Doppeltür gelangten, verengte sich die Halle von 8 auf nur noch 2 m Breite und bildete einen 5 m langen Gang. Jenseits dieser Doppeltür befanden sich die Menschen in einem etwa 4 mal 4 m großen fensterlosen Raum mit einigen Türen und einem Lastenaufzug. Hier mussten sie eine Drehung um 90 Grad vollführen, um in das "Bad" zu gelangen, dessen Tür, van Pelt zufolge, sich gegen sie öffnete und zwei Flügel hatte; bei Piper gab es nur eine normalbreite Tür, die von diesen tausend Menschen passiert werden musste. Nimmt man an, dass in jeder Sekunde je zwei von ihnen durch diesen Engpass gelangten, so dauerte bei tausend Opfern allein diese Phase fast zehn Minuten.
Warum taten diese Menschen das überhaupt? Wir müssen uns das so vorstellen, dass in dieser Phase hinter ihnen vermutlich ein Kordon von einem Dutzend SS-Männern stand, mit Peitschen, vielleicht auch mit Hunden, und die Opfer antrieb. Man gerät jedoch in Schwierigkeiten, wenn man daran denkt, dass die Vorderen ja bald merken mussten, dass es im "Bad" gar keine wirklichen Duschen gab und nun auf jeden Fall in Panik gerieten, zurückdrängten, ihre Angst auf die Nachfolgenden übertrugen und in dem engen Gang und dem kleinen Vorraum ein echtes Chaos verursachten. Die SS-Männer im Hintergrund konnten die Opfer in ihrer Nähe prügeln soviel sie wollten, das fühlten die anderen nicht, sondern steigerte nur noch die Panik, die in den engen Durchgängen eingepferchte Masse trat sich tot und die SS-Männer selbst liefen Gefahr, von der rasenden Menge erdrückt zu werden.
Solange es sich um alte Leute oder Kinder handelte, war diese Gefahr für die SS vielleicht nicht sehr groß, aber es heißt, dass auch große Gruppen französischer und anderer Widerstandskämpfer nach Auschwitz transportiert und dort sofort auf diese Weise zu Tode gebracht wurden. Es ist nicht sicher, dass diese Menschen vor der Abfahrt streng durchsucht wurden, bei der Ankunft geschah dies auch nicht unbedingt für jene, die sofort "selektiert" wurden und so wäre es für einige der Opfer durchaus möglich gewesen, Messer oder andere für Nahkampf verwendbare Waffen zu verstecken; ja, solche Menschen wären auch in der Lage gewesen, mit bloßen Händen zu kämpfen.
Wenn nun auch noch jemand in diesem Chaos es fertigbrachte, die Türen zum "Bad" zu schließen (das war relativ einfach, denn sie schlossen sich im gleichen Sinne, wie der Menschenstrom floss), dann gab es für die SS nur noch die Möglichkeit, alle in Stücke zu hacken und neu zu beginnen, wobei dann allerdings irgendwelche Überlebende sich nicht mehr wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen würden und mit konventionellen Mitteln behandelt werden mussten.
Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das Tötungsverfahren zwei getrennte Phasen hatte - Auskleidung und Vergasung. Nun sind sich die meisten Historiker darüber einig, dass die Entlausungsmaßnahmen für frisch ankommende Häftlinge natürlich diese zwei Operationen beinhalteten, aber wenn man an die Schwierigkeiten denkt, die bei einer Massenvergasung auftreten konnten, fragt man sich, warum die SS dabei in dieser Weise vorgehen würde.
Es wäre doch viel einfacher gewesen, Gruppen von Leuten einfach in einen Raum zu treiben, hinter ihnen die Tür zu verschließen und dann das Gas einzuleiten. Zugegeben, man hätte die Kleider der Opfer wohl kaum mehr verwenden können, doch war dies schließlich nicht der Hauptzweck. Die Tötungsaktion selbst wäre viel einfacher verlaufen und die schmutzige Wäsche wäre mit den Opfern verbrannt worden, ja, sie hätte sogar noch einen Energiebeitrag dazu geleistet. Das Gepäck der Opfer enthielt bekanntlich ohnehin noch soviel Kleidung, dass man sich das hätte leisten können. Sowjetische Berichte sprechen von hunderttausenden von Kleidungsstücken, die in Auschwitz aufgefunden wurden; die SS war also offenbar gar nicht in der Lage, all diese Sachen zu verwerten.
Das erste Krematorium
Nun waren die Krematorien in Birkenau zwar die größten ihrer Art, aber die erste Einrichtung zur Verbrennung von Leichen war, wie schon erwähnt, im Stammlager Auschwitz aufgestellt worden, das Krematorium 1 mit seinen sechs Muffeln. Hier sollen die ersten Vergasungen vorgenommen worden sein, so berichtet u.a. der Zeuge Broad, den van Pelt zu Worte kommen lässt (S. 224ff). Dieser will von seinem Büro in der Baracke der Politischen Abteilung aus die Vorbereitungen dazu beobachtet haben; da er jedoch auch Angaben über die Vorgänge im Inneren des Krematoriums und über die Gespräche der Opfer untereinander macht, stützt er sich vermutlich außerdem auf Erzählungen Dritter.
Broad zufolge standen etliche hundert dieser Opfer zunächst in dem von einer Mauer weiträumig umschlossenen Bereich des Krematoriums und wurden dann in das Gebäude hneingeleitet. Dort gingen sie, folgt man der Zeichnung, die Dwork und van Pelt als Plate 3 zeigen, durch einen 6 m langen und 4 m breiten Vorraum, dann durch eine normale Tür nach rechts in den etwa 4 mal 4 m großen Leichenwaschraum und kamen dann erst nach einer Linkswendung durch eine weitere normal breite Tür in die Leichenhalle, wo die Vergasung stattfinden sollte. Auf diesem Weg, sagte Broad, wurden sie von einigen SS-Männern begleitet, die sich unbemerkt entfernten, wenn der ca 100 qm große Raum sich gefüllt hatte. Sie schlossen dann die Tür von der Seite des Leichenwaschraums aus.
Auch in diesem Falle hat man Mühe, eine solche Schilderung zu akzeptieren, denn es waren sicher 5 - 10 Minuten nötig, um die Leichenhalle zu füllen, sodass die vorderen Opfer reichlich Zeit hatten, die Täuschung mit den Duschen zu bemerken und entsprechend zu reagieren. Die Konsequenzen in den engen Räumlichkeiten vor der Leichenhalle kann man sich ausmalen.
Andere Lager
Robert Jan van Pelt spricht zwar nur von Auschwitz, aber ähnliche Überlegungen hinsichtlich des Ablaufs der Tötungsaktionen lassen sich natürlich auch für die anderen Lager anstellen. Es wird berichtet, in Lagern wie Treblinka, Sobibór oder Belzec habe die wartende Menge von 1000 oder 2000 nackten Opfern im Freien in einem eingezäunten Gang von ca. 100 m Länge und 3 m Breite gestanden, der zur Schmalseite eines Gebäudes führte, in dem sich die Gaskammern befanden. Die Opfer mussten dann über eine dreistufige Treppe das mehr als einen Meter über dem Boden befindliche Gebäude betreten und befanden sich dann in einem etwa 1,5 m breiten Korridor, in dem sich rechts und links Türen zu den ca. 4 mal 8 m großen Gaskammern öffneten. Das andere Ende des Ganges war geschlossen, dahinter befand sich der Dieselmotor, dessen Abgase später die Opfer töteten. Je nachdem, welchem Zeugen man glaubt, konnten die Kammern zwischen 100 und 300 Personen fassen.
Man kann sich den Ablauf der Aktion nur so vorstellen, dass die Wachen am Eingang des Gebäudes die jeweils für einen Raum nötige Anzahl von Opfern abzählten, dann den Zugang unterbrachen, selbst den Korridor betraten, um die dort noch wartenden Menschen in die Kammer hineinzupressen und die Tür zu verriegeln und dann mit einer neuen Kammer begannen, bis sich alle 10 Kammern gefüllt hatten. Die wartenden Menschen mussten all dies mit ansehen, bis sie selbst an die Reihe kamen. Am Ende der ganzen Operation, also vermutlich nach mindestens einer Stunde, wurde der Dieselmotor angeworfen und das Gas in die Kammern geleitet. Auch ein überzeugter Vertreter der traditionellen Darstellung wird zugeben müssen, dass ein solches Verfahren nicht ohne weiteres in die Praxis umsetzbar ist.
Ein Jahr ohne Vergasungen
Ähnliche praktische Erwägungen sind vielleicht auch Fritjof Meyer in den Sinn gekommen und haben ihn zu seiner Aussage (in "Osteuropa" 5/2002) geführt, dass die Krematorien nach ihrer Fertigstllung (März - Juni 1943) kaum für Massentötungen eingesetzt worden sind und Vergasungen generell wahrscheinlich (Meyers Wort) in zwei kleinen umgebauten Bauernhäusern (den sogenannten Bunkern 1 und 2) stattgefunden haben. Er führt die Beendigung der Vergasungen im April 1943 auf einen Himmler-Befehl zurück, in dem geeignete Arbeit für alle irgendwie einsetzbaren Häftlinge, bis hin zu den bettlägrigen, angeordnet wurde. Meyer sagt jedoch nicht, warum die Vergasungen ein Jahr später wieder aufgenommen wurden, oder woher er weiß, dass dies so war.
Läßt man einmal außer acht, ob die Berichte über Vergasungen in den kleinen Bauernhäusern auf Tatsachen beruhen, so besteht in Historikerkreisen generelles Einvernehmen darüber, dass auch diese Vergasungen im Frühjahr 1943 eingestellt wurden; das eine Haus (Bunker 1) wurde sogleich abgerissen, das andere(Bunker 2) erst ein Jahr später wieder in Betrieb genommen. Die sich aufdrängende Schlussfolgerung aus diesen zwei schlecht abweisbaren Prämissen ist, dass ab Frühjahr 1943 etwa ein Jahr lang in Auschwitz-Birkenau keine systematischen Vergasungen stattgefunden haben und widersprechende Zeugnisaussagen sehr kritisch zu betrachten sind.
Diese Schlussfolgerung wird vom sogenannten Kas(z)tner-Bericht unterstützt, den van Pelt zwar kennt, von dem er aber nur indirekt durch Zitierung des französischen Revisionisten Rassinier spricht. Letzteren lässt er sagen, dass Kas(z)tner, ein führender Vertreter der ungarischen Juden zur Zeit der "Ungarn-Aktion", später behauptet habe, die Gaskammern in Auschwitz seien zwischen Herbst 1943 und Mai 1944 etwa 8 bis 9 Monate außer Betrieb gewesen. Dieser Aussage widerspricht van Pelt nicht und diskutiert sie nicht; Kas(z)tners Name erscheint auch nicht im Register von "The Case".
Kas(z)tner versuchte 1944 mit den Deutschen und den Alliierten das Arrangement "Juden gegen LKWs" zu realisieren, was ihm aber nicht gelang. Es kam nur zu einem Transport von etwa 2000 ungarischen Juden in die Schweiz. Kas(z)tner wurde in den 50er Jahren auf mysteriöse Weise in Israel ermordet.
Die "Schächte"
Eine andere Einzelheit, die van Pelt in seinem Buch behandelt, ist die Frage der kleinen Schächte (chimneys) auf den Leichenkammern der Krematorien II und III, durch welche das Zyklon B Granulat mit seiner Blausäure eingeworfen worden sein soll. Diese Frage hat viel Anlass zu Diskussionen gegeben, wobei es darum geht, ob es solche Schächte auf der Decke überhaupt gegeben habe, wie sie ausgesehen haben mögen, was für einen Zweck sie hatten und wann sie eingebaut wurden.
Unter traditionellen Historikern läuft die Argumentation wie folgt: die Kellerräume der Krematorien II und III waren zwar nicht von Anfang an als Gaskammern geplant, sie wurden aber später, Ende 1942, dafür vorgesehen. Das bedeutete (warum eigentlich?), dass in die Decke Löcher gebrochen und darüber kleine Schächte errichtet werden mussten, durch welche das Zyklon B eingeworfen wurde. Unter diesen Öffnungen, in der Gaskammer, befanden sich hohle Säulen aus Drahtnetz, aus denen die Blausäure dann in den Raum diffundierte; nach einer Vergasung konnte man die Körner wieder nach oben herausholen und mit der Entfernung der Leichen sofort beginnen. Warum man es damit so eilig hatte, ist nicht ganz klar, denn die Tötungskapazität überstieg die Kapazität der Krematorien bei weitem und es hätte keinen Sinn gehabt, gleich noch mehr Opfer zu töten, denn die Öfen wären nicht nachgekommen.
In einer ganzen Reihe von Büchern findet man ein Foto von Krematorium II während der Bauzeit im Winter 1942/43. Der aus dem Boden ragende Teil der Gaskammer ist gut sichtbar, wie auch 4 kastenartige Objekte auf der Betondecke, aber ihr Ort stimmt nicht ganz mit den Angaben von van Pelt oder den Flecken auf Luftaufklärungsfotos überein, aus denen die Existenz solcher Schächte hervorgehen soll.
Was jedoch einigermaßen klar ist, wenn man sich an der Höhe des aus der Erde ragenden Teils der Leichenkammer orientiert (ca. 90 cm, lt. Dwork und van Pelt, S. 325), das ist die Höhe dieser Kästen selbst, etwa die halbe Höhe des oberen Teils dieser Leichen- bzw. Gaskammer, also vielleicht 50 cm. Nun kann man zwar einen Gegenstand von solcher Höhe auf Luftaufnahmen vielleicht erkennen, besonders, wenn die Sonne entsprechend schräg steht, wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Betondecke nicht unbedeckt blieb. Die Zeichnungen bei van Pelt zeigen ganz deutlich, dass die Decke erst mit einer Teerschicht, dann mit einer Kiesschicht und schließlich mit Erde abgedeckt wurde und dass die gesamte Dicke dieser Abdeckung etwa 50 cm betrug. Wenn man dann noch bedenkt, dass auf der Erdschicht eine grasartige Vegetation entstehen würde, fragt man sich, ob ein solcher Schacht wirklich in irgendweiner Weise auf Luftaufnahmen sichtbar wäre. Die sieben Mansardenfenster auf dem Dach des eigentliche Krematoriums, die immerhin etwa einen Meter hoch waren, sind auf der gleichen Aufnahme jedenfalls kaum zu sehen.
Hier sollte man sich auch vor Augen halten, wie die Drahtnetzsäulen ausgesehen haben mögen; van Pelt zeigt eine entsprechende Skizze auf S. 208 in "The Case". Das obere Ende der hohlen Säule befindet sich in einer Art Schacht mit einem Deckel, letzterer ist jedoch praktisch auf gleicher Höhe mit einer Linie, die offensichtlich die Obergrenze der Erdschicht auf der Decke der Kammer anzeigt. Man sieht, wie willkürlich die Angaben zu diesen Vorrichtungen und zu ihrer vermuteten Verwendung sind.
Noch eine andere Sache ist hier merkwürdig: van Pelt sagt, die Drahtnetzsäulen und die Schächte seien vor der Sprengung der Kammer entfernt, und die Löcher in der Decke dabei möglicherweise verschlossen worden. Es ist zwar ziemlich einfach, die von Zeugen beschriebenen Säulen zu entfernen (aber wo sind sie geblieben?), jedoch hätte man zwecks Entfernung der Schächte auch noch die Erde dort aufgraben und dann vielleicht die Löcher verfüllen müssen, um dann schließlich das Ganze in die Luft zu sprengen - wirklich keine sehr überzeugende Theorie. Als Zugabe verweist van Pelt auf die Resultate einer anderen Untersuchung, bei der solche (unverfüllten?) Löcher im Schutt der Decke aufgefunden worden sein sollen, wobei man sich als Hinweis auf zerschnittene und abgebogene Eisen im Beton gestützt habe. Darüber kann jedoch hier nur wenig gesagt werden, da van Pelt keine näheren Angaben macht.
Das Gas und die Körner
Hinter diesen bautechnischen Erwägungen steht eine grundsätzliche Frage: die Lagerleitung kannte von Anfang an die Arbeiten der Firma Degesch, die das Zyklon B herstellte, in Bezug auf Auslegung und Verwendung von Entlausungskammern. Diese wurden nach dem sogenannten Degesch-Kreislaufsystem betrieben und dienten in Auschwitz zur Behandlung von Kleidung und anderen Gegenständen als Teil des Aufnahmeverfahrens für ankommende Häftlinge. Die Hauptmasse , wenn nicht sogar die Gesamtmenge, des nach Auschwitz gelieferten Zyklon B wurde hierfür verwendet. Es wird sogar gesagt, dass die Arbeiten der Degesch die Lagerleitung zum Einsatz von Zyklon B inspirierte, als es darum ging, ein Mittel für Massentötungen auszuwählen. Es gab ein System für die abgeschlossene und mechanisierte Anwendung von Zyklon B bei Entlausungen: in einer gasdichten Kammer wurden die Dosen mit Zyklon B mechanisch geöffnet, die Körner fielen auf ein Auffangblech und ein Strom warmer Luft ermöglichte eine rasche Ausgasung und Verteilung der Blausäure im Raum.
Eine solches Verfahren hätte man ohne weiteres auch in Gaskammern für Massentötungen in den Krematorien II und III anwenden können, denn diese verfügten über Be- und Entlüftung und es hätte genügt, eine entsprechende Vorrichtung in die Belüftungsleitung einzubauen. Stattdessen soll die Lagerverwaltung ein primitives und gefährliches Verfahren vorgezogen haben, das nicht einmal einfacher anzuwenden war als das Kreislaufsystem.
Was das Giftgas betrifft, wird der Leser mit Interesse feststellen, dass van Pelt auf S. 499 seines Buches sagt, " das Zyanid gaste nach Öffnung der Dosen 24 Stunden lang aus". Aus diesem Grunde, fährt der Autor fort, mussten die Körner durch die Drahtnetzsäulen nach oben entfernt werden, bevor man die Gaskammer betreten konnte, um die Leichen zu entfernen. Das bedeutet, dass etwa 30 Minuten nach Einbringung des Zyklon B in die Gaskammer der kleine Behälter mit der nun stark ausgasenden Blausäure hochgezogen, und sein Inhalt entleert und beseitigt werden musste. Mehrere Zeugen wollen gesehen haben, wie das Zyklon B in die Gaskammern eingebracht wurde, aber keiner hat diese weniger eindrucksvolle, aber unumgänglich zweite Phase der Operation beschrieben. Ja, die Zeugen sind sich sogar darüber einig, dass der Rot-Kreuz-Wagen, mit dem das Gift angeliefert wurde, bald nach Einbringung der Körner in die Gaskammer wieder abfuhr.
Während sich ein so primitives Verfahrenfür Krematorium II und III mit ihren Belüftungssystemen vielleicht noch als möglich angesehen werden kann, wäre es in den sogenannten Bunkern bzw. den beiden anderen Krematorien völlig fehl am Platz; dort wurden die Zyklon B Körner einfach durch eine Öffnung in die Räume gekippt. Hält man sich van Pelts Argument vor Augen, die großen Krematorien (II und III) seien ursprünglich nicht als Tötungseinrichtungen konzipert worden und später entsprechend modifiziert werden mussten,während die Krematorien IV und V von vornherein auf Massentötunge ausgelegt waren, steht man vor einem Dilemma: folgt man den Traditionalisten, so hatten die "Bunker" bewiesen, dass es genügte, Zyklon B in die Kammer mit den Opfern einzuwerfen, nachher die Tür zu öffnen und bald darauf die Leichen zu entfernen - warum musste man dann für Krematorium II und III erst noch diese Drahtnetzsäulen mit ihren Schächten einbauen? Und wenn man wirklich für diese Krematorien die Methode verbessern musste, warum war das bei den beiden anderen Krematorien (IV und V), die als Tötungsmaschnen geplant worden waren, nicht nötig?
Die Frage, ob nun die Körner mit Zyklon B aus den Kammern entfernt werden mussten und ob dafür auch eine starke Belüftung nötig war, nimmt so eine große Bedeutung an; man kann nicht in eine Richtung (für Krematorium II und III) und gleichzeitig in die andere (für Krematorium IV und V sowie die "Bunker") argumentieren. Es ist völlig unklar, warum man in Krematorium II und III trotz der guten Be- und Entlüftung Vorrichtungen für Ein- und Ausbringung der Körner vorsehen musste (van Pelt weist sogar die gute Durchlüftung mathematisch nach), während dies für die gleichzeitig gebauten Krematorien IV und V nicht nötig war, die noch dazu, Dwork und van Pelt zufolge, echte und unvermummte Tötungsorte waren. Geht man hier noch in die Details, so ist die Behauptung von Dwork und van Pelt in keiner Weise überzeugend, denn in Krematorium IV und V war die Lüftung so schlecht wie in den "Bunkern", wenn nicht schlechter, ganz abgesehen davon, dass die Böden nicht gut gesäubert werden konnten und die niedrigen Decken (2 m hoch) aus einer porösen und nur 3 cm dicken Heraklitschicht bestanden, die leicht beschädigt werden konnte.
Die Keller
Hier und da haben wir schon die verschiedenen Stadien betrachtet, welche die unterirdischen Leichenkammern durchliefen, bevor sie schießlich als Teil von Krematorium II bzw. III in Birkenau gebaut wurden. Ein früher Entwurf der Bauleitung Auschwitz ("Anatomy", S. 202/203) für das Stammlager benennt eine dieser beiden Kammern "B-Keller" (senkrecht zu Ofenhalle), die andere "L-Keller" (in gleicher Richtung wie die Ofenhalle). Offensichtlich bedeutet L-Keller Leichenkeller, die Bedeutung von B-Keller ist nicht sofort ersichtlich. Die Autoren des entsprechenden Kapitels in "Anatomy" (Pressac und van Pelt) sagen, "B" habe für belüftet gestanden, das ist aber nicht überzeugend, weil beide Kammern irgendwie belüftet waren. Außerdem knirscht eine solche Erklärung in deutschen Ohren.
Wofür kann "B" denn nun sonst geastanden haben? Jeder kennt die Gesetzestreue der Deutschen und im Jahre 1934 hatte die Regierung in Berlin ein Gesetz i.S. Feuerbestattung erlassen (eine germanische Tradition, zumindest für die besseren Leute), in welchem die Einzelheiten des Verfahrens geregelt wurden. Angesichts der Unumkehrbarkeit der Verbrennung wurde für die Leichen vor der Einäscherung eine "Leichenschau" vorgeschrieben, des weiteren sollten Krematorien u.a. ein würdiges Erscheinungsbild bieten. Letzteres wurde zumindest für die Krematorien II und III berücksichtigt, bei denen etwa die Fenster und Türen mit Sandstein eingefasst waren. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch die Leichenschau-Vorschrift respektiert wurde, da der Lagerarzt in diesen Dingen durchaus genau war.
Wieso dann aber "B-Keller"? Man muss wissen, dass es auch in Oesterreich schon vor dem Anschluss ein entsprechendes Gesetz gegeben hatte, mit dem Unterschied, dass man dort von "Leichenbeschau" sprach. In der Bauleitung gab es eine ganze Reihe von SS-Leuten aus Oesterreich, Walter Dejaco zum Beispiel, der auch für die Krematorien zuständig war, und es ist daher durchaus wahrscheinlich, dass "B" für "Beschau" stand.
Dies ist insofern auch im Einklang mit dem Ablauf der Einäscherungen in den Krematorien II und III. Es gab einen direkten Zugang zu einer ersten Leichenhalle, in der die Leichen für den Arzt abgelegt wurden, nach der Beschauung wurden die Leichen in die zweite Halle geschafft, um dann eingeäschert zu werden. Die während der Konstruktionsphase definierte Belüftung entsprach diesen Verhältnissen: der Beschau-Keller hatte nur eine Entlüftung, die Zuluft kam durch die breite Tür von außen, während der abgeschlossene L-Keller Be- und Entlüftung brauchte.
Dass in der endgültigen Ausführung B- und L-Keller gegenüber der ersten Planung vertauscht wurden, dürfte lediglich daran liegen, dass bei der anfänglichen Planung der Bauort noch nicht feststand, und daher auch die Auslegung der Kellerräume noch unsicher war und erst später festgelegt werden konnte.
Der Brief und der Vermerk
Es gibt ein Dokument, welches für van Pelt so wichtig ist, dass er Teile davon auf dem Buchumschlag abbildet; eine englische Übersetzung bringt er auf S. 209f. Es handelt sich um die Abschrift (den Durchschlag?) eines Briefes der Zentralbaueitung vom 29. Januar 1943 an Kammler, einen hohen SS-Offizier in Berlin, über den Baufortschritt von Krematorium II in Birkenau. Für van Pelt ist der Brief von großer Wichtigkeit, weil er explizit die Bezeichnung "Vergasungskeller" für eine der unterirdischen Leichenhallen enthält. Dies ist für van Pelt ein ganz deutlicher Hinweis mit einer tiefgehenden Bedeutung.
Das Dokument als solches weist eine Reihe von formalen Merkwürdigkeiten auf: es enthält nicht weniger als drei Tippfehler (Nachbetrieb, funtionieren und die anstatt dies) und man fragt sich, ob ein solcher Brief an einen Mann mit hohem Amt in der SS-Verwaltung in Berlin das Lager überhaupt verlassen hätte. Abgesehen davon enthält es den merkwürdigen Satz: "Die Öfen wurden angefeuert und fun(k)tionnieren tadellos".
Warum ist dies merkwürdig? Am gleichen 29. Januar 1943 wurde von der Zentralbauleitung ein Aktenvermerk über eine Unterredung mit dem örtlichen Vertreter der AEG (Lieferant für die elektrische Ausrüstung von Krematorium II) erstellt; van Pelt bildet das Blatt auf S. 330 ab. Wesentlicher Punkt in diesem Vermerk ist, dass die elektrischen Anlagen unmöglich vor Ende Januar fertiggestellt werden konnten und als Notlösung eine begrenzte Einrichtung für Mitte Februar angepeilt wurde.
Die Interpretation dieses Briefes und des Aktenvermerks hängt davon ab, welches der Bücher von Pressac bzw. van Pelt man heranzieht. In seinem Buch über die Krematorien von Auschwitz diskutiert Pressac die Widersprüche beider Dokumente nicht und hebt lediglich den Ausrutscher mit "Vergasungskeller" hervor. In ihrem gemeinsamen Kapitel über die Krematorien in dem Buch "Anatomy" (S. 227) gehen Pressac und van Pelt wiederum darüber hinweg und sagen auch nicht, dass Kammler in Bezug auf die Betriebsbereitschaft des Krematoriums belogen wurde. Sie sagen hier jedoch, dass es Kammler war, der in einem Brief vom 29. Februar 1943 von einem "Vergasungskeller" sprach und gleichzeitig den Adressaten, Bischoff (Leiter der Zentralbauleitung), beförderte. Man weiß also nicht genau, wer wem was wann geschrieben hat, besonders, weil 1943 kein Schaltjahr war und es somit keinen 29. Februar 1943 gab.
Der AEG-Vermerk wird von Dwork und van Pelt auf S. 330 ihres Buches über die Geschichte von Auschwitz (", 1270") diskutiert, wobei der Terminus "Vergasungskeller" jedoch keine Rolle spielt, obwohl "Anatomy" seit zwei Jahren auf dem Markt war und van Pelt selbst an dem entsprechenden Kapitel mitgearbeitet hatte. Dwork und van Pelt erwähnen allerdings eine Zeile aus dem AEG-Vermerk mit den Worten " the capacity of the temporary system would not allow for simultaneous "special treament" and incineration".
Demgegenüber besagt der von van Pelt auf S. 330 von "The Case" wiedergegebene Vermerk im deutschen Text " wobei eine Verbrennung mit gleichzeitiger Sonderbehandlung möglich gemacht wird".
Es läßt sich also gar nicht einsehen, wie das Krematorium II Ende Januar 1943 angefahren und zufriedenstellend funktionieren konnte, wenn die Elektrik dies noch in keiner Weise zuließ - schließlich brauchten die Öfen die Unterstützung einer Saugzuganlage um ihre Leistung zu erreichen.
Dies spricht alles nicht sehr stark für eine große Sorgfalt seitens van Pelt bei der Beurteilung der Beweise zu einem so wichtigen Punkt. Wenn die Analyse eines so bedeutsamen und leicht lesbaren Dokuments schon derart oberflächlich ist, fragt man sich, wie es mit anderen Quellen steht, die bei van Pelt nicht abgebildet, sondern nur erwähnt werden.
Die Heizung
Hinsichtlich der Krematorien IV und V weist van Pelt darauf hin, dass deren Leichenkammern Öfen enthielten und leitet daraus ab, dass diese Räume zu einer schnelleren Verdampfung der Blausäure aus den Zyklon B Körnern vorgewärmt wurden. Andererseits sind für die "Bunker" in dieser Hinsicht nie Öfen erwähnt worden; für die Krematorien II und III gab es zwar einmal bei der Fa. Topf ein Projekt zur Wärmerückgewinnung aus den Rauchgasen, sie konnten jedoch auch ohne eine solche Maßnahme betrieben werden. Entweder funktionierten also die "Bunker" im Winter nicht so richtig, oder die Öfen in Krematorium IV und V sind kein wesentlicher Beweis.
Sei das nun wie es wolle, festzuhalten ist, dass der menschliche Körper ca. 100 kcal pro Stunde (entspricht etwa 100 Watt) abgibt. Auch wenn man nur 4 Personen auf eine Fläche von 1 qm zusammendrängt (van Pelt bringt es sogar auf 8 Personen, weil deutsche Straßenbahnen so ausgelegt waren), werden dieser Raumeinheit ca. 400 Watt zugeführt. Dem für die Krematorien IV und V erwähnten großen Raum von etwa 90 qm würde bei einer solchen Beschickung insgesamt etwa 35 kW an menschlicher Energie zugetragen - erheblich mehr, als für eine normale Gebäudeheizung nötig wäre (ca. 6 - 8 kW in einem solchen Fall) und die Atmosphäre in diesem Raum würde sich innerhalb kürzester Zeit hinreichend für eine Verdampfung von Zyklon B erwärmen. Auch hier haben wir wieder einen Fall, wo van Pelt hinten einreißt, was er vorne aufgebaut hat.
Der Rauch
Ein weiteres Beispiel dieser Art ist der Rauch, den Zeugen immer wieder über den Schornsteinen der Krematorien und über den offenen Feuern gesehen haben wollen. Manche Zeugen erklären sogar, dass nicht nur Rauch, sondern Feuer aus den Schornsteinen stieg, aber das ist ohne Zweifel ein dekoratives Element, auf das man verzichten kann. Die meisten Zeugen stimmen darin überein, dass der Rauch dicht und dunkel war. In gewisser Weise ist es belustigend hier festzustellen, dass die Revisionisten eine ganze Weile bestritten haben, dass solcher Rauch tatsächlich zu beobachten war und höchstens zugaben, dass etwas Rauch beim Anfeuern der Öfen entstand. Van Pelt gibt sich nun große Mühe, seine Leser von der Tatsache zu überzeugen, dass die Krematorien immer rauchten; die Revisionisten scheinen sich auch bis zu einem gewissen Grade damit abgefunden zu haben und somit sollte es also damit nun seine Bewenden haben.
Wie immer, so hat auch diese Sache zwei Seiten. Wenn es zutrifft, dass dichter Rauch immer dann zu sehen war, wenn die Krematorien in Betrieb waren und wenn ferner die Zeit zwischen Mai und Oktober 1944 die Periode maximaler mörderischer Aktivität des Lagers Birkenau war und sogar die Krematorien nicht mehr nachkamen, sodass man wieder im Freien verbrennen musste, um bis zu 25 000 Leichen täglich zu verbrennen, dann sollte man für diese Zeit immer Rauch feststellen können, und zwar sowohl über den Krematorien, als auch über den Verbrennungsgruben.
Die Luftaufnahmen bei van Pelt, die am 31. Mai, 26. Juni und 25. August 1944 aufgenommen wurden, zeigen jedoch keinerlei Rauch über den Krematorien. Das bedeutet, dass an mindestens drei der hektischsten Tage in der Geschichte des Lagers die Krematorien nicht in Betrieb waren. In der Aufnahme vom 31. Mai ist zwar in dem Bereich hinter Krematorium V dünner weißer Rauch zu sehen, ähnlich wie auf dem Luftbild vom 23. August 1944, das später noch diskutiert wird. Abgesehen von diesem Ort kann man aber sagen, dass an den Tagen vor den Luftaufnahmen keine offenen Verbrennungen stattgefunden haben, denn man weiß aus den Erfahrungen mit der Maul- und Klauenseuche, von der Westeuropa vor einigen Jahren heimgesucht wurde, dass Scheiterhaufen, die für die Beseitigung der Tierkadaver angelegt wurden, mehrere Tage lang unter Rauchentwicklung brannten und danach noch bis zu zwei Wochen glühten bzw. heiß waren.
Die offenen Feuer
Das anderswo veröffentlichte Luftbild vom 23. August 1944 zeigt, wie bereits erwähnt, hinter dem Krematorium V eine aktive Feuerstelle mit einer kleinen weißen Rauchsäule. Dies ist als Beweis dafür interpretiert worden, dass ein Transport von 759 Juden aus Mauthausen, der am Vortage ins Lager gekommen und vergast worden war, dort verbrannt wurde. Die Aufnahme ist deutlich genug, dass die Größe der Feuerstelle geschätzt werden kann; das Krematorium selbst gibt entsprechende Hinweise. Die Stelle ist etwa 40 m lang und 5 m breit; ob der dünne weiße Rauch von der gesamten Länge aufsteigt oder nur von einem Ende, ist nicht leicht auszumachen. Man sieht auch, dass um die Brennstelle herum nur wenig Platz war, das Feuer brannte in dem nur etwa 30 m breiten Raum zwischen dem Krematorium selbst und der Umzäunung.
Die traurige Erfahrung mit der Maul- und Klauenseuche hat gezeigt, dass der beste Scheiterhaufen lang und schmal ist, seine Breite sollte etwa 3 m nicht überschreiten. Breitere Feuer neigen dazu, in der Mitte zusammenzusacken, sie brennen dann dort nicht mehr gut, bekommen keine Luft, können aber an dieser Stelle auch nicht gestochert werden, weil man von außen wegen der Hitze nicht nahe genug herankommt. Man kann auch annehmen, dass die SS in früheren Jahren, als es darum ging, 50 oder 100 000 Opfer von Flecktyphus und anderen Krankheiten zu beseitigen, Erfahrungen mit Scheiterhaufen gemacht hatte und wusste, wie man diese am besten anlegt.
Die Vorschriften für Kadaververbrennungen besagen, dass man etwa 5 oder 6 Schafe oder ähnliche Tiere auf einen laufenden Meter Brennhaufen laden kann - ähnliches dürfte für menschliche Leichen anwendbar sein. Zeitungsartikel über solche Feuer erwähnen aber auch, dass man selbst mit modernen Mitteln ein paar Tage brauchte, um so einen 100 m langen Scheiterhaufen für 800 Schafe zu bauen, nicht zuletzt wegen der Versorgung mit Brennstoff. Berücksichtigt man diese Zeitdauer, ferner die sich über mehrere Tage erstreckende Phase der aktiven Verbrennung und die Tatsache, dass der Rauch dunkel ist, solange noch animalische Substanz vorhanden ist, so ist durchaus zweifelhaft, dass dieser weiße Rauch von einer Verbrennung der Menschen aus dem Transport von Mauthausen oder übrhaupt aus einer solchen Verbrennung stammt. Erinnert man sich dann auch noch an die Aussage von Höß, dass man zu dieser Zeit wegen der Luftangriffe nachts ohnehin nicht mehr verbrennen konnte, so wird die Interpretation dieses weißen Rauches vollends willkürlich.
Der Brennstoff
Bei offenen Feuern kommt der Frage der Versorgung mit Brennstoff eine erhebliche Bedeutung zu, denn der Bedarf ist hier wesentlich höher als in einem Krematorium. Auch hier helfen uns die Angaben für die Maul- und Klauenseuche weiter, man kann aus ihnen ableiten, dass man mit einem Festmeter trocknen Holzes etwa drei menschliche Leichen verbrennen kann. Die Frage der Versorgung dieser Feuer mit Brennstoff - im Prinzip Holz - ist noch kaum diskutiert worden, im Gegensatz zum Koksbedarf der Krematorien, obwohl die Frage in diesem Zusammenhang ganz entscheidend ist. Zeugen gehen darüber hinweg und erklären summarisch, man habe die Leichen einfach mit Methanol oder Öl übergossen und dann in Brand gesteckt, das ist jedoch nicht überzeugend.
Wir müssen uns vor Augen halten, dass, wenn tausende von Leichen in Gräben verbrannt werden sollen (wahrlich nicht die beste Methode), es höchst gefährlich ist, hierfür Methanol einzusetzen, denn diese Chemikalie ist flüchtig, giftig, kann zu Erblindung führen und die Dämpfe sind explosiv. Übergießt man an einem heißen Sommertag Leichen in einem Graben mit Methanol, so braucht man dafür soviel Zeit, dass die Gefahr einer Explosion bei der Zündung besteht, denn die untere Explosionsgrenze von Methanol in Luft liegt zwar nicht so tief wie bei Benzin, aber doch bei nur wenigen Prozent. Es wäre auch völlig unmöglich, während des Brennens noch Methanol hinzuzugeben und die Leichen wären nach Erlöschen des Feuers durchaus noch teilweise vorhanden, weil die Flüssigkeit nur an der Oberfläche brennt und die Körper nicht, wie etwa Holz, auf allen Seiten umgibt. Man erinnert sich, dass Hitler und Eva Braun nach ihrem Tode im Freien mit 40 Liter Benzin übergossen wurden, welches dann von weitem mit einem brennenden Lappen gezündet wurde; nach Erlöschen des Feuers waren jedoch verkohlte Leichenteile durchaus noch in erheblichem Maße übrig.
Schon die Verbrennung von nur 1000 Leichen pro Tag im Freien erfordert die tägliche Versorgung mit ca. 300 Festmetern trocknen Holzes; die Brennstelle wäre ca. 100 m lang und auf eine Woche blockiert - möglicherweise noch länger, wenn man, wie berichtet wird, auch noch die Goldzähne aus den Skeletten herausbrechen und Knochenüberbleibsel zerstampfen will. Es muss auch dafür gesorgt werden, dass um die Brennstelle herum allseits genügend Raum verbleibt, sowohl für die Durchführung der entsprechenden Arbeiten, als auch als Sicherheitsabstand, da die Feuer in der Anfangsphase sehr viel Hitze abstrahlen. Das bedeutet, dass nur unwesentliche Mengen an Leichen in dem begrenzten Raum hinter dem Krematorium V hätten verbrannt werden können.
Berücksichtigt man die Erfahrungen aus der MKS-Epidemie, so sieht man leicht, dass die Verbrennung von 10 000 Leichen pro Tag, die von Zeugen erwähnt worden ist, in Bezug auf Logistik, Zeit, Brennstoff, Raum usw. die Möglichkeiten der Lagerleitung bei weitem überschritten hätte. Schon allein die Bereitstellung der erforderlichen 3000 Festmeter Holz hätte eine Flotte von 30 Zehn-Tonnen-LKWs ausgelastet, wenn man unterstellt, dass jeder dieser Lastwagen 10 Fuhren pro Tag durchgeführt hätte (sie mussten ja auch be- und entladen werden) - von der Beschaffung, Lagerung und Bezahlung (!) des Holzes gar nicht zu reden. Über diese gewaltigen Probleme ist nie etwas berichtet worden und auch van Pelt schweigt sich hier völlig aus.
Man darf auch nicht vergessen, dass die anfängliche Rauchentwicklung bei solchen Verbrennungen, besonders bei wechselndem Wind sehr problematisch hinsichtlich der Bewachung geworden wäre, vor allem für in der Nähe befindliche Wachtürme, etwa bei Krematorium V. Überhaupt muss die Frage von Rauch und Hitze bei der Auswahl der Brennstellen berücksichtigt werden; es ist einfach von einem technischen Standpunkt aus inakzeptabel in diesem Zusammenhang von Orten "in dem Birkenwald" oder "hinter dem kleinen Bauernhaus" (das dazu noch ein Strohdach hatte, wie manche Zeugen sagen) zu sprechen.
In der Vielzahl von Aussagen über Auschwitz, die van Pelt in seinem Buch anführt gibt es auch Angaben des Lagerkommandanten Höß in bezug auf Verbrennungen. Höß hat ausgesagt, die Kapazität der Verbrennungen im Freien sei in Auschwitz praktisch unbegrenzt gewesen; erst ab 1944 wäre die Durchführung durch die Gefahr von Luftangriffen erschwert worden und man habe nachts keine Verbrennungen mehr vornehmen können. Dieser Zeitabschnitt war aber auch, wie berichtet wird, die Periode der größten Aktivität der Gaskammern.
Die Aussage von Höß klingt zunächst halbwegs überzeugend, denn lodernde Feuer wären natürlich bei Nacht ein guter Wegweiser für alliierte Bomber gewesen und hätten zudem noch den deutschen Vorschriften i.S. Verdunklung widersprochen. Wenn man jedoch etwas mehr über dieses Problem nachdenkt, stellen sich die Dinge, insbesondere auf Grund der Erfahrung mit der Maul- und Klauenseuche, entschieden anders dar, denn wir wissen, dass solche Feuer tagelang brannten bzw. glühten. Man hätte sie also abends jeweils löschen müssen; das ist zwar nicht unmöglich, hätte aber eine ungeheure Unordnung verursacht: die Verbrennungen fanden ja, wie berichtet wird, in Gräben statt, die man also unter Wasser hätte setzen müssen, wobei dann darin ein Gemenge von Wasser, verkohltem Holz und Leichenteilen entstanden wäre, das man unmöglich am nächsten Tag (oder überhaupt) wieder in Brand setzen konnte. Hätte man, wie manchmal gesagt wird, Heizöl für die Verbrennung eingesetzt, wäre die Löschung der Feuer noch schwieriger geworden, weil dafür Wasser nur schlecht verwendet werden kann, da das brennende Öl auf dem Wasser schwimmt.
Man darf nicht vergessen, dass bei optimaler Auslegung der Brennstellen vielleicht 5 bis 10 menschliche Leichen pro laufenden Meter geladen werden konnten, sodass wir schon bei 10 000 Leichen an einem einzigen Tag mit Brennstellen von 1 bis 2 km Länge rechnen müssen. Diese Länge ist auf Tage hinaus blockiert, für weitere Opfer in dieser Größenordnung müssten neue Brennstellen von ähnlichem Umfang angelegt werden - man gerät also in Bereiche, wo die erforderliche Fläche in Quadratkilometern gemessen werden muss. Die abendliche Löschung solcher Feuer hätte in Birkenau einen technischen Aufwand erfordert, der unmöglich zu realisieren gewesen wäre, obwohl oder auch weil das Gelände bekanntermaßen sumpfig war: Wasser wäre vielleicht vorhanden gewesen, irgendwelches schwere Gerät hätte aber nur mit Schwierigkeiten eingesetzt werden können.
Nach den Luftangriffen auf Dresden hat man dort auf dem Altmarkt 3 Wochen lang Leichen verbrannt, wobei man insgesamt 7 bis 8000 Tote bis zu einem gewissen Grad einäschern konnte; dies zeigt die Schwierigkeit solcher Aktionen.
Schließlich fragt man sich, ob es wirklich sicherer gewesen wäre, bei Tage und nicht bei Nacht zu verbrennen, denn der bei solchen Feuern unvermeidbare dunkle Rauch hätte für Bomberverbände ebenfalls ein sehr willkommenes Signal dargestellt. Auch weiß man, dass 1944 die Angriffstechnik durch die Verwendung von "Pfadfindern" schon so verfeinert worden war, dass Bodensignale für die Angreifer zwar hilfreich, aber keineswegs unbedingt nötig waren. All dies unterstreicht wiederum van Pelts unkritischen Gebrauch aller ihm vor Augen kommenden Argumente.
Das Vorangehende soll natürlich nicht besagen, dass in Auschwitz-Birkenau überhaupt keine Leichen im Freien verbrannt worden sind, denn es ist ohne Zweifel wahr, dass viele Opfer der immer wieder auftretenden Epidemien (Typhus, Fleckfieber, Ruhr usw.) auf diese Weise beseitigt werden mussten, um eine Verseuchung des Grundwassers zu vermeiden, ganz abgesehen von Häftlingen die erschossen oder auf andere Weise einzeln oder in Gruppen getötet wurden, oder an Misshandlungen starben. Diese Verbrennungen fanden hauptsächlich im Herbst 1942 außerhalb der Westgrenze des Lagers Birkenau statt.
Der Mann selbst
Ein Gesichtspunkt, der von jedem an der Lagergeschichte von Auschwitz Interessierten in Betracht gezogen werden muss, ist die Verlässlichkeit der Aussagen des Lagerkommandanten Rudolf Höß. Es ist inzwischen eine Binsenweisheit, dass er von seinen britischen Bewachern gefoltert wurde und die Verhörspezialisten ihm ein Geständnis mit astronomischen Zahlen abpressten, das offensichtlich ursprünglich auf Englisch formuliert worden war, also keine eigene Aussage von Höß darstellt. Das dies so war, ist leicht daran zu erkennen, dass in dem von Höß unterzeichneten Text das Wort Ausrottungserleichterungen erscheint, das eine falsche Übersetzung des englischen Wortes extermination facilities ist, welches eigentlich Ausrottungseinrichtungen bedeutet. Kein Deutscher hätte von sich aus eine Formulierung wie "Ausrottungserleichterungen" verwendet.
Man weiß seit langem, dass die von Höß eingeräumte Zahl von 3 Millionen Gastoten, milde ausgedrückt, eine Übertreibung ist und allein dies sollte ihn schon als verläßlichen Zeugen disqualifizieren. Das Mindeste, das man von einem Autor wie van Pelt hätte erwarten können, wäre eine Erklärung, wie es zu dieser überhöhten Zahl gekommen ist und warum dennoch einzelne Angaben von Höß den Alliierten oder den Polen gegenüber ernst genommen werden können. Van Pelt tut nichts dergleichen und geht sogar so weit, am Anfang seines Buches zu sagen, Höß habe im Kreuzverhör durch den amerikanischen Ankläger Amen angegeben, sein Geständnis freiwillig unterzeichnet zu haben. Von einem zynischen Standpunkt aus kann man verstehen, was Höß damit sagen wollte.
Van Pelt selbst sagt, dass außer Höß niemand im Lager über ausreichende Informationen verfügte, eine fundierte Aussage über die Zahl der Opfer zu machen. Allein schon aus diesem Grund kann man seine unkritische Haltung in diesem Punkt nicht leicht akzeptieren. Ein Hauptzeuge wie Höß hätte es verdient, mit soviel Aufmerksamkeit behandelt zu werden, wie van Pelt sie dem polnischen Untersuchungsrichter Jan Sehn zukommen läßt, der in den Jahren nach dem Krieg allzu schnell falsche Schlüsse aus verschiedenen deutschen Bezeichnungen zog, in denen das Wort "Sonder" vorkam, und eine ganze Reihe von vorschnellen und unsinnigen Aussagen in dieser Beziehung machte. Der Autor hält einige davon für inakzeptabel (etwa Angaben zur Kapazität der Krematorien) und sagt dies auch, läßt aber andere stehen, etwa die Vorheizung der Gaskammern mit tragbaren Kokskörben oder die Luft, die man aus den Gaskammern "herausgepumpte", bevor das Zyklon B eingebracht wurde.
Das sind alles Halbwahrheiten: Kokskörbe wurden sicherlich benutzt, denn die Krematorien wurden im Winter gebaut und es musste schnell gehen, aber es ging nicht um eine Vorwärmung für Zyklon B, und Luft wurde ebenfalls aus den Leichenkammern herausgesaugt, dafür hatte man die Be- bzw. Entlüftung ja schließlich eingebaut - jedoch wenn man solche Aspekte als Teile einer Beweisführung einbringt, wird der Fall Auschwitz eher geschwächt als gestärkt.
Schlussfolgerung
Die soeben betrachtete Methode ist typisch für die Schwächen dieses Buches: wir stehen vor Fehlern oder Unmöglichkeiten, aber der Autor sagt dazu nichts weiter, obwohl er sie erkennt; manchmal sagt er, dass da irgendwo etwas Fragwürdiges auftritt, aber er stellt dann nicht die sich aufdrängenden Fragen. Weit davon entfernt, dem Leser Auschwitz zu erklären, ist dies Buch eine sich wiederholende Mischung von Fakten und Erfundenem. Es zeigt, auf was für schwachem Boden sich unsere heutige Ansicht von Auschwitz und Birkenau gründet.
Wie eingangs gesagt wurde, hat Yehuda Bauer, Direktor von Yad Vashem, von der Schwierigkeit gesprochen, die wirklich wesentlichen Ereignisse des Holocausts zu dokumentieren. Damit muss er meinen, dass noch niemand solide Beweise für die Vergasungen in Auschwitz oder anderswo geliefert hat - denn wenn er das nicht damit meint, was meint er dann? Robert J. van Pelt hat sein Buch vielleicht mit der Absicht geschrieben, diese Schwierigkeit nun auszuräumen. Dabei hat er jedoch nur noch mehr Risse in der Beweistruktur aufgedeckt und mehr Widersprüche in der Interpretation kenntlich gemacht. "The Case for Auschwitz" bringt den Gläubigen nichts Neues und die Ungläubigen finden sich in ihren Zweifeln bestätigt. Das Buch wäre besser nicht geschrieben worden.
Robert Jan van PELT The Case for Auschwitz. Evidence from the Irving Trial, Bloomington, Indiana University Press, 2002, xv - 570 p.
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Wir unterstellen uns dem Schutz von Artikel 19 der Erklärung der Menschenrechte, der bestimmt:
ARTIKEL 19 der Menschenrechte: <Jederman hat das Recht auf Freiheit
der Meinung und der Meinungsäußerung; dieses Recht
umfaßt die unbehinderte Meinungsfreiheit und die Freiheit,
ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut
durch Mittel jeder Art sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.>Vereinigten
Nationen, 10 Dezember 1948.