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Sündenböcke

Großangriffe des Zionismus auf Papst Pius XII. und auf die
deutschen Regierungen

 

J. G. Burg

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IV.

DER ZIONISMUS ALS SCHULD-DIKTATOR

 

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Vier Köpfe und ihre Ideologien

Ich muß darauf verzichten, in diesem Kapitel genauere Lebensabrisse oder gar gründliche Charakterbilder der hier vorkommenden zionistischen Führer zu geben oder zu zeichnen; das würde den Rahmen des Buches sprengen. Gewiß wäre es auch lohnend, das Lebenswerk und das positiv gerundete Endergebnis der Wirksamkeit jedes einzelnen dieser jüdischen Aktivisten von allen Seiten zu beleuchten und damit zu erhellen; doch ich muß mich an mein Thema halten, das den Zionismus als einen der kräftigsten, wenn nicht gar als den heftigsten Schuld-Diktator in unserer gar so anklagefreudigen Zeit darzustellen hat - im Dienste der Wahrheitsfindung und der menschlichen Gerechtigkeit, der ich mich bemühe zu dienen.

Hier steht nun, schon rein altersmäßig, an vorderster Stelle der mit 78 Jahren verstorbene

Chaim Weizmann

(1874-1952), der als Forscher und Chemiker begann, im Jahr 1900 als Privatdozent in Genf, 1903 als Lektor für Biochemie in Manchester tätig war, den Professortitel erwarb und als einer der frühesten Schüler von Theodor Herzl für den Zionismus eintrat; im Jahr 1917 war er als einer der aktivsten Vorkämpfer für die Abfassung der Balfour-Declaration tätig, die 1920 von der Pforte in ihrem Friedensvertrag anerkannt wurde, worauf Weizmann zum Führer des Weltzionismus gewählt wurde und 1929, wie schon berichtet, als Präsident der Jewish Agency die politische Leitung des gesamten Weltjudentums übernahm, ein Jahr später aber, angesichts der gefährlichen Araber-Unruhen in Palästina, der englischen Regierung die offene Verletzung ihrer Mandatspflichten vorwarf und von seinem Posten zurücktrat. Damals wandelte er sich vom legalen Organisator zum illegalen Widerstandskämpfer für die jüdische Einwanderung in Palästina, deren Durchführung nunmehr seine eigentliche Lebensaufgabe wurde, und die er mit allen, auch den fragwürdigsten Mitteln zu fördern suchte - leider zum schwersten Schaden des europäischen Judentums, wie er schon bald unter Beweis stellte.

Die Balfour-Declaration vom November 1917 hatte ursprünglich in einem dienstlichen Schreiben des britischen Außenministers an den jüdischen Privatmann Lord Walter Rothschild bestanden, und schon damals, lange bevor diese Deklaration in den Friedensvertrag mit der Türkei eingebaut wurde, hatte Chaim Weizmann erklärt: "Durch

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die jüdische Einwanderung wird Palästina genau so jüdisch werden, wie England englisch ist!" Das war ein kühner Ausspruch, und schon die ersten Anläufe zu seiner Verwirklichung sollten zu einem Blutvergießen führen, das hinter den alttestamentarischen Bruderkämpfen zwischen Israel und Juda unter König Ahas nicht zurückstand.

Nachdem die Türkei im Frieden von Sèvres (August 1920) so gut wie alle ihre Landgebiete außer Anatolien verloren und Palästina an England als Mandatarmacht abgetreten hatte, schickte man aus London dorthin Sir Herbert Samuel als ersten Hochkommissar. Dieser gebürtige Jude wurde am Jordan von den Zionisten begeistert empfangen; doch vermochte er in einem Lande, das von seiner Regierung an mehrere Liebhaber gleichzeitig verschenkt worden war, keine bleibende Ordnung zu schaffen; seine zionistischen Freunde warfen ihm Araberhörigkeit vor, und die Araber beschuldigten ihn der Juden-Parteilichkeit. Fünf Jahre lang versuchte er, das undankbare Amt zu meistern; dann trat er ratlos-resigniert von seinem Posten zurück -- mit der Erklärung, er sei bestrebt gewesen, im Mandatsgebiet die Gerechtigkeit walten zu lassen; daran sei er gescheitert.

Gleichzeitig mit Sir Herbert waren im Jahr 1920 zwei führende Zionisten in maßgebende Stellungen gelangt: Professor Chaim Weizmann war zum Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation gewählt worden, und der in Rußland geschulte Wladimir Jabotinski (1880-1940) als Führer einer starken, auf Revision bedachten Bewegung. Während Weizmann seine große Organisation von London oder New York aus leitete, ging Jabotinski nach Palästina, wo er alsbald einen bewaffneten jüdischen Selbstschutz in Form einer Legion aufstellte, um den Kampf mit den Arabern aufzunehmen. Das widersprach indes nicht nur den britischen Interessen, sondern auch den Bestrebungen der ferngesteuerten Weizmann-Gruppe: Jabotinski mußte sich vor den britischen Gerichten verantworten und wurde für Lebenszeit aus Palästina ausgewiesen; damit war Weizmann zum ideologischen Alleinbeherrscher des Heimstätten-Zionismus geworden.

Die Weltenuhr stand indes nicht still: in den Jahren 1933/34 hatten unterm drohend spürbar werdenden Druck des Dritten Reiches die Juden mit der Auswanderung aus Deutschland begonnen, und auch in England befaßte man sich jetzt notgedrungen mit dem jüdischen Problem: im Oktober 1934 war der englische Colonel Meinertzhagen, wie berichtet, zu Besprechungen nach Berlin gefahren, und seine Verhandlungen hatten sich günstig für die jüdische Auswanderung angelassen; doch Chaim Weizmann, bei dem die letzte Entscheidung lag, hatte den groß angelegten Plan in wohlberechneter Weise

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durch überspitzte Forderungen an die Deutsche Regierung zu Fall gebracht. - Schon damals, erst recht aber während der nächsten Jahre hat der Professor sein hohes Ansehen bei der englischen Judenschaft dafür eingesetzt, diese starke Gruppe weitestgehend für seine zionistische Ideologie zu gewinnen und dahin gefügig zu machen, daß sie ihre finanzielle und moralische Unterstützung nur palästinafreudigen Juden angedeihen ließ und durch diese Ausschließlichkeit sich an der späteren Katastrophe ihrer europäischen Rassebrüder mitschuldig machte. Das war erst recht der Fall, als im Dezember 1938 der deutsche Reichsbankpräsident Schacht in London über die Lösung des Judenproblems verhandelte: auch damals war es Chaim Weizmann, der den wirklich genialen Schacht-Plan bewußt sabotierte, wie ich in einem früheren Kapitel genau ausgeführt habe.

Wie erklärt sich diese, dem gesunden Menschenverstand unvorstellbare Denk- und Handlungsweise? Offenbar ist der Professor Weizmann auf die für viele Professoren typische "Rutschbahn des Geistes" geraten, die von der Höhe einer reinen Idee in die Tiefe einer unreinen Ideologie geführt hat, führt und weiter führen wird: mit Blindheit geschlagen für das Walten gesunder Vernunft, verbohrt in eine illusionäre Dogmatik, opferte er seinem Palästina-Wunschtraum das Leben und die Zukunft ungezählter, unzählbarer Glaubensbrüder zu einem Zeitpunkt, wo es noch möglich gewesen wäre, diese zu retten! Weizmann war damals immerhin ein Mann von 60 bis 65 Jahren, doch offenbar ohne jede Altersweisheit! Ist schon seine wütende Reaktion auf Meinertzhagens Vorschläge geradezu ungeheuerlich, so erst recht seine Einstellung zu Schachts Vorschlägen vier Jahre später - angesichts der düsteren Zukunft der deutschen Juden, denen die Auswanderung in jedes Land der weiten Welt willkommen sein mußte, solange England ihnen die Einwanderung nach Palästina versperrte! Ober diese Zusammenhänge schweigen sich die zionistischen Historiker seit vielen Jahren völlig aus; mit Scheuklappen rechts und links neben ihren angeblich objektiv forschenden Augen starren sie stur auf den Schuldkomplex des Dritten Reiches und auf die "Schuld" des toten Pius ! - Noch vor zwei Jahren hat der Zionist Nathanson "Jeden angeklagt, dem das Mal seines Umgangs mit den Nazis auf die Stirne gebrannt ist, und er empört sich darüber, daß der "Nazischurke" Schacht z. Zt. in Nürnberg, zum Unterschied von den anderen, mit dem Leben davonkam!" ("Dinge der Zeit", Juni 1963, Heft 30, S. 98.) - So haßvoll und rachetoll verrannt vermag noch jetzt ein Zionist anzugeifern gegen den Christen Schacht, der sich für die Rettung ungezählter Juden selbstlos einsetzte und an dieser Rettung verhindert wurde - durch wen??

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Wenn ich den Professor Weizmann in diesem Kapitel unter den zionistischen Schuld-Diktatoren anführe, so soll das nicht besagen, daß er selber sich ausdrücklich an den Schuld-Diktaten seiner Mitkämpfer beteiligt hat. Er brauchte das auch nicht zu tun; denn seine strafwürdigen Unterlassungssünden haben recht eigentlich die große Katastrophe des Judentums mit heraufbeschworen und dadurch den Grund gelegt für den endlosen Strom von Anklagen, die sich seit 1945 gegen Deutschland wie gegen den Papst Pius erhoben haben und sich zu einem sehr wesentlichen Teil gegen ihn selber richten müßten, wenn die großen Tabus nicht wären!

Weizmann schlug im Jahr 1940 Winston Churchill die Aufstellung einer jüdischen Legion vor, die aber vorerst nicht zustande kam, obgleich sich 50 000 Zionisten in Palästina zum Kampf gegen Deutschland gemeldet haben sollten. Immerhin kämpften ein Jahr später die ersten jüdischen Freiwilligen im Rahmen der britischen Armee in Griechenland gegen deutsche Einheiten. Erst 1944 wurde eine rein jüdische Brigade aufgestellt, die unter der Zionsfahne in der britischen Armee ihren Dienst tat. Auch inarmierte damals die Mapai (Sozialistische Partei) eiligst die Hagana (jüdische Miliz) in Palästina, die von den Engländern zwar nicht offiziell anerkannt, doch stillschweigend geduldet wurde.

Während der letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs mochte Chaim Weizmann fühlen, daß seine frühere Weltmachtstellung im Schwinden begriffen war, und er scheint damals sein Gewissen befragt zu haben, ob seine bisherige Politik für und in Palästina überhaupt durchführbar war? Jedenfalls trat er eines Tages für die Bildung eines übernationalen Staates Israel ein, in welchem die eingesessenen Araber gleichberechtigt sein sollten. Das war im Jahr 1947. 1948 als die junge, kampfbegeisterte Hagana im südlichen Teil des Landes, im Negev, gegen die Ägypter siegreich vorging und diesen die wichtige Stadt Beerseba (arabisch: Bir es Saba) entriß: jetzt war man weniger denn je vorher gesonnen, das Land Palästina, die so schwer erkämpfte Heimstätte, mit den Arabern gemeinsam zu regieren! Weizmann fühlte sich von der Entwicklung überspielt, und auf dem letzten Zionistischen Weltkongreß, der im Frühjahr 1948 stattfand, kandidierte er nicht mehr für den Präsidentenposten; dieser wurde nunmehr durch ein Triumvirat ersetzt, und einer der drei gewählten Männer war David Ben Gurion aus Palästina.

Dieser proklamierte am 14. Mai 1948 in Tel Aviv die Gründung des Staates Israel, und nicht nur die nächsten Nachbarn, sondern auch die Groß- und anderen Mächte in der weiten Welt fanden sich mit dieser sie überrumpelnden Tatsache ab, so verworren sie sich zu-

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nächst auch darstellte. Im Lauf der nächsten Wochen wurde Israel von sechzehn Staaten anerkannt, obgleich der junge Staatstorso noch gar keinen Staatspräsidenten vorzeigen konnte; schließlich besann man sich auf Chaim Weizmann und trug ihm die Präsidentenwürde an. Der Professor nahm sie an und übersiedelte auf seine alten Tage nach Israel; doch konnte er sich nicht entschließen, den Namen, den er bei seiner Geburt in Pinsk - also im Galuth - erhalten hatte, gegen einen hebräischen Neunamen einzutauschen: er blieb Chaim Weizmann bin zu seinem Tode im Jahr 1952.

David Ben Gurion,

zwölf Jahre jünger als Weizmann, war kein Gelehrter wie dieser; er kam aus der Gewerkschaftsbewegung und war im Sozialismus erzogen worden. Schon seit 1906 lebte er in Palästina, wo er seinen angestammten Namen David Grün - er war 1886 in Russisch-Polen geboren worden - ins Hebräische veredelt hatte. Sein Leben wurde von Jugend auf - und wird heute noch - bestimmt von zwei starken Antriebskräften: von der Idee der Heimstätten-Gemeinschaft im Gelobten Lande der Väter, und vom Glauben an den Sozialismus in Form der Vergesellschaftung im werktätigen Einsatz Aller. Sein Sozialismus ist freilich durchsetzt von jenem hoch entwickelten Sinn für geschäftstüchtige Machenschaften, die man für gewöhnlich eher beim Privatkapitalismus als beim Sozialismus antrifft. Diese beiden Antriebskräfte verbinden sich in Ben Gurion mit überaus eigenwilligem Starrsinn zum Potential einer außerordentlichen Persönlichkeit, die sich in seinen späteren Lebensjahren auch auf dem Felde der großen Politik erfolgreich auszuwirken vermochte.

Was er unter wahrem Zionismus verstand, machte er schon in jungen Jahren deutlich: er lehnte schroff alles ab, was im Gewande des sog. "Weltzionismus" die Geschicke des Judentums von außen her, also durch Organisationen in Europa und Amerika zu lenken trachtete; er forderte vielmehr, daß jeder überzeugte Zionist an Ort und Stelle, nämlich in Palästina sich für die große Idee des leidgeprüften Judentums einzusetzen habe, und zwar mit rastloser Hingabe seiner Persönlichkeit. Diese seine Kampfansage an die "übrige" jüdische Welt brachte ihn lebenslänglich - bis heute! - in scharfe Gegensätze zu den großen Gruppen seiner - mehr Rasse- als Glaubensgenossen in aller Welt, vor allem auch zur amerikanischen Hochfinanz, die nicht einzusehen vermochte, warum nur der ein guter Jude sei, der in dem armen, überfüllten Palästina das einzige Heil sah. Gerade auch dieser Gegensatz wurde noch verschärft durch Ben Gurions

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sozial bestimmtes Weltbild, das in der Kibbuz-Bildung, d. h. in der kommunistisch diktierten Lebensführung der ländlichen Kolchosenwirtschaft, sein Ideal erblickte. War doch die Lebensgemeinschaft in den Kibbuzim viel strenger, härter und rigoroser angelegt als im sowjetrussischen Kolchosenwesen: sie verlangte vom einzelnen Kibbuznik den völligen Verzicht auf jeglichen Besitz, auf Eigentum und Eigenleben; sie verlangte - und verlangt heute noch - die restlose Selbstentäußerung des jüdischen Ordensbruders - wenn ich ihn so nennen darf - im Dienst an der Gemeinschaft, die lediglich für seine Ernährung, Bekleidung und Unterbringung sorgt, ohne sonstige Entgelte. Diese Lebensform, dem christlichen Mönchswesen verwandt, hat ein noch genaueres Vorbild in der gesellschaftlichen Ordnung des peruanischen Inka-Reiches, wie sie vor dem Einbruch der Spanier bestand: die gottgleichen Inkas versorgten ihre Untertanen, die Quechua, mit allem, was diese zum Leben brauchten; dafür aber gewährten sie ihnen keinerlei Freiheit außer der Feierabendruhe und dem zugemessenen Schlaf. - Daß diese Kibbuz-Ordnung dem liberal verwöhnten Weltjudentum, namentlich dem in den USA reich gewordenen, durchaus mißfiel, weil sie keinerlei Anreiz bot außer dem Nimbus einer mehr als asketischen Idee, - das versteht sich, und es erklärt ohne weiteres die fast tragisch zu nennenden Schwierigkeiten, mit denen der Begründer - soweit Begründer - dieser überaus eigenwillig-selbstgerechten, aber leider nicht autarken Heimstätten-Bewegung bis heute zu ringen hat, und seine Nachfolger weiterhin zu ringen haben werden.

Als Ben Gurion nach Palästina kam, war er zwanzig Jahre alt. Erfüllt von gewerkschaftlich-sozialistischen Gedankengängen, studierte er die wirtschaftlichen Verhältnisse im biblisch so fruchtbar gewesenen, nunmehr aber so armen Lande seiner Väter, das jetzt unter türkischer Mißwirtschaft von dürftigen Arabern, vielfach Beduinen, besiedelt und einige Jahre früher von Theodor Herzl besucht worden war, der sich beim Anblick des kärglichen Ländchens hoffnungslos enttäuscht von seinen Besiedlungsplänen abgewandt hatte. Der junge Ben Gurion dagegen ließ sich nicht entmutigen: er gründete am Jordan die erste zionistische Siedlung und war an der Gründung der Stadt Tel Aviv beteiligt, die heute als amerikanische Großstadt glänzt und gleißt, im Gründungsjahr 1909 dagegen nur aus einigen Baracken bestand, aber vor den Traumblicken des begeisterten Zionisten sich schon als künftige Weltstadt erhob. Ben Gurion selber dachte freilich weniger an diese - wenn auch für das Land nötige - künftige Metropole als an die Gründung von Kibbuzim, die er während der nächsten Jahre eifrigst betrieb, und die er schon bald mit jungen

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jüdischen Einwanderern planmäßig besiedeln konnte: hier war er in seinem eigentlichen Element, und hier erntete er die ersten großen Genugtuungen seines lebenslänglichen Wirkens.

Den großen Umbruch, der sich 1933 in Deutschland vollzog, verfolgte er aufmerksam, und er scheint sich damals, ebenso wie Dr. Leo Baeck, der Vorsitzende des "Verbandes deutscher Rabbiner", vom Dritten Reich allerlei für den Zionismus versprochen zu haben; denn als Dr. Goebbels im August 1934 einen Reporter seines Blattes "Der Angriff" zur Berichterstattung nach Palästina entsandte, wurde dieser von Ben Gurion im Kibbuz von Dagania sehr freundlich zu einem Interview empfangen. Der Reporter berichtete über diesen Besuch und über seine sonstigen Eindrücke vom Gelobten Land in einer Serie von zwölf Artikeln, die im "Angriff" (September/Oktober 1934) unter der Überschrift "Ein Nazi fährt nach Palästina" erschienen und mit LIM unterzeichnet waren. - Ich habe seinerzeit brieflich bei Ben Gurion nachgefragt, ob das mit dem "sehr freundlichen Empfang des Reporters im Kibbuz" der Wahrheit entspreche; doch er antwortete mir nicht darauf, und das ist bekanntlich auch eine Antwort. - Übrigens wurde im Jahr 1936 neben anderen nationalsozialistischen Persönlichkeiten auch ein gewisser Herr Adolf Eichmann nach Palästina eingeladen und dort viel herzlicher begrüßt als etwa dreißig Jahre später verschiedene bundesdeutsche Reporter, die keine "Nazis" waren. Die geschichtliche Ironie weiß eben mancherlei Register auf ihrer großen Weltorgel zu ziehen!

Während des Zweiten Weltkrieges entstand das groteske Schaustück, daß Chaim Weizmann die ihm angebotenen europäischen Juden nirgendwo anders hin als nach Palästina geleitet wissen wollte, während Ben Gurion und seine Freunde sie überall anderswohin, nur nicht nach Palästina, geschickt wissen wollten. Die Jordan-Zionisten vermochten damals auch sehr einleuchtende Gründe für ihre Ablehnung vorzubringen; sie ließen durchblicken, daß dem Lande mit einer Massen-Einwanderung von Galuth-Juden - selbst wenn die britische Regierung diese gestattet haben würde, woran sie aber gar nicht dachte - keineswegs gedient wäre; denn diesen Neuankömmlingen fehle jegliche Hachschara-Schulung, die eine Voraussetzung für die Bewältigung des harten Siedlerlebens im Lande sei! Die übergroße Zahl der Anwärter komme schon altersmäßig für den tatkräftigen Aufbau der Heimstätte nicht mehr in Frage; auch sei sie nicht sozialistisch gesinnt und in ihrer Masse seien viel zu wenig Jugendliche, die das Land am nötigsten brauche! Schließlich sei zu bedenken, daß in Palästina das Hebräische zur Staats- und Dienstsprache erhoben worden sei, während jene Galuth-Juden durchweg nur die

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jiddische Sprache beherrschten und somit einen störenden Fremdkörper im Lande darstellen würden!

Alle diese Einwände und Bedenken waren wohlberechtigt; doch hinter ihnen verbarg sich unausgesprochen die Angst der Zionisten, die große Flüchtlingsinvasion aus Europa, die zahlenmäßig ein Vielfaches der schon im Lande Ansässigen ausmachen mußte, werde diese hinwegschwemmen um die in Jahrzehnten mühsam geschaffene Position des "echten" Zionismus nicht nur zu gefährden, sondern einfach zu zerstören, d. h. die jetzige Führung im Lande zu entmachten und damit das große Heimstätten-Ideal zu vernichten! Diese Vorstellung aber war für Ben Gurion und seine Helfer schlechthin unerträglich, und so opferten sie das Gebot reiner Menschlichkeit der problematischen Staatsraison auf.

Die große Unheilswoge aber rollte höher und tödlicher über Europa dahin: gegens Ende des Krieges war die Katastrophe des Judentums schon eingetreten oder doch an der Schwelle des Untergangs angelangt, und jetzt machte Heinrich Himmler einen letzten großen Versuch, die "Endlösung" in ihrem ursprünglichen Sinn zu verwirklichen: durch Eichmann und dessen jüdischen Helfer Joel Brand gedachte er eine Million jüdischer Häftlinge aus den deutschen KZs und aus den Lagern des besetzten Gebiets zu sammeln und nach Palästina abzuschieben! Ich habe in meinem Buch "Schuld und Schicksal" diesen wirklich groß angelegten Rettungsversuch eingehend geschildert; er ist auch in anderen Darstellungen bereits "klassisch" geworden, allen Vernebelungsversuchen zum Trotz! Er scheiterte schließlich an verschiedenen, heute tragisch anmutenden Umständen; doch einen nicht geringen Teil der Mitschuld an diesem Verhängnis trägt Ben Gurion und sein zionistischer Führungsstab: Joel Brand war bereits, in Eichmanns Auftrag, in die Türkei gereist, wo er mit einem zionistischen Komitee verhandelte; auf der Weiterreise nach Palästina wurde er (von wem?) in eine Falle gelockt, verhaftet und sechs volle Monate festgehalten. Als er schließlich befreit und nach Jerusalem entlassen worden war, wollte der dortige Schweizer Konsul ihm behilflich sein, nach Ungarn zurückzukehren - freilich unter der Bedingung, daß der Sochnuth-Vorsitzende sich mit seiner Heimreise, d. h. mit der Fortführung des großen Rettungsplanes einverstanden erkläre. Dieser Vorsitzende - er hieß David Ben Gurion - gab indes seine Einwilligung dazu nicht, und die einmalig bedeutsame Planung versickerte im turbulenten Endstadium des Krieges. Joel Brand kam mit dem Leben davon und hat in seinen später veröffentlichten Erinnerungen voll tiefster Verbitterung von diesem Fiasko berichtet.

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Wie mir von gutunterrichteter Seite mitgeteilt wurde, beabsichtigt das britische Außenministerium, die Unterlagen zu dem Vorfall Eichmann - Joel Brand erst 1975 zu veröffentlichen. Man glaubt, daß bis zu diesem Zeitpunkt jene englischen und israelischen Politiker, die in diese Angelegenheit unrühmlichst verwickelt waren, gestorben sein könnten.

(Die Sochnuth war im Jahr 1929 als eine Art Nachfolge-Organisation der Jewish Agency gegründet worden; ihre Vertreter setzten sich zu gleichen Teilen aus Zionisten und Nichtzionisten zusammen. Der Große Rat der Sochnuth besteht aus 224 Mitgliedern, der Verwaltungsrat aus 50, die Exekutive aus 8 Mitgliedern. Die Sochnuth hat zwei gleichberechtigte Vorsitzende: der politische Vorstand amtiert in London, der organisatorische in Jerusalem. Damals war dieser, wie gesagt, Ben Gurion.)

Seit 1945 kam es in Palästina zu zeitweilig erbitterten Kämpfen zwischen den Engländern, den Zionisten und den Arabern. Ich habe diesen "Krieg aller gegen alle" bereits in meinem ersten Buch skizziert und werde Einzelheiten dazu in diesem Buch hier nachtragen; zunächst gilt es mir, Ben Gurions Rolle dabei zu umreißen. Nicht nur, daß er die jüdische Jugend zu begeisterten Kibbuzniks ausbildete; als Führer der Sozialistischen Partei (Mapai) drillte er auch die Landesmiliz (die Hagana) zur schlagkräftigen Truppe, und diese lieferte der englischen Besatzungsmacht ebenso wie den arabischen Freischärlern ständig blutige Gefechte, bis die Engländer am 29. Juni 1946, einem Sabbath, schlagartig einen Überfall auf die feiernden Zionisten durchführten, zwecks Waffensuche in die Wohnungen der bekannten Führer eindrangen und diese verhafteten, um sie sogleich in das berüchtigte KZ Latrun auf Zypern einzuliefern. Einzig Ben Gurion konnte damals rechtzeitig entkommen und nach Europa fliehen. - Dieser 29. Juni 1946 ging als "Schwarzer Sabbath" in Israels Geschichte ein.

Damals erklärte der englische Premier Attlee: "Kein Jude wird mehr aus den deutschen Lagern nach Palästina kommen, solange die jüdischen Waffen nicht ausgeliefert worden sind!" Aber kein Zionist dachte daran, das zu tun; im Gegenteil: man verfügte im Lande über sehr schlagkräftige Partisanenverbände! Neben der sog. "Sterngruppe", waren es vor allem die "Irgun Zwai Leumi", die sich selber "die Makkabäer" nannten und die wohl draufgängerischste illegale Formation darstellten. Am 22. Juli 1946, knappe vier Wochen nach dem "Schwarzen Sabbath", sprengten die Makkabäer in Jerusalem das King-David-Hotel in die Luft, in welchem sich das Hauptquartier des britischen Generalstabs für Palästina befand. Die Engländer hatten dabei mehr als 100 Tote und zahlreiche Verletzte. Das schrie nach

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blutiger Vergeltung: die Tommies henkten jetzt jeden Makkabäer, den sie erwischten, und diese revanchierten sich damit, daß sie zwei britische Sergeanten aufknüpften.

Jetzt war der Bürgerkrieg im ganzen Land entfesselt: Briten, Zionisten und Araber bekämpften sich aufs wildeste! Es galt keine Regierung, kein Mandat, kein Gesetz mehr - oder vielmehr: sie galten alle gleichzeitig gegeneinander, löschten sich gegenseitig aus und verzischten in einem Meer von Grausamkeiten, die alle drei kämpfenden Gruppen begingen. (Typischerweise erfuhr Europa damals nur von den arabischen Grausamkeiten, während die der Briten wie der Zionisten in edlem Einvernehmen von der Presse totgeschwiegen wurden!) Das ging ein ganzes Jahr lang so weiter, bis die Londoner Regierung, da sie keinen Ausweg mehr aus dem Chaos sah, sich entschloß, ihr Mandat über Palästina niederzulegen, und am 29. November 1947 beschloß die UNO in New York, daß Palästina am 14. Mai 1948 zum unabhängigen Staat Israel zu erklären sei. Lediglich Jerusalem und einige andere Städte von weltweiter religiöser Bedeutung sollten unter UNO-Kontrolle verbleiben.

Damit war das Stichwort für David Ren Gurion gefallen: er kehrte aus dem europäischen Exil nach Palästina zurück und ging unverzüglich daran, die bisher nur belagerte Festung sturmreif zu machen, d. h. die arabische Bevölkerung, die ja den Zionisten an Zahl ums Vielfache überlegen, an moderner Bewaffnung aber unterlegen war, mit allen Mitteln der Propaganda, der Einschüchterung, des Terrors, der blutigen Abschlachtung - ja, der Ausrottung ganzer Dorfschaften zum Verlassen des Landes zu zwingen, noch ehe Israels Stern am politischen Himmel aufging. Die Araber freilich setzten sich verbissen zur Wehr: am 9. März 1948 sprengten sie das Verwaltungsgebäude der Sochnuth in Jerusalem durch ein kühnes Attentat in die Luft, wobei ein Dutzend führender Zionisten umkam, und an die hundert weitere verletzt wurden. Doch diese blutige Demonstration konnte nicht mehr darüber hinwegtäuschen, daß Allahs Halbmond über Palästina im Sinken begriffen war: die britische Besatzung schaute jetzt, Gewehr bei Fuß, dem Bürgerkrieg zu; Hagana und Makkabäer beherrschten das Land, und während der nächsten Wochen verließen etwa 700 000 Araber fluchtartig die vorerst verlorene Heimat; die meisten entwichen ostwärts nach Transjordanien hinüber.

Der 14. Mai 1948 ist zweifellos der stolzeste Tag in Ben Gurions Leben gewesen: eine unermeßliche Genugtuung muß ihn erfüllt haben angesichts dieses großen Sieges, der sein bisheriges Lebenswerk krönte und ihm, der nunmehr zum ersten Ministerpräsidenten des jungen Staates gewählt wurde, noch weit größere Aufgaben für die Be-

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wältigung von Zions Zukunft anvertraute. Sein Stolz war, ist und bleibt denn auch voll berechtigt, wenngleich ein heutiger Rückblick auf die seitdem verflossenen 18 Jahre zeigt, daß manche - und vielleicht gerade die höchstgespannten Erwartungen der damaligen Staatsgründer sich nicht erfüllt haben. Es wäre sicherlich falsch, den Sieg von 1948 als einen Pyrrhussieg zu bezeichnen; denn Israel hat sich bis heute zu behaupten gewußt; aber daß jener Sieg höchst problematischer Natur ist und bleibt, ist jedem Einsichtigen klar. Ich komme auf diese Problematik in einem späteren Kapitel zurück.

In außenpolitischer Hinsicht genoß Israel zunächst einmal den Triumph, sich von den großen und kleineren westlichen Mächten anerkannt zu sehen, während die benachbarten arabischen Staaten vorerst nichts unternahmen, ihren bedrückten oder aus Israel geflüchteten und vertriebenen Glaubensbrüdern wirksame Hilfe zu leisten. Die reiche Judenschaft der USA - gleichgültig, ob zionistisch oder weltjüdisch, sozial oder kapitalistisch gesinnt - schickte jetzt große und größte Geldbeträge nach Israel, die dem wirtschaftlichen Aufbau des Landes dienen sollten und auch tatsächlich für ihn verwendet wurden. Ben Gurion, der gewiegte Sozialist, zeigte sich der Wallstreet gegenüber nach Gebühr dankbar; es kam ihm auch nicht darauf an, einen gewissen Dr. Sobel, der wegen angeblicher Spionage in den USA verurteilt wurde und nach Israel geflohen war, um dort seine Unschuld zu beweisen, jetzt den Amerikanern auszuliefern, obwohl kein Auslieferungsvertrag zwischen den beiden Ländern bestand. Dieser Dr. Sobel mochte sich von seinem Glaubensbruder Ben Gurion wohl menschliches Verständnis und politisches Rückgrat versprochen haben; als er sich hierin bitter enttäuscht sah, schied er auf dem Rücktransport nach Amerika freiwillig aus dem Leben.

Dieser kleine Einzelzug ist nicht von großer Bedeutung, aber doch symptomatisch: der so gern und oft betonte Nationalstolz dem jungen Staates verflüchtigte sich in Unterwerfung, als der große Geldspender überm großen Teich drüben einmal unwillig die Brauen runzelte. - Auf dem innenpolitischen Felde freilich, das sich schon bald zu einem ideologischen Schlachtfeld auswuchs, dachte der alte Starrkopf Ben Gurion nicht an eine Unterwerfung, auch als die Lage sich gefährlich zuspitzte, und die schweren Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem Histadruth-Führer Pinchas Lavon sich nicht länger verheimlichen ließen.

Die Histadruth (zu deutsch: Organisation), bereits 1920 in Haifa gegründet, ist der Dachverband aller israelischen Gewerkschaften; er entspricht dem westdeutschen Gewerkschaftsbund (DGB), ist aber radikaler als dieser, da in ihm auch die Kibbuz-Bewegung und die

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Kommunisten vertreten sind. Entscheidend aber ist, daß die Histadruth sozial-, wirtschafts- und kulturpolitisch eine fast absolute Herrschaft, um nicht zu sagen Diktatur im Lande ausübt: sie besitzt oder kontrolliert das gesamte Schulungs- und Sanitätswesen, mehrere Banken, große Versicherungsgesellschaften, Boden- und Baufirmen, dazu so ziemlich die ganze Grundstoff- und Schwerindustrie des Landes. Sie unterhält ein Theater, gibt vier Tageszeitungen, rund zwanzig Monatsschriften sowie eine Illustrierte heraus - kurz: sie ist nicht nur ein, sondern der Staat im Staate, und als solcher so gut wie allmächtig.

Im Jahr 1948 war Pinchas Lavon der Generalsekretär dieser ebenso vielseitigen wie aktiven Organisation - ein Mann von hohen Fähigkeiten; sein Einfluß reichte maßgebend bis in den letzten Winkel des Landes. Es konnte gar nicht ausbleiben, daß er und Ben Gurion, der sich selber allein gleichfalls für einen Staat im Staate hielt, aufs heftigste aneinander gerieten, und zwar in der schwerwiegenden Frage, wie sich der junge Staat zu den Arabern, zum Weltzionismus und zum nichtzionistischen Weltjudentum zu verhalten habe. Ben Gurion, in den Augen der israelischen Jugend "der starrköpfig-unbelehrbare Alte", lehnt aufs schärfste jenen angeblichen Zionismus ab, der sich nicht persönlich in Israel einsetzt, und darüber hinaus verlangt er auch, daß das übrige Weltjudentum, wenn es schon nicht nach Israel kommt, sich doch der zionistischen Ideologie zu unterwerfen habe, und das nicht nur durch ständige Zahlungen großer und größter Geldsummen (die der Alte übrigens bedenkenlos von allen Spendern einkassierte). - Pinchas Lavon, bedeutend jünger und in der Taktik weitaus wendiger als der Alte, vertrat ihm gegenüber eine liberale Politik - nicht nur in der Behandlung der Araber, sondern auch in der Einstellung zum Weltjudentum. Die Mapai spaltete sich denn auch in eine chauvinistische und in eine gemäßigte Richtung; im Lauf der Jahre artete dieser Gegensatz in immer hitzigere Parteikämpfe aus.

Ben Gurion hatte 1948 nicht nur das Amt des Ministerpräsidenten, sondern auch das des Verteidigungsministers übernommen (seit 1945 gibt es zwar weiterhin Kriege über Kriege, aber keine Kriegsminister mehr: das ist auch ein Beweis dafür, wie stark die Heuchelei sich in der politischen Welt durchgesetzt hat!); doch als der junge Staat während der nächsten Jahre nach außen in eine gefährliche Isolierung und im Innern vor den Bankrott geriet, sah Ben Gurion sich gleichfalls isoliert, d. h. von seinen Anhängern verlassen: im Jahr 1953 trat er von seinen Ämtern zurück und verzog sich grollend in seinen

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Kibbuz Sdeh Boker im Negev. Sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde Mosche Shertok, der sich neuerdings Scharett nennt.

Scharett, als gemäßigter Zionist bekannt, nahm Pinchas Lavon als Verteidigungsminister in seine Regierung auf, und die weitere Entwicklung des jungen Staates schien sich ziemlich gut anzulassen - da begannen Ben Gurions alte Freunde, denen der sachlich und gerecht amtierende Lavon ein Dorn im Auge war, gegen ihn zu intrigieren und in seinem eigenen Ministerium hinterm Rücken des Ahnungslosen eine ganz üble, um nicht zu sagen: landesverräterische Verschwörung zu inszenieren: israelische Geheimagenten gingen, als ägyptische Nationalisten getarnt, nach Ägypten, um dort Bombenanschläge gegen amerikanische Kulturinstitute und Firmen zu verüben; damit sollten die Westmächte zum bewaffneten Einschreiten gegen Nasser bestimmt werden, und die israelischen Verschwörer hofften, damit von ihrem Erzfeind am Nil befreit zu werden.

Das makabre Unternehmen schlug freilich fehl. Nachdem mehrere Bomben hochgegangen waren, flogen auch ihre Urheber auf: am 6. Oktober 1954 verhaftete die ägyptische Geheimpolizei zehn israelische Geheimagenten und eine Frau, die nach erschöpfenden Voruntersuchungen vor ein Militärtribunal gestellt, zum Tode verurteilt und gehenkt wurden. Rechtzeitig entfliehen konnte nur der Leiter des Anschlags, ein gewisser Colonel Abraham Dar und sein Gehilfe Paul Frank, die beide nach Israel entkamen. - Ganz Arabien erhob sich damals wie ein Mann gegen diese finstere Machenschaft: in allen Staaten fanden gewaltige Demonstrationen statt, und Israel war auf der ganzen Linie schwerstens blamiert. Um sich moralisch zu retten, schlossen die beiden Entkommenen sich mit dem israelischen Generalstab zusammen: sie legten der amtlichen Untersuchungskommission gefälschte Papiere vor, laut welchen der Minister Lavon persönlich den Befehl zu dem üblen Anschlag gegeben hatte Der unschuldig Belastete wehrte sich mannhaft seiner Haut und beschwor, daß jene Dokumente gefälscht seien: doch er konnte gegen die Woge der Verleumdungen nicht anschwimmen und mußte schließlich zurücktreten.

Anfangs 1955 kehrte Ben Gurion, von seinen Ultras stürmisch als Retter des Vaterlandes begrüßt, aus seinem Kibbuz zurück. Jetzt hatte er die Mapai und die Histadruth fest in der eigenen Hand; jetzt war er der Alleinherrscher über Israel. Er übernahm sofort das vakante Verteidigungsministerium, und nachdem Mosche Scharett zum Rücktritt gezwungen worden war, wiederum auch das Amt des Ministerpräsidenten. Es war alles wieder beim alten: beim Alten. Die Weltöffentlichkeit, sonst von der großen Presse mit Skandalaffären bis zum Erbrechen überfüttert, erfuhr von diesen Vorgängen zwischen Jordan

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und Nil so gut wie nichts; vor allem in der BRD schwiegen sich die führenden Zeitungen voll musterhafter Einmütigkeit über die wahren Hintergründe des "Falles Lavon" aus.

Vielleicht wäre diesem aufrechten, untadeligen Manne bis heute keine Gerechtigkeit widerfahren, die schließlich zu seiner vollen Rehabilitierung geführt hat, wenn nicht unter jenen Verschworenen ein ungewöhnlich finsterer "Ehrenmann" gewesen wäre, den sein Dämon dazu trieb, wider Willen der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen: Paul Frank, der Gehilfe von Abraham Dar. Ihm wurde Zions Boden unter den Füßen zu heiß: eines Tages ging er nach Wien und kam nicht wieder. War er doch dem israelischen Geheimdienst verdächtig geworden, und hatte dieser nach langwierigen Forschungen feststellen müssen, daß Frank ein Doppelagent gewesen war: während seiner Sabotagetätigkeit am Nil hatte er Fühlung mit der ägyptischen Spionage-Abwehr aufgenommen und dieser seine israelischen Kameraden gegen einen Judaslohn von - umgerechnet - DM 40 000 verpfiffen, worauf sie festgenommen werden konnten. - Es dauerte bis 1957, ehe es dem israelischen Geheimdienst gelang, sich Paul Franke im Ausland zu bemächtigen und ihn nach Israel zu verbringen, wo er rund drei Jahre in Untersuchungshaft sitzen mußte. Als endlich im Sommer 1960 der Geheimprozeß gegen ihn vor einem Militärgericht in Jerusalem anlief, mußte der Verräter bald erkennen, daß sein Spiel verloren war, und nun packte er wahrheitsgemäß aus, daß er im Jahr 1955 unterm starken Druck seiner Vorgesetzten gestanden und wissentlich falsch gegen Pinchas Lavon ausgesagt habe: dieser habe mit den Sabotage-Anschlägen in Ägypten überhaupt nichts zu tun gehabt! In gleichem Sinne entlastete ihn eine Sekretärin, die früher einen Vertrauensposten in einem wichtigen Amt gehabt hatte und an der Dokumenten-Fälschung beteiligt gewesen war. Lavons Unschuld war erwiesen.

Es heißt, daß Frank in der Bundesrepublik festgehalten wird. Dies sei ein deutsches Entgegenkommen gegen israelische Behörden. Es war als eine Art Ausgleich dafür gedacht, daß israelische Stellen bundesdeutschen kompetenten Stellen einen Wink gegeben haben, ein Abgeordneter im Deutschen Bundestag sei im tschechoslowakischen Nachrichtendienst tätig.

Das begab sich im Spätherbst 1960. David Ben Gurion aber hatte seit 1955 das israelische Staatsschiff durch die bewegten Fluten der Zeit gesteuert und es nur zeitweilig aus der Hand gegeben, um sich für ein Weilchen verdrossen in seinen Kibbuz zurückzuziehen, aus dessen Versenkung er freilich stets wieder auftauchte, wenn das Land ihn brauchte. Er und seine Anhänger waren damals in der Weltach-

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tung stark abgewertet, trieben aber ihre gefährliche Politik bedenkenlos weiter - besonders leichtfertig in dem fatalen Suez-Abenteuer vom Spätherbst 1966, als England und Frankreich den, ach so einträglich gewesenen, Kanal zurückerobern zu können sich einbildeten, und Israel sich an dem verwegenen Hazardspiel mit dem Überfall auf den ägyptischen Gaza-Streifen beteiligte. Daß der junge Staat damals leidlich ungerupft aus dem Schlamassel hervorging, verdankte er nur den Bemühungen der USA und der UdSSR, die - in diesem Falle einmal vereint in der Rolle des "ehrlichen Maklers" - sich mit der Wiederherstellung des Status quo ante zufrieden gaben.

Allgemein betrachtet, ist Ben Gurions Politik durchaus verwandt derjenigen des verstorbenen USA-Außenministers Foster Dulles, der sich rühmte, seine Entscheidungen "stets am Rande des Abgrunds entlang" getroffen zu haben. Der Amerikaner konnte sich diese verwegene Haltung zur Not leisten; denn selbst wenn seine Politik noch schiefer gegangen wäre, als sie tatsächlich ging, so wären die USA doch noch nicht im Abgrund versunken, während Ben Gurions "Chuzpe" (das, was die alten Griechen "Hybris" nannten) eines Tages tatsächlich den Staat Israel in den Abgrund zu steuern vermag: denn dieser Staat ist und bleibt anfällig, ungesund im Innern und stärkstens gefährdet von außen her, wie ich in einem späteren Kapitel noch darlegen werde.

Als Pinchas Lavon im Jahr 1960 juristisch und moralisch voll rehabilitiert worden war, hatte Ben Gurion - unter Androhung seines Rücktritts, die er stets bei der Hand hat - durchgesetzt, daß Lavon seinen neu übernommenen Posten des Generalsekretärs der Histadruth wieder abzugeben habe, und dieser hatte - im besser verstandenen Staatsinteresse - dem fanatischen Willen des "Alten" schließlich nachgegeben. In der Schlußerklärung, die seinen Rücktritt begründete, hatte er freilich das bittere Wort gesprochen: "Wehe dieser Gesellschaft, deren Schicksal von einem Einzigen abhängig ist!" - Dieses Wort schwebt seitdem wie ein Menetekel über Israel.

Einen Beweis dafür, wie tief seine Popularität bereits abgesunken war, hatte Ben Gurion schon bei den Neuwahlen zur Knesseth (dem israelischen Parlament) erhalten, die im November 1959 stattfanden und der Mapai nur noch 58 Prozent der abgegebenen Stimmen, also 47 von den insgesamt 120 Sitzen im Parlament einbrachten. Trotzdem war Ben Gurion beauftragt worden, die neue Regierung zu bilden; doch diesmal stieß er auf peinliche Schwierigkeiten: alle bisherigen Koalitionsparteien verweigerten ihm die Zusammenarbeit mit der Mapai. 500 Studenten demonstrierten in Jerusalem unter Transparenten, auf denen zu lesen stand: "Wir erlauben nicht, daß der Alte

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irgendwelche Dokumente ausbessern darf!", und wesentlich ernster noch zeigte sich eine Versammlung von 200 Professoren der Universität Jerusalem, die öffentlich erklärte, "es spreche nicht für die Sauberkeit einer Demokratie, wenn ein Mann wie Pinchas Lavon, der offiziell rehabilitiert wurde, trotzdem gezwungen worden sei, seine Stellung aufzugeben!"

Derlei Stimmen sind und bleiben eine düstere Mahnung, und es ist daher nicht verwunderlich, daß Ben Gurion - wie jeder Staatsmann, der sich im Innern festgefahren hat - in die Außenwelt flüchtete, wenn er auch vorerst keinen Waffenkrieg entfesselte, der sonst die Ultima Ratio solcher Staatsmänner zu sein pflegt. Dem Alten kam es darauf an, der Weltöffentlichkeit ein markantes Schauspiel seiner "Politik der Stärke" zu bieten, zu der er sich unentwegt bekannte, und dieses Schauspiel gleichzeitig zu einer ergiebigen Geldquelle für seine Staatskassen zu machen. Erster Held in diesem Schauspiel - wenn auch in einem Glaskäfig sitzend - sollte Adolf Eichmann werden, auf den man es in Israel schon lange abgesehen hatte, und dessen Aufenthaltsort vom israelischen Geheimdienst seit geraumer Zeit ausspioniert worden war: jetzt schien der günstige Zeitpunkt gekommen, sich dieses wertvollen Vogels zu bemächtigen.

Im israelischen Kabinett saß als Minister ohne Portefeuille ein gewisser Abba Eban, erklärter Liebling Ben Gurions und als "Kronprinz" geltend. Diesen "kundigen Thebaner" schickte der Alte, während die Weltpresse gerade über die Kölner Hakenkreuzschmierereien zeterte (Weihnachten 1959), in einem Sonderflugzeug mit einer Delegation nach Buenos Aires - zu einer Beratung, wie es hieß. Diese Beratung fand im argentinischen Juden statt, die sich für den üblen Greiferdienst kaufen ließen, sich der Person Adolf Eichmanns bemächtigten und ihn den Israelis übergaben. In Abba Ebans Sonderflugzeug wurde der Ergriffene am 11. Mai 1960 nach Israel verschleppt und dort in strengster Haft gehalten, bis rund ein Jahr später der Prozeß gegen ihn anlaufen konnte. Auf die Gründe, warum die Verhandlung so lange hinausgezögert wurde, komme ich weiter unten zu sprechen.

Der Fall Eichmann hat den äußeren Anstoß zur Abfassung meines Buches "Schuld und Schicksal" gegeben; ich habe mich dort eingehend mit ihm beschäftigt und wiederhole hier nur, daß diese Gewalttat und ihre späteren Folgen dem Ansehen Israels und seiner Regierung den allerschwersten Schaden zugefügt haben, während die politischen Erwartungen oder gar die moralischen Rechtfertigungen, die Ben Gurion und seine Leute sich von diesem Coup erhofft hatten, im öden Sandbett der weltweiten Ernüchterung und schließlich der pseudo-

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juristischen Langeweile versickerten. Hatte schon Eichmanns Entführung aus einem unbeteiligten Staat sich als unverzeihlich grober Völkerrechtsbruch erwiesen und diplomatische Peinlichkeiten heraufbeschworen, so erregte es noch weit stärkeres Befremden in aller Welt, daß Israel sich anmaßte, in dieser Sache sich zum Greifer, Ankläger und Richter in einer Person aufzuwerfen, ohne daß es dafür zuständig war. Die gleiche überhebliche Rolle hatte zwar die Siegerjustiz bereits in Nürnberg sich angemaßt; doch seitdem waren immerhin fünfzehn Jahre vergangen, und das Weltgewissen war wieder hellhörig geworden. So konnte es nicht ausbleiben, daß die öffentliche Meinung in fast allen Ländern sich eindeutig gegen das Verfahren der Israelis wandte und betonte, daß Eichmann nur von einem deutschen, in diesem Falle bundesdeutschen, Gericht hätte abgeurteilt werden dürfen, welches einzig und allein für die Bestrafung seiner Verbrechen zuständig sei! Selbst betont judenfreundliche Blätter wie die "Washington Post" stellten sich scharf gegen die geplante Justiz-Komödie; das genannte Blatt gab den Israelis bereits um Ende Mai 1960 zu bedenken, daß sie im Fall Eichmann zwar ihrem Rachebedürfnis frönen, nicht aber der Gerechtigkeit dienen könnten; für die letztere fehlten alle Voraussetzungen!

Ben Gurion freilich, und mit ihm seine Ultras glaubten diese Stimmen überhören zu dürfen; sie hofften noch einmal die Mauern Jerichos durch ihre Posaunenstöße zum Einsturz zu bringen. War ihrer politischen Dreistigkeit doch schon vor zehn Jahren ein gewaltiger Fischzug geglückt: als im Jahr 1949 die BRD mehr krumm als gerade zur Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches gestempelt worden war, hatten israelische Finanzmänner im Namen ihres erst vor Jahresfrist gegründeten Staates eine riesige Summe gefordert, die zur Wiedergutmachung der an den Juden verübten Verbrechen dienen sollte, und die rückgratlose Bonner Regierung, an ihrer Spitze Herr Konrad Adenauer hatt[e] dieser Erpressung nachgegeben: durch Jahre hin wanderten Milliarden über Milliarden deutscher Mark in Israels Kassen, obwohl dieser Staat, der zum Zeitpunkt der fraglichen Verbrechen überhaupt noch nicht bestanden hatte, keinerlei Anspruch auf Wiedergutmachung besaß, wohl aber jene Milliarden zum Aufbau seiner Wirtschaft und Verwaltung verwandte, während die Angehörigen der seinerzeit ermordeten oder schwer geschädigten Juden, die wirklich Ansprüche auf Entschädigung besaßen, mit ihren berechtigten Forderungen ins Hintertreffen gerieten und - soweit sie es nicht verstanden hatten, sich in den goldenen Vordergrund vorzuspielen - nur unzulänglich oder gar nicht abgefunden wurden.

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Hieran dürfte Ben Gurion gedacht haben, als er später zu einem zweiten großen Vorstoß ausholte. War und ist doch Israels Finanzwirtschaft ein Faß ohne Boden: das eigene Sozialprodukt reicht auch heute noch nicht aus, das Land zu ernähren, und der Staat sieht sich weiterhin auf die - von Jahr zu Jahr geringer werdenden - Zuwendungen des Weltjudentums angewiesen. Reichen auch diese nicht mehr aus, dann muß eben das verfluchte Deutschland weiter bluten - genauer gesagt: die BRD: denn aus der DDR und aus Österreich, den "Mitschuldnern" ist leider nichts herauszupressen!

Ben Gurion ging wieder einmal sehr geschickt vor - geschickt wenigstens im Sinne eines geriebenen Pfandleihers, wenn auch nicht im Sinne eines überlegen-weitsichtigen Staatsmannes: während sein Greifer Abba Eban noch in Argentinien operierte, dort aber sein Opfer bereits umsponnen hielt - in Israel wußte man es schon -, reiste Ben Gurion nach New York, wo sich der deutsche Bundeskanzler Adenauer gerade aufhielt, und lud diesen zu einer politischen Aussprache ins Waldorf-Astoria ein; die Besprechung fand am 14. März 1960 statt. Wieweit der israelische "Alte" den Bonner "Alten" in die bevorstehende Premiere des Eichmann-Dramas eingeweiht hat, wissen wir nicht; doch dürfte er es kaum an Anspielungen und versteckten Drohungen haben fehlen lassen. Obwohl nämlich jene Besprechung unterm Siegel strengster beiderseitiger Verschwiegenheit geführt wurde, sickerte doch schon bald - dank amerikanischen Indiskretionen - durch, daß Adenauer aus eigener Machtvollkommenheit damals den Israelis eine Anleihe in Höhe von 500 Millionen Dollars (rückzahlbar vermutlich, wenn Pferde Ostern feiern - rumänisches Sprichwort), sowie umfangreiche deutsche Waffenlieferungen in Aussicht gestellt hat, von anderweitigen Zusagen zu schweigen. Adenauer war damals 84, also zehn Jahre älter als Ben Gurion; ob man sein Eingehen auf die Wünsche des Jüngeren aus seiner Senilität erklären darf - diese Frage möchte ich offen lassen.

Für alle Fälle dürfte er sich einige Gegenleistungen ausbedungen haben, die - wenn man Herrn Nannen vom "Stern" glauben darf - darin bestanden, daß Ben Gurion der BRD eine Ehrenerklärung ausstellte - des Inhalts, daß diese mit dem verflossenen Dritten Reich nichts gemein habe, und daß Adenauer. Adlatus Globke im bevorstehenden Eichmann-Prozeß nicht als Zeuge werde vorgeladen werden. Das sind ja nun kaum gewichtige Zugeständnisse; aber in Bonn ist man bescheiden: während es im eigenen Lande an Geldmitteln für die kulturellen Aufgaben noch immer hapert, gibt man die größten Summen für anderer Leute und Länder Interessen her, sofern diese

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einem nur die Richtigkeit der eigenen Ideologien bestätigen, was die anderen ja nichts kostet - außer einem Grinsen hinterm Schnupftuch.

Im Frühjahr 1960 konnte Ben Gurion jetzt gleichschalten. Der Rest des Jahres wurde mit den Vorbereitungen des großen Prozesses in Jerusalem ausgefüllt, über dessen gehaltvolles Programm die Weltpresse mit wohldosierten Häppchen gespeist wurde, und als im Februar 1961 die neuen Geldzuflüsse wie auch die Waffenlieferungen aus der BRD eingesetzt hatten, war sich Ben Gurion dieser wichtigen Rückendeckung und ihres Fortbestandes sicher, und er setzte nunmehr den Beginn des Eichmann-Prozesses fest, der am 11. April 1961 in Jerusalem eröffnet wurde: der Angeklagte stieg in den Glaskasten, um dessen Benutzung er angeblich ebenso "ersucht" hatte wie früher um das freie Geleit nach Jerusalem. - Der Verlauf des Prozesses ist bekannt.

Wenig oder überhaupt nicht bekannt geworden sind dagegen die mancherlei Fälle, in denen unliebsam gewordene Personen in Israel von dortigen Killern "liquidiert" wurden, so der 28jährige Peter Kupers, der zur Ausbildung von Spezialisten (vermutlich für den nuklearen Sektor) nach Israel entsandt worden war. Während der Eichmann-Prozeß lief, wohnte Kupers in der Nähe von Tel Aviv, und eines Morgens im November 1961 wurde er in seinem Zimmer tot aufgefunden. Ob er nun eines natürlichen oder unnatürlichen Todes gestorben ist: anderswo hätte dieser Fall die Öffentlichkeit beschäftigt. Israel dagegen handhabt seine Tabus vorbildlich, um nicht zu sagen: diktatyrannisch. Man hat vordem wohl bei der Ochrana gelernt . . .

Ich erwähnte schon, daß das New Yorker Geheimabkommen Adenauer/Ben Gurion über bundesdeutsche Waffenlieferungen an Israel später durch Indiskretionen der USA-Presse "vorzeitig" bekannt geworden ist; das Geheimnis soll auf Anweisung des Weißen Hauses gelüftet worden sein. Diese Vermutung erhärtet sich zur Tatsache für jeden, der die amerikanische Politik jener Jahre genauer verfolgt hat: die USA suchten Westdeutschlands Waffenhilfe für ihr kriegerisches Abenteuer in Ostasien: mehrfach hatten sie die BRD kategorisch ermuntert, die deutsche Wiedervereinigung in eigene Hände zu nehmen, und als man in Bonn sich ablehnend verhielt, hatte Washington schließlich versucht, mit der Enthüllung jenes geheimen Waffen-Abkommens einen Druck auf den widerspenstigen Nato-Verbündeten auszuüben. (Ein in der BRD lebender zionfreundlicher USA-Journalist spielte dabei eine führende Rolle.) Die Vorgeschichte dieser Machenschaften ist nicht uninteressant:

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Als im Jahr 1954 die Eisenhower-Dulles-Regierung mit dem Plan umging, in Vietnam militärisch einzugreifen, verweigerte ihr der amerikanische Senat die Zustimmung zu einem Unternehmen, das angeblich den schwer bedrängten französischen Kolonialtruppen - die vernichtende Niederlage von Dien Bien Phu stand diesen damals bevor - zu Hilfe kommen wollte, nach Ansicht des Senats aber einen Dritten Weltkrieg heraufbeschwören konnte. Ein temperamentvoller Senator erklärte damals: "Ich bin dagegen, daß amerikanische Soldaten in den Schlamm Indochinas geschickt und dort zur Ader gelassen werden, nur um den Kolonialismus zu verewigen!" Dieser Senator war Lyndon B. Johnson: derselbe Mann, der heute als Präsident der USA schon etwa 500 000 seiner Landeskinder in den schmutzigsten aller Kolonialkriege hineingeworfen und bereits Tausende von ihnen geopfert hat - genau wie Franklin D. Roosevelt noch im Jahr 1941 erklärt hatte, er denke gar nicht daran, auch nur einen einzigen GI nach Europa in den Kampf zu schicken, und wenige Wochen später, nach der von ihm selber provozierten Katastrophe von Pearl Harbour, das genaue Gegenteil dessen tat, was er seinem Volke feierlich versprochen hatte.

Das ist jene mörderische Heuchelei, die das angelsächsische Puritanertum noch heute erfüllt und es zu immer neuen Massenschlächtereien verführt, ohne daß sich ein Nürnberger Tribunal fände, das diese selbstgerechten Verbrechen brandmarkt oder bestraft! Zuweilen findet sich ein Einzelner der es wagt, solch einem machttrunkenen Großfrevler die Maske vom Gesicht zu reißen, und in Roosevelts Falle ist solch ein mutiger Mann aufgestanden: der aus den USA stammende Dichter Ezra Pound, wohl der größte amerikanische Lyriker unseres Zeitalters. Er lebte seit seiner Jugend in Europa, und während des Zweiten Weltkriegs schleuderte er über den italienischen Rundfunk vernichtende Anklagen gegen Präsident Roosevelt, den seine Kriegslüsternheit und sein Deutschenhaß aufgepeitscht hätten, in den Krieg einzugreifen, Europa zu ruinieren und die Welt aus den Fugen zu brechen! - Die amerikanische Invasionsarmee nahm diesen wahren Propheten im Jahr 1944 in Italien gefangen, sperrte ihn 2 Monate lang in einem Gorillakäfig unter freiem Himmel ein, bespuckte und bepißte ihn tagtäglich, bis man ihn nach Washington verbrachte und ihm den Prozeß machte, worauf er volle zwölf Jahre lang in einer Irrenanstalt, davon zwei Jahre lang in einer Zelle für Tobsüchtige gefangen gehalten wurde. Im Jahr 1958 wurde er endlich freigelassen, und seitdem lebt er in Südtirol; als man dort im Jahr 1966 seinen 80. Geburtstag feiern wollte, lehnte er kategorisch alle Veranstaltungen ab mit den klassischen Worten: Tempus tacendi - jetzt

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ist es an der Zeit, zu schweigen! - Ezra Pound arbeitet immer noch weiter an seiner großen lyrischen Dichtung "Cantos"; zur Politik aber, die ihn so grausam mißhandelt hat, wird er niemals mehr das Wort ergreifen, und er braucht es auch nicht zu tun, da sein Leben gesprochen hat. Wir aber, die wir keine Dichter sind, dürfen nicht müde werden, gegen Heuchelei, Wahnwitz und Verbrechen anzukämpfen, wenn wir uns eines Tages beruhigt zum Sterben niederlegen wollen.

Heute hebt sich vom Horizont der nahen Zukunft bereits das Schicksal der amerikanischen Invasion (sprich: "Hilfsaktion") in Vietnam ab: sie wird zum Trauma des Präsidenten Johnson werden; sie wird in blutigen Sümpfen ersticken, und Rotchina wird der grinsende Erbe in Vietnam sein, mag der dortige Krieg auch noch Jahre dauern! Nun wünscht der gestachelte Präsident Johnson sich europäische, namentlich deutsche Landsknechte, die ihm aus der Sackgasse heraushelfen und ihre Haut dabei zu Markte tragen sollen, nach dem bewährten Kommando: "The Germans to the front!" Schon plant Westdeutschland die Entsendung eines angeblich "neutralen" Lazarettschiffs an jene umkämpfte Küste; ja, man munkelt bereits von der Entsendung westdeutscher Straßenbautrupps nach Süd-Vietnam: wehe, wenn aus diesen Gerüchten Wirklichkeit würde; wehe für Deutschlands Reste an Weltgeltung! Möchten alle Nato-Mächte sich auch weiterhin dessen bewußt bleiben, daß sie zwischen Saigon und Hanoi nichts, aber auch gar nichts verloren haben!!

Gegen die heuchlerische Politik der Unterjochung fremder Völker zugunsten eines Cola-Imperialismus, welche die USA-Regierung führt, werden allmählich besorgte Stimmen laut. Eine der gewichtigsten zitiere ich kommentarlos:

"Schrittweise, aber unmißverständlich erliegt Amerika jener Machtarroganz, die in der Vergangenheit große Nationen befallen, geschwächt und in einigen Fällen zerstört hat. Wenn wir so verfahren, werden wir nicht unserem Charakter und unserem Versprechen gerecht . . . jener tödlichen Anmaßung, jener Überausdehnung von Macht und Sendungsbewußtsein, die das klassische Athen, das napoleonische Frankreich und Nazideutschland ruinierte." (Vorsitzender des außenpolitischen Senatsausschusses der USA, Fulbright)

David Ben Gurion, den Mann mit den neuen Gesetzestafeln, die er freilich nicht vom Berg Sinai zu seinem Volk herabgebracht hat - ihn läßt die Entwicklung der Dinge im fernen Osten wohl ziemlich kalt; denn auch sein Zionismus hat dort hinten nichts verloren, da er mehr als genug im neu erkämpften Lande seiner Erzväter zu tun hat. Immer noch zieht sich der Alte, bald Uralte, gelegentlich grollend in seinen Negev-Kibbuz zurück, um dann mit neuen Erkenntnissen wie-

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der aufzutauchen: mit Erkenntnissen, die zwar nicht gerade weise, aber manchmal recht klug sind. Erst unlängst, am 20. Februar 1965, hat er in dem Interview, das er einem Reporter der dpa gab, erklärt: "Eine große Schwierigkeit für (West-)Deutschland liegt in der Hallstein-Doktrin. Ich kann sie verstehen; ich weiß aber nicht, ob sie praktisch ist!" Mit anderen Worten: ich halte sie heute für nicht mehr zweckmäßig! Darin werden ihm einsichtige Politiker beipflichten müssen. - In jenem Interview hat er auch geäußert: "Es ist durchaus falsch, Furcht zu haben. (West-Deutschland sollte keine Furcht vor Nasser, aber auch keine Furcht vor Israel haben !" Das ist ein vielsagender, für die BRD nicht gerade schmeichelhafter Ausspruch.

David Ben Gurion wurde aus der Mapai ausgeschlossen. Einige seiner ehemaligen Parteifreunde nannten ihn sogar Faschist. Er gründete eine neue Partei, die sich bei den letzten Knesseth-Wahlen der Öffentlichkeit vorstellte. Die Ben-Gurion-Partei erhielt nur zehn Mandate, was beweist, daß die Mehrheit der Wähler seine extreme Richtung ablehnt. Sein vandalischer Haß gegen alles, was arabisch ist, scheint grenzlos zu sein:

"David Ben Gurion, Ministerpräsident des Staates Israel, verweigerte die Annahme einer Neuanfertigung seines Personalausweises, weil darin die Personalien nicht nur in hebräischer Sprache, sondern auch in arabischer Sprache enthalten sind." (Wiener "Wochenpresse", Nr. 23 vom 7. Juni 1958, Seite 13)

Es ist kein Zufall, daß David Ben Gurion am 14. Mai 1948 in Tel Aviv den Staat Israel und nicht einen Staat Judäa ausgerufen hat. Denn der extreme Zionismus wird sich nie mit den heutigen Grenzen des ehemaligen Kleinstaates Juda abfinden. Er wird stets trachten, die kanaäischen Gebiete des früheren Einheitsstaates Israel, der das Volk Jehovas beherbergte, zurückzugewinnen. Man wird die Taktiken und Methoden des Josua in modernerer Form anwenden. Der Zionismus bleibt hiermit eine ständige Gefahr für die arabischen Nachbarn Israels. Dies beweisen zur Genüge die Dar-Frank-Affäre und das Suez-Abenteuer.

Für die Araber bleibt David Ben Gurion der jüdisch-hebräische Petljura und für seine zionistischen Ultras "der große alte Mann".

Für das nicht zionistische Judentum bleibt David Ben Gurion in moralisch-politischer Hinsicht, gelinde ausgedrückt, ein Barbar. (Die alten Griechen nannten einen Fremden einen Barbaren.)

Zu den Zionisten von Rang, die an der Schaffung des Staates Israel mitgeholfen haben und als Schuld-Diktatoren aufgetreten sind, muß auch

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Dr. Nahum Goldmann

gerechnet werden. An Jahren jünger als Chaim Weizmann und David Ben Gurion, ist er diesen beiden großen Männern auch an weltpolitischer Bedeutung keineswegs gewachsen; doch liegt seine eigene Bedeutung, nicht zuletzt darin, daß er, als oftmaliger Widersacher Ben Gurions, ein Gegengewicht zum überspitzten Zionismus gebildet hat - und weiterhin bildet. Er mag vielleicht damit gerechnet haben, Ben Gurions Nachfolger zu werden; doch dieser hat den Sessel des Ministerpräsidenten inzwischen an Levi Eschkol abgetreten. Ob Ben Gurion damit auch die Verantwortung für Israel und namentlich für das, was er selber seit 1948 auf- und angestellt, ruhigen Gewissens abgeben durfte, ist eine andere Frage, die erst die Zukunft - eine vielleicht schon nahe Zukunft - beantworten dürfte. Kenner der Lage meinen, es wäre zu begrüßen, wenn seine Nachfolge an weniger fanatische Nur-Zionisten gelangen würde.

Nahum Goldmann hat sich stets als Galuth-Zionist gefühlt, ohne aber die "Verbannung" als Fluch zu empfinden: als Schüler von Theodor Herzl sah er das Heil des jüdischen Volkes keineswegs ausschließlich in der Heimkehr zum Berge Zion; weniger der Ort der Heimstätte, als vielmehr die geschlossene Bereitschaft aller wahren Zionisten zur Sammlung und zum Aufbruch in eine menschenwürdige Heimstätte schien ihm das wichtigste Ziel seines Volkes zu sein. Freilich sollte sich später erweisen, daß sein ideologischer Widersacher Ben Gurion ihm nicht nur an Zielstrebigkeit überlegen war, sondern ihn schließlich auch ins eigene Fahrwasser, genauer gesagt: nach Israel hineinzwang.

Goldmanns eigentlichster Wirkungsbereich ist die große Organisation des Weltzionismus, zu deren Präsidenten er schon in jüngeren Jahren gewählt wurde; in dieser Eigenschaft präsidierte er auch einer Reihe von Zionistischen Weltkongressen. Diese Zusammenkünfte, deren Bedeutung für alle jüdischen Belange gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, sind von Theodor Herzl ins Leben gerufen worden, der, wie schon berichtet, den ersten dieser Kongresse in Basel anno 1897 eröffnete, wo er festsetzte, daß der Kongreß sich alle zwei Jahre aufs neue zu versammeln habe, jeweils in einer anderen Stadt.

Unter den Zionisten, die im ersten Drittel unseres Jahrhunderts eine führende Rolle spielten, ragte der schon früher erwähnte, in Russisch-Polen geborene Nahum Sokolow (1869-1936) hervor, der

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schon 1905 zum Generalsekretär des Weltzionismus gewählt wurde, dann vor allem in Frankreich wirkte, 1917 zu den Inspiratoren der Balfour-Declaration gehörte und 1919 die zionistische Delegation bei den Friedensverhandlungen in Versailles anführte. Präsident der Zionistischen Weltorganisation war er von 1931 bis 1935; ein Jahr später starb er in London, 67 Jahre alt. Sein Tod war ein schwerer - ich möchte sagen: ein kaum ersetzlicher Verlust für den Welt-Zionismus, der unter der ferneren Leitung dieses charaktervollen Nichtfanatikers wahrscheinlich eine andere Entwicklung genommen hätte, als er sie dann tatsächlich nahm.

Als nach Hitlers Machtergreifung der nächste Zionistische Weltkongreß tagte, entsandte auch der "Völkische Beobachter"/München einen Berichterstatter; dieser meldete unterm 23. August 1934, auf Seite 3 des Blattes: "Der Vorsitzende Goldmann schilderte in seiner Rede die Lage des Judentums in den verschiedenen Ländern der Welt: wobei er sich ausführlich mit Deutschland befaßte und dem Dritten Reich den Kampf ansagte: man werde mit Deutschland keinen Kompromiß schließen! Die deutschen Juden müßten in ihre vollen Rechte wieder eingesetzt werden und gleichzeitig alle Rechte einer Minderheit erhalten. 'Der Boykott gegen Deutschland wird fortgesetzt werden, bis dieses Ziel erreicht ist!'"

Falls Nahum Goldmann damals gewußt hat, daß zur gleichen Zeit sein Glaubensgenosse Levi Eschkol (NB: heute israelischer Ministerpräsident) in seinem Berliner Büro mit den deutschen Dienststellen über ein Handelsabkommen verhandelte, so hat er jedenfalls vermieden, sich dies damals anmerken zu lassen. Er scheint sogar aus Eschkols Haavara-Methoden allerlei gelernt und seine kompromißlose Haltung zu spürbarer Konzilianz gemildert zu haben, wie sich drei Jahre später, im September 1937, auf der Genfer Völkerbundstagung zeigte. Dort überreichten die Delegierten der Zionistischen Weltorganisation eine Denkschrift mit verschiedenen Vorschlägen zur Frage, wie man England unter Druck setzen könne, damit es die Einwanderungsquote der Zionisten nach Palästina spürbar-wirksam erhöhe. In dieser Denkschrift fand sich kein Wort des Protestes gegen jene Staaten, in denen sich der Antisemitismus immer drohender bemerkbar machte. Wohin dieser Kurs in Deutschland führte, war längst klar geworden; in Polen aber fanden bereits kleinere Pogrome statt, und die rumänische Regierung Goga-Cuza drohte mit der Ausbürgerung der Juden! - Der heutige Präsident des Weltzionismus befand sich damals auch in Genf und spielte dort die Rolle des gewandtverbindlichen Diplomaten: denn das Züricher "Zionistisch-Israelische Wochenblatt" schrieb im September 1937 in einem Ton, der zwischen Ironie und Erbitterung

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schwankte: "Man müsse einmal zusehen, wie Dr. Nahum Goldmann seriös mit den Vertretern der antisemitischen Staaten verhandle und dabei keinerlei Möglichkeit finde, ein Wort des Protestes gegen die Judenverfolgungen vorzubringen."

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bot sich Nahum Goldmann kaum noch eine Gelegenheit für die Anbringung derartiger Höflichkeiten: doch hielt er weiter an der Ansicht fest, der Zionismus habe im Nationalsozialismus einen Brückenbauer nach Palästina, weshalb man ihm seine Judenverfolgungen nachsehen müsse (was letzteres er freilich nicht aussprach). Als vom 20. bis 23. Januar 1941 der 26. Kanadisch-Zionistische Kongreß in Montreal tagte, trat dort als Sprecher der Jewish Agency auch Dr. Goldmann auf: laut "Gazette Montreal" vom 20. Januar 1941 erklärte er unter anderm: "Seit vielen Jahrhunderten hat das jüdische Volk keine so glänzende Gelegenheit gehabt zur Lösung seines Programms wie augenblicklich. Wir wollen diesmal nicht nur beten wie in früheren Jahrhunderten, sondern wir sind bereit, Mitkämpfer in diesem Völkerringen zu sein."

Der ehrenwerte Präsident Dr. Goldmann fand es nicht für richtig, bekannt zu geben, wie seine Kämpfe und die des Weltkongresses zugunsten des in Bedrängnis geratenen europäischen Judentums ausfielen. Er konnte auch nichts sagen, denn alles andere wurde getan, nur nicht, was den notleidenden Juden hätte helfen können. In einem seiner Referate, die er am 4. August 1966 beim jüdischen Weltkongreß, der in Brüssel stattfand, gehalten hatte, erklärte er unter anderem:

"Nachdem der Weltkongreß als erster von der systematischen Vernichtung aller Juden in Konzentrationslagern erfuhr, begann er sich auf die Nachkriegszeit vorzubereiten." Damit ist schon zugegeben, daß man nichts, aber gar nichts zur Vernichtung verurteilter Juden gedacht habe, sie irgendwie zu retten. (s. Protestaktion Martin Bubers) Man bereitete sich eben auf die Nachkriegszeit vor.

Keiner der kleineren und größeren Heuchler, die als Teilnehmer dieses Kongresses diese einmalige Äußerung des Führers des Weltzionismus, Dr. Goldmann, hörten, fragte, und das war alles? Und so sah die Hilfe der Zionistenführer und deren Nachläufer des jüdischen Weltkongresses zugunsten des verlassenen europäischen Judentums aus. Aber so manche dieser Führer haben den traurigen Mut Regie zu führen und den verstorbenen Papst Pius des Schweigens anzuklagen. Im allgemeinen muß verzeichnet werden, daß keine zweite Organisation existiert, die so undemokratisch ist, wie die des jüdischen Weltkongresses. Sie belieben sich als Vertreter des Weltjudentums auszugeben, in Wirklichkeit aber ist kein einziger Teilnehmer aus irgendwelchen Wahlen in keinem Lande der Welt dazu auser-

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koren und bestimmt. Die sogenannten Vertreter sind von Goldmännern ganz einfach ernannt. So täuscht man die Weltöffentlichkeit, daß man das Weltjudentum vertritt.

Das europäische Judentum, soweit es nicht schon geknebelt war, erhob sich denn auch als Mitkämpfer für die Freiheit seines Volkstums - am leidenschaftlichsten im Warschauer Getto, wo am 18. April 1943 der Verzweiflungskampf losbrach, um nach vier Wochen heroischer Aufbäumung in Blut erstickt zu werden. Zu diesem tragischen Heldenkampf hat Nahum Goldmann freilich - hierin einmal einig mit seinem Widersacher Ben Gurion - ganz bewußt geschwiegen - warum? Weil jene Warschauer Märtyrer der Sache Zion nicht zu dienen vermochten! Und ebenso schwieg er zu den Auschwitzer Judenmorden, über die man im Ausland damals schon viel genauer unterrichtet war als in Deutschland, der Heimat der Judenmörder. Um so vernehmlicher erhob dafür seine Stimme der in Jerusalem wirkende Professor Martin Buber, der bedeutendste Religions-Philosoph des Zionismus, damals 66 Jahre alt; er veröffentlichte im Frühjahr 1944 zum Thema Auschwitz eine Anklageschrift, die sich nach außen hin gegen das Hitler-Regime, im Innern aber ebenso eindeutig gegen Palästinas politische Taktik wandte. Hier einige Sätze aus der gehaltvollen Schrift:

"Die Einstellung der jüdischen Siedlung (in Palästina) zur Katastrophe der Diaspora beginnt mit etwas, was nicht zu erklären und nicht zu verstehen ist: mit dem Schweigen. Tage und Monate - so hörten wir, und es ist nicht bestritten worden - wußten die Eingeweihten, was sich ereignet, und was sich angesponnen hat, und verheimlichten der Gemeinschaft in unserm Lande, was sie wußten . . . Was aber in meinen Augen am unverständlichsten ist: als die Gemeinschaft hörte, was vorgeht, und hörte, daß man es ihr Tage und Monate lang verheimlicht hat, da schwieg sie . . . Die Problematik wird noch stärker, wenn diese Sache (die 'Endlösung') nicht nur zu dem uns allen gemeinsamen politischen Zweck benützt wird, sondern zu einem Parteizweck. Es gibt Parteien (im Zionismus), die eine kochende Volksseele brauchen, um ihren Sud daran zu sieden. Ihre beste Chance, und manchmal ihre einzige, ist die Radikalisierung der Situation: sie sind bereit, dieser Chance auch die Rettung (von Menschenleben) zu opfern . . . Und hier erst geschieht wirklich das Entsetzliche: die Ausnützung unserer Katastrophe! Was hierbei bestimmt, ist nicht mehr der Wille zur Rettung, sondern der Wille zur Ausnützung!"

Soweit der ehrwürdige Martin Buber. Er hat völlig Recht: sie haben damals planmäßig geschwiegen, die Zionistenführer. Auch

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Nahum Goldmann hat geschwiegen. Als er sich, etwa zehn Jahre später, in der Person des jungen Dr. Saul Friedländer einen zuverlässigen Sekretär verpflichtete und diesen in mehrjähriger Gemeinschaftsarbeit zu einem gewiegten Propaganda-Manager für den Weltzionismus ausbildete, da hat er wahrscheinlich nicht gewußt, vielleicht aber darauf hingewirkt, daß dieser sein Sekretär wiederum ein paar Jahre später das bösartige Buch gegen Pius XII. schrieb, veröffentlichte und, wie erwähnt, in raffiniert geschickter Weise durch die ganze Welt verbreitete - und warum? Weil der Papst angeblich zu den deutschen Judenverfolgungen geschwiegen habe! - Es bleibt eine der größten Ungeheuerlichkeiten der zionistischen Ideologie, daß ihre Träger, diese geradezu einmaligen Totschweiger und Tabu-Hüter, einen christlichen Kirchenfürsten mittels unrichtiger Behauptungen zu einem der Ihrigen machen und sein Wesen damit verfälschen wollen!

Es wäre charaktervoller und dem jüdischen Volk dienlicher, wenn jene Verfälscher, die bestimmt ihr gerüttelt Maß Mitschuld am Untergang eines Großteil der europäischen Judenschaft tragen, nach biblischer Vorschrift sich einen Sack Asche aufs Haupt legten, nachdem sie sich nach Gebühr in einen Winkel zurückgezogen haben, in dem sie bis an ihr Lebensende Buße tun können. Das entspräche wirklich den Gesetzen der Erzväter, nach denen die heutigen Zionisten ihr Leben von neuem führen wollen; aber man hört nie davon, daß sie auch in diesem Sinne dem Geist ihrer Vorfahren die Treue zu halten bereit wären. Wohl hat Dr. Nahum Goldmann in den letzten Jahren wenigstens einen Teil seiner Mitschuld an der Katastrophe eingestanden; doch sein Mannesmut reicht nicht so weit, hieraus die strengen Folgerungen zu ziehen, auf die sein Glaube ihn verpflichtet.

Der Zionistische Weltkongreß setzt sich aus 500 Vertretern der anerkannten zionistischen Gruppen zusammen; seine Delegierten werden durch die Abgabe eines gekauften Schekel gewählt. Der Schekel ist eine alte biblische Münze, die zu diesem Zwecke symbolisch als Karten gedruckt werden, die die Münzen ersetzen. Sowohl der Wahl wie der Stimmberechtigte muß das 18. Lebensjahr vollendet haben. - Wie stark seit 1948 das Schwergewicht im Kongreß zu Israels Gunsten sich verschoben hat, geht aus der Tatsache hervor, daß in den Galuth-Ländern (der "Diaspora", mit Martin Buber zu sprechen) jeder Delegierte 3 000 Schekelstimmen für seine Erwählung braucht, während die Israel-Delegierten nur 1 500 Schekelstimmen aufbringen müssen. Durch diese erstaunliche - ich vermeide das Wort "ungerechten" - Sonderregelung hat vor allem die Mapai sich einen bleibenden Vorrang im Zionistischen Weltkongreß zu sichern verstanden.

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(Mapai ist die Abkürzung von "Maflegeth Poalai Erez Israel" = "Arbeiterpartei des Landes Israel".)

Der Zionistische Weltkongreß, der im Januar 1961 in Jerusalem zusammentrat, wurde als der erste seiner Art in hebräischer Sprache eröffnet und dokumentierte auch mit dieser Neuerung die Vorherrschaft Israels in seinen Reihen; als Präsident amtierte Dr. Nahum Goldmann. Damals saß Adolf Eichmann bereits seit acht Monaten in Jerusalem gefangen, in Erwartung seines Prozesses, und nicht nur die Weltmeinungen, sondern auch die Ansichten in Israel selber zum "Fall Eichmann" waren auf zwei Lager verteilt. Goldmann schlug vor, man solle Eichmann nicht vor ein israelisches, wohl aber vor ein internationales Gericht stellen, das in Jerusalem zu tagen habe. Dieser durchaus vernünftige Vorschlag erregte Ben Gurions heftigen Zorn: er machte dem Kongreß-Präsidenten in scharfen Worten den Vorwurf, die israelischen Staatsinteressen geschädigt und das Ansehen des Israel-Volkes herabgesetzt zu haben!

Dabei lag der Fall genau umgekehrt: Israel wäre weder geschädigt, noch abgewertet worden, wenn Goldmanns Vorschlag sich durchgesetzt hatte. Nicht nur der größte Teil der jüdischen Weltöffentlichkeit stand damals auf Goldmanns Seite; auch führende Zionisten teilten seine Ansicht, so der jüdische Abgeordnete im englischen Unterhaus, Dr. David Weizmann, der öffentlich erklärte, er würde es lieber gesehen haben, wenn Eichmann durch ein internationales Gremium abgeurteilt worden wäre! Schärfer noch drückte sich der Londoner Zionist Barry Payton aus: er glaube nicht, sagte er, daß Eichmann in Jerusalem eine sachlich gelenkte Gerichtsverhandlung zu erwarten habe, da das Urteil bereits als schlüssige Folgerung festgelegt sei. Und er fuhr fort: "Ich habe das Gefühl, daß die Rückwirkungen dieses Falles einen falschen Weg gehen und uns den Antisemitismus zurückbringen werden!" - Selbst der US-Generalankläger im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozeß, General Telford Taylor - dieser vielleicht aus schlechtem Gewissen heraus - äußerte sich stark besorgt zum Fall Eichmann, von dem man in Juristenkreisen voraussah, daß er als Präzedenzfall im völkerrechtlichen Bereich eines Tages schwerwiegende Folgen für die Jurisdiktion nach sich ziehen könne.

Es gab freilich auch zustimmende Äußerungen; eine kam - ausgerechnet! aus der BRD und zeigte sich in ihrem Tenor so konformistisch wie die bravste bonnhörige Presse: die "Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland" schrieb unterm 7. April 1961: "Das deutsche Volk wird durch den Prozeß gegen Eichmann zu der Erkenntnis kommen müssen, daß die weisen Worte, die Theodor Heuß im November 1949 fand, als er von der deutschen Kollektiv-

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scham sprach, für jetzt und alle Zukunft Geltung haben müssen." - - Diese Sätze dürften wie Honig in Ben Gurions Ohr geflossen sein; doch ich fürchte, sie haben ihm das Gehör für den Empfang vernünftigerer Stimmen verklebt - ja, ihn "für jetzt und alle Zukunft" gegen einsichtsvollere Erkenntnisse taub gemacht.

Ansonsten überraschte Dr. Goldmann in einem der politischen Referate die er auf dem Zionistischen Weltkongreß 1963 in Jerusalem hielt, seine Hörer mit der nachstehenden Prophezeiung: die BRD werde in Kürze den Staat Israel diplomatisch anerkennen! Die Verjährungsfrist werde verlängert werden; die Wiedergutmachungszahlungen werden erhöht werden, so daß auch weiterhin jährlich 80 bis 100 Millionen Dollar nach Israel fließen werden! - Das waren gehaltvolle Ankündigungen, und sie haben sich zum Teil ja auch inzwischen erfüllt der Botschafter-Austausch kam zwar nicht, in "Kürze", aber immerhin doch im Jahr 1965 zustande, und im gleichen Jahr wurde die Verjährung[s]frist verlängert - wenn auch nicht ad infinitum, wie es rachedürstende Zionisten gefordert hatten. Ich werde auf diese beiden Punkte in späteren Abschnitten zurückkommen: zur Frage der künftigen Dollar-Einflüsse ins bodenlose Faß Israel aber möchte ich schon hier bemerken, daß zu derlei Transfusionen noch immer Zwei gehören, und da Westdeutschlands "Wirtschaftswunder" seit einiger Zeit seinen Höhepunkt überschritten hat und in gefährlichem Absinken begriffen ist, so wird eines Tages auch die gutmütigste Zahlungsbereitschaft in Bonn kalte Füße bekommen und den staatlichen Finanzierungskünstlern in Israel erklären müssen: Deutschland habe jetzt genug gezahlt - ja, mehr als genug, und man möge sich in Jerusalem nach anderen Blutspendern für die israelische Wirtschaft umschauen!

Die Wiedergutmachung, wie dieses Wort schon klar und deutlich sagt, sollte Erlittenes wieder gutmachen, das heißt, humanen Zwecken dienen. Durch die "Reparationszahlungen" an Israel wurde diese Wiedergutmachung leider zu einer politischen Farce. Viele der Wiedergutmachungsberechtigten wurden zusätzlich mit neuen Leiden belastet.

Vor einigen Jahren kam aus Israel ein einundsiebzigjähriger ehemaliger Transnistrien-Verbannter nach München; um seine Wiedergutmachungsansprüche zu erheben. Als er sah, daß seine Angelegenheit sich in einem Dschungel von Paragraphen verstrickt hatte, wußte er sich keinen anderen Ausweg mehr als den Freitod. Dies kam mir in Erinnerung, als ich am 1. März 1966 einen Bericht, den die bundesdeutsche Presse veröffentlichte, las. Er sei hier kommentarlos zitiert:

"Ein ehemaliger KZ-Häftling wollte im Bonner Bundesfinanzministerium Selbstmord begehen. Der 42 Jahre alte jüdische Ungarn-

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Flüchtling Georg Löwi aus Wien hatte versucht, sich auf einer Toilette des Ministeriums mit seiner Krawatte zu erhängen. Der Mann war bereits bewußtlos, als Beamte ihn entdeckten. Löwi wurde in einem Bonner Krankenhaus gerettet. Er ist inzwischen nach Wien zurückgereist. Löwi hatte wegen seines Wiedergutmachungsanspruchs im Bundesfinanzministerium vorgesprochen. Als der Mann zur Regelung seiner Ansprüche an den zuständigen Hamburger Senat verwiesen wurde, unternahm er den Selbstmordversuch. Während des Gesprächs mit dem zuständigen Beamten im Bundesfinanzministerium soll Löwi zuvor gesagt haben, er hätte sich schon längst das Leben genommen, wenn ihm bestimmte, mit seinem Fall zusammenhängende Dinge bekannt gewesen wären. Nach Kriegsende hatte Löwi in Hamburg als Schiffskapitän gearbeitet. Später kehrte er nach Ungarn zurück, mußte jedoch bald aus seinem Heimatland wieder fliehen."

Ich deutete schon an, daß in dem ideologischen Kampf zwischen Ben Gurion und Nahum Goldmann der Letztere schließlich unterlag. Wie erwähnt, besaßen die Galuth-Zionisten im Kongreß auch dann noch die Stimmenmehrheit, als es den Israel-Zionisten gelungen war, mittels des Schekelstimmen-Tricks wesentlich "billiger" in den Kongreß gewählt zu werden. Trotzdem wurde auch weiterhin regelmäßig ein bürgerlicher Galuth-Zionist zum Organisations-Präsidenten gewählt; mit anderen Worten: die kapitalistischen Kreise dem Weltjudentums, vor allem die amerikanische Hochfinanz jüdischer Herkunft, blieb führend in der zionistischen Weltorganisation, während die sozialistisch-kommunistische Richtung in Israel im Hintertreffen blieb. Dieser Zustand aber war mit der Zeit für Ben Gurions Totalitarismus ein unerträglicher Dorn im Auge geworden: er ging zum Frontalangriff über und erklärte zum hundertsten Mal, ein Zionist, der nicht nach Israel komme, um dort zu bleiben und zu wirken, sei quasi eine Mißgeburt, ein Heuchler, der auch seine Glaubensbrüder zur Heuchelei erziehe und Israels wahre Interessen schädige! - Nun kannte man zwar diese alte Melodie seit langem; doch in letzter Zeit hatte sie an Klangfülle gewonnen. Der alte Kibbuznik hatte seinen Angriff im Jahr 1960 verstärkt - wohlweislich noch vor der Aufrollung des Eichmann-Prozesses -, und drei Jahre später war es soweit, daß Dr. Nahum Goldmann als Präsident des Weltzionismus seinen Wohnsitz von New York nach Tel Aviv verlegte - verlegen mußte, wenn er nicht dem Fluch der Abtrünnigkeit verfallen wollte, und so ist im Jahr 1963 erstmals ein Präsident des Weltzionismus in Israel wohnhaft und damit Bürger des jungen Staates geworden.

Als solcher ist er zwar nicht der israelischen Staatsraison, wohl aber dem Bewußtsein der eigenen Zugehörigkeit zum Schicksalsweg des

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jüdischen Volkes abtrünnig geworden; sonst hätte er nämlich die Erinnerung an die grauenhafte Warschauer Getto-Tragödie nicht derart bagatellisieren dürfen, wie er es tatsächlich getan hat. Als am 17. April 1963 die Juden in aller Welt den 20. Jahresgedenktag jenes blutigen Aufstandbeginns voll tief ernster Trauer begingen, fühlte man sich auch in Jerusalem peinlich verpflichtet, des tragischen Geschehens irgendwie zu gedenken; doch brachte man es nicht über sich, den Tag in würdiger Form zu feiern. Wie ich schon erwähnte, lehnte der israelische Postminister es damals ab, im Zuge seiner sonst so geschäftstüchtigen Herausgabe von Sonderbriefmarken eine Gedenkmarke für den Warschauer Aufstand erscheinen zu lassen; er begründete diese Ablehnung mit der unglaubwürdigen Erklärung, man dürfe das Volk Israel "nicht immer wieder an die traurigen Ereignisse seines Leidensweges erinnern!" - Diese gleichgültige Haltung trat auch in anderen Regierungs-Verlautbarungen zutage; bestenfalls benutzte man jenen Gedenktag dazu, sich selber von ihm zu distanzieren und die Schuld an ihm einem nebelhaften Weltjudentum in die Schuhe zu

schieben.

Dr. Nahum Goldmann scheint freilich damals einige Gewissensbisse verspürt zu haben; denn in einer Ansprache bekannte er, daß er und andere Zionistenführer seinerzeit wohl Berichte aus dem Getto erhalten hätten, in denen rasche Hilfe angefordert wurde; doch hätten sie selber nicht darauf reagiert - angeblich, weil sie keine Möglichkeiten zur Hilfeleistung gesehen hatten. Etwas später griff Goldmann, anläßlich eines Vortrags in Tel Aviv, das peinliche Thema nochmals auf, beschuldigte jetzt aber das Weltjudentum schlechthin dem Versagens und nahm von diesem schweren Vorwurf lediglich die damals (1943) schon in Palästina ansässigen Juden aus. Diese Behauptung nun ging dem in Tel Aviv lebenden Publizisten David Flinker gegen Ehre und Gewissen: er setzte sich mit Dr. Goldmann in der "Neuen Jüdischen Zeitung" vom 19. April 1963 (S. 3) auseinander, wo er schrieb: "Auch unsere (palästinischen) Führer haben damals geschwiegen und die Massen nicht zu Demonstrationen vor dem Hause des Hohen Kommissars aufgerufen, genau so wie die Führer der amerikanischen Juden ihre Massen nicht aufriefen, vor dem Weißen Haus dasselbe zu tun!"

Das war im Frühjahr 1963. Seitdem ist der Antisemitismus in aller Welt, namentlich aber in den USA und in Kanada, in gefährlichem Wachstum begriffen; doch dieser Erscheinung gegenüber scheinen die zionistischen Führer mit Blindheit geschlagen zu sein. Wohl aber starren sie mit verbissener Wut und gehässigen Blicks weiterhin auf den erprobten Sündenbock, die BRD: sobald sich in Deutschland ein

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paar infantile Hakenkreuz-Schmierereien zeigen, stürzt sich die zionistische Presse haßerfüllt und drohend auf diese Belanglosigkeiten. So hielt es auch Dr. Nahum Goldmann nicht für unter seiner Würde, am 4. Dezember 1964 in Bonn eine Pressekonferenz abzuhalten, auf der er, mit Blick auf die besagten Kindereien, "von den Auswirkungen der gegenwärtigen Krise in den jüdisch-deutschen Beziehungen" sprach. So schob er die wirklich gewichtigen Probleme der Gegenwart auf ein Kleinbahn-Nebengeleis ab. Im übrigen war es auch überheblich, hierbei von jüdisch-deutschen Beziehungen, also im Namen des gesamten Weltjudentums zu sprechen, wozu ihm jegliche Legitimation fehlt; er hätte bestenfalls von "zionistisch-deutschen Beziehungen" sprechen dürfen. Er wähnt eben immer noch, eine jüdische Weltgroßmacht zu vertreten, obwohl er inzwischen zu einem israelischen Funktionär zusammengeschrumpft ist.

Am 18. April 1966 wurden in allen außerosteuropäischen Staaten Gedenkfeiern anläßlich des 23 Jahre zuvor stattgefundenen Aufstandes im Warschauer Getto abgehalten, so auch in New York. Der Präsident der Zionistenorganisation, Torczyner, vertrat bei der Gedenkfeier vor etwa 6 000 Zuhörern auf dem New Yorker Times Square die Ansicht, daß die Stärkung und die Wiedervereinigung Deutschlands die schrecklichsten Gefahren seien, denen sich die Welt gegenübersähe. Weiter sagte Torczyner: "Die Deutschen von heute sind die Deutschen von gestern." So weit, so gut. Wenn man bedenkt, daß der Präsident der USA-Zionistenorganisation dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation untergeordnet ist, muß man annehmen, daß seine politische Äußerung von seinem Vorgesetzten gebilligt wurde. Und bekanntlich ist der Präsident der Zionistischen Weltorganisation Dr. Nahum Goldmann, der in Bonn persona grata ist.

Unter den Juden, die im Dienste des Zionismus sich zu Schuld-Diktatoren aufgeworfen haben, wäre noch mancher Name zu nennen; doch verzichte ich hier darauf, weil ich diese Männer in anderen Abschnitten meines Buches zu Wort kommen lasse, und weil sie mit den drei prominenten Führern, die im Vorstehenden behandelt worden sind, sich an Bedeutung nicht messen können. Lediglich eines Mannes sei hier noch gedacht, weil er in seiner betonten Eigenwilligkeit - darin verwandt mit, aber auch diametral entgegengesetzt zu Ben Gurion - eine politische Färbung trug, die ihm in manchen Kreisen den Namen eines "jüdischen Hitlers" eingetragen hat. Ich denke hierbei an den vor einiger Zeit verstorbenen

Dr. Leo Baeck,

den Vorsitzenden des "Verbandes deutscher Rabbiner". Er pflegte

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sich selber als "zionistenfreundlich" zu bezeichnen, und er war es im Grunde auch wohl; doch haftete dieser seiner Freundlichkeit ein merkwürdig mephistophelischer Zug an. Er begrüßte ganz unverhohlen das Erstarken der NSDAP mit der Erklärung, daß die Ziele des

Judentums mit denen des Hitlertums identisch seien: eine ebenso gefährliche wie gefährdende Äußerung, deren Verantwortungslosigkeit die eindeutig scharfe Grenze zwischen den besagten beiden Weltanschauungen ins Undeutliche verwischte. (Daß auch Dr. Baeck, genau so wie Dr. Goldmann, sich darin gefiel, im Namen des Judentums zu sprechen, das ihm gar keinen Auftrag dazu erteilt hatte, sei nur am Rande vermerkt.)

Im Hinblick auf Baecks pronationalsozialistische Erklärung erscheint es verständlich, daß Lion Feuchtwanger und Arnold Zweig geschrieben haben:

"Nichts wäre sinnloser, als dem Faschismus der anderen einen jüdischen Faschismus entgegenzusetzen . . ." ("Die Aufgabe des Judentums", Pariser Verlag des Europäischen Merkur, 1933, Seite 41-42)

Heute macht sich kaum ein zionistisch-israelischer Geschichtsschreiber mehr klar - - oder wenn schon, dann verschweigt er es -, daß Dr. Baeck seine verblüffende Gleichsetzung etwa im gleichen Jahr nach dem Beginn des amerikanischen Weltboykotts gegen Deutschland äußerte und diesem damit genau so schadete wie das Haavara-Abkommen, das von Levi Eschkol und Genossen damals in Berlin manipuliert wurde - etwa zur gleichen Zeit, als der Kardinal-Sekretär Pacelli seine Note vom 14. Mai 1934 an die deutsche Reichsregierung richtete, in der es hieß: "Die Verabsolutierung des Rassegedankens und vor allem seine Proklamation als Religionsersatz ist ein Irrweg, dessen Unheilsfrüchte nicht auf sich warten lassen." - Mit diesen Worten nahm ein christlicher Kirchenfürst die jüdische Rasse in Schutz vor dem Rassenhochmut einer arischen Regierung; gleichzeitig aber stellten sich Zionisten und Zionistenfreunde ideell und finanziell auf die Seite dieser judenfeindlichen Regierung, um moralische und wirtschaftliche Geschäfte mit ihr zu machen - aus einer Wesensspaltung heraus, die der Psychiater als Schizophrenie bezeichnet; diese tritt offenbar nicht nur an Einzelkörpern, sondern auch an Volkskörpern in Erscheinung.

Als Dr. Baeck sich im Jahr 1933 anmaßte, im Namen des Judentums seine gefährliche Hitler-Parallele zu ziehen, hat er wohl kaum daran gedacht, daß zehn Jahre später ein neuer Begriff ins abendländische Geschichtsbild eingeführt werden würde: der Begriff der Kollektivschuld. Mit ihm ist unser geschichtliches Denken um eine wahrhaft barbarische Ideologie bereichert worden, und wenn Dr. Baeck

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damals wirklich im Namen des Judentums gesprochen hätte, dann müßte dieses heute mit dem Schimpf der Kollektivschuld an der jüdischen Nazifreundschaft belastet - und vor der Weltöffentlichkeit angeklagt werden, wie man das dem toten Papst Pius gegenüber so eindringlich getan hat und weiterhin tut. Doch gewisse Grenzen bleiben immer noch der Ironie des Schicksals gesetzt.

Hannah Arendt hat in ihrem Buch "Eichmann in Jerusalem" gelegentlich vom "Führer Baeck" gesprochen und mit diesem Anklang an Hitler den Zorn gewisser israelischer Heuchler herausgefordert. Dabei hat sie im Grunde eine durchaus richtige Charakteristik des Rabbiners gegeben; denn dieser hatte die Anschauungen und Methoden des Dritten Reiches ganz einfach aufs Feld des Zionismus verpflanzt: er hatte dem deutschen Antisemitismus den eigenen Antiarabismus zugesellt und damit erheblich zu den überaus grausamen israelischen Araber-Verfolgungen in Palästina beigetragen. Auch nach Dr. Baecks Tode blieb man am Jordan den von ihm empfohlenen Methoden der "Endlösung" treu: Enteignung, Austreibung und notfalls Liquidierung der im Land ansässigen Araber waren bis vor kurzem an der Tagesordnung und können jederzeit neu aufgenommen werden. Im günstigsten Falle herrscht heute zwischen den Israelis und den Arabern ein Verhältnis wie in den Südstaaten der USA zwischen den Weißen und den Schwarzen.

Am 8. März 1966 wurden wiederum vatikanische Dokumente veröffentlicht. Diesmal sind es Briefe, die zwischen dem Heiligen Stuhl und den deutschen Kardinälen gewechselt wurden. Einige dieser Briefe sind sogar von Pius XII. unterzeichnet. Man mag diese Dokumente lesen wie man will: auf normale Weise oder zwischen den Zeilen suchend - man wird nichts finden, was dem Vatikan, insbesondere Pius XII., abträglich wäre. Man findet auch nichts, was andeuten könnte, daß jemals ein katholischer Würdenträger seine Glaubensbrüder aufgefordert hätte, mit dem Naziregime zusammenzuarbeiten. Ebensowenig findet sich in den veröffentlichten Briefen irgendein Anhaltspunkt dafür, daß ein Kirchenfürst eine Geistesgemeinschaft zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus hätte anbahnen wollen.

Der aufmerksame Leser aber findet unter anderem ein Schreiben Pius' XII. vom 30. April 1943, adressiert an "seinen ehrwürdigen Bruder Konrad von Preysing" in Berlin:

"Es hat Uns, um ein naheliegendes Beispiel zu nehmen, getröstet, zu hören, daß die Katholiken, gerade auch die Berliner Katholiken, den sogenannten Nichtariern in ihrer Bedrängnis viel Liebe entgegengebracht haben."

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Im gleichen Brief heißt es:

"Für die katholischen Nichtariern wie auch für die Glaubensjuden hat der Heilige Stuhl getan, was nur in seinen Kräften stand, in seinen wirtschaftlichen und moralischen."

Und weiter wird die Tat des Monsignore Bernard Lichtenberg, der öffentlich für die in Not geratenen Juden betete, dafür ins Gefängnis kam und dort verstarb, lobend hervorgehoben.

Darüber hinaus erhielt der Vatikan 1943 schon mehrere Dankesschreiben einzelner Juden und jüdischer Organisationen für verfolgten Juden geleistete Hilfedienste.

Ich wäre glücklich zu erfahren, ob jemals ein Zionist sein Leben hergeben mußte, weil er Nichtjuden geholfen hat.

Traurig und beschämend ist es daher, wenn Glaubens- und ideologische Genossen des Rabbiners Baeck, der die Interessen des Judentums und die des Nationalsozialismus für identisch erklärte, den toten Papst und mit ihm die europäischen Christen überhaupt der Nazisympathie beschuldigen, was gleichbedeutend ist mit dem Vorwurf, an der Ermordung von Juden mitschuldig zu sein. Dr. Baeck, obwohl Rabbiner, richtete sich nicht nach dem Spruch Salomons 10, 19: "Bei der Menge der Worte fehlt Übertretung nicht; wer aber seine Lippen zurückhält, ist einsichtsvoll."

Möge Jehova den heutigen Piusanklägern die weise Einsicht schenken, die Lippen zu schließen, bevor sie noch mehr Unheil stiften!

Deutsche und jüdische "Kollektivschuld"

"Selbst wenn wir denen fluchen, die uns widerrechtlich kränken und uns Böses zufügen, ist dieser Fluch, Gott behüte!, keine Vorschrift der Religion, sondern dem Tun eines Gekränkten ähnlich, der dem eigenen Sohn oder Bruder flucht; allein ferne ist es von uns, ein Volk, selbst wenn ein Teil desselben uns Böses getan hat, im Ganzen zu verfluchen."

Rabbi Elieser Aschkenasi (1513-1586)

Die Anrechnung irgendwelcher Kollektivschuld - stets vonseiten des jeweiligen Siegers und nur dem Besiegten gegenüber gehandhabt - ist so alt wie die Geschichte der menschlichen Kriegsführung: seit den frühesten Zeiten des Altertums wird uns von dieser Methode der "Bestrafung" berichtet, und namentlich auch die Geschichte des jüdischen

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Volkes, dargestellt im Alten Testament, wimmelt nur so von Schilderungen, wie jüdische Stammesfürsten und Könige ihre besiegten Feinde mit der Kollektivschuld belasteten und deren Völker daraufhin ausrotteten: dies ereignete sich sogar mehrfach nach dem Austrag blutiger Fehden zwischen den einzelnen Stämmen des Volkes Israel, wobei der siegreiche Stamm stets im Namen seines Gottes eine tödliche Kollektivrache übte. Beispiele anzuführen erübrigt sich; jedem

Kenner des Alten Testaments sind sie bekannt.

Das nachchristliche Abendland verfuhr keineswegs milder oder gerechter: auch seine Geschichte ist reich an Grausamkeiten der Siegerwillkür: man "ging aufs Ganze" und rottete das Volk des unbequemen Feindes aus. (Die 5000 Sachsen, die Karl der Große bei Verden an der Aller abschlachten ließ, sind unvergessene Zeugen jener brutalen Methode!). Später aber, nach dem Ablauf des ersten nachchristlichen Jahrtausends, trat allmählich ein neues Moment in der abendländischen Kriegsführung auf: das Rittertum bemächtigte sich des Waffengangs, indem es den Zweikampf auf den Schild erhob und ihn verherrlichte: wie an den Kampf zwischen einzelnen Rittern legte man mit der Zeit den Maßstab der Ehre auch an den Kampf zwischen Stämmen, Gauen und Völkern; das Verlangen nach Racheübung oder Vergeltung trat zurück, und von Kollektivschuld ist in den Chroniken des Hohen Mittelalters nicht mehr die Rede. (Unberührt von dieser Entwicklung blieb wohl in einzelnen nordeuropäischen Bereichen die Handhabe der Sippenhaftung und im Mittelmeerraum das ungeschriebene Gesetz der Blutrache: diese beiden Sühnungsmethoden sind such heute noch anzutreffen, aber nur als Randerscheinungen zu werten.)

Vom Geiste dieser versöhnlichen Haltung, nicht nur dem Besiegten gegenüber, ist auch der Ausspruch des Rabbi Elieser Aschkenasi erfüllt, den ich diesem Abschnitt vorausgestellt habe: aus ihm schimmert das Morgenrot einer neuen Zeit, das auch die alte jüdische Weisheit in sein helles Licht bettete.

Bedeutsam ist, daß die ritterliche Kampfesweise auch dann noch gültig blieb, als das Rittertum dem Pulverkrieg mit ferntragenden Geschossen hatte weichen müssen: selbst der Dreißigjährige Krieg kannte die Kollektivschuld nicht; seine unmenschlichen Grausamkeiten entsprangen lediglich dem verwilderten Kampf Aller gegen Alle und entluden sich ohne höheres Gesetz, ohne irgend eine Vorstellung von Schuld und Sühne, einfach aus entmenschter Gier heraus. Und als habe die europäische Menschheit sich nach diesem schauerlichen Wüten auf ihre verlorene ritterliche Würde neu besonnen, nahmen die Kämpfe des 18. und auch noch des 19. Jahrhunderts den Charakter

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der sog. "Kabinettskriege" an: man schlug sich und vertrug sich wieder, ohne einem verderblichen Totalitäts-Anspruch nachzujagen. Man stelle sich nur vor, Friedrich der Große oder der Wiener Kongreß oder auch Bismarck hätte nach siegreich beendetem Krieg dem besiegten Gegner eine Kollektivschuld aufgebürdet oder nach Kollektivrache gedürstet: ein ganz unmöglicher Gedanke! Selbst noch im Versailler Friedensdiktat von 1919, so entwürdigend und unerträglich es für Deutschland war, fehlt der Begriff einer deutschen Kollektivschuld; man statuierte zwar die angebliche Alleinschuld Deutschland, und des deutschen Kaisers am Kriegsausbruch: doch diese Beschuldigungen zerbrachen schon nach wenigen Jahren - nicht nur, weil sie unbewiesen, auch weil sie unbeweisbar waren und durch die späteren Mitschuld-Eingeständnisse der Siegermächte entkräftet waren.

Wie konnte es nun geschehen, daß seit 1945 das Trauma der Kollektivschuld überm deutschen Volke hängt - auch heute noch, obwohl die Anklage vor dem Nürnberger Tribunal, Deutschland sei gesamtschuldig für die Taten des NS-Regimes, schon im Ersten Kriegsverbrecher-Prozeß widerlegt und fallen gelassen wurde? Es fällt mir schwer, und es schmerzt mich, als Jude erklären zu müssen, daß an der Aufrechterhaltung der deutschen Kollektivschuld-Legende viele Juden, vor allem der Weltzionismus israelischer Prägung interessiert und damit für sie hauptverantwortlich ist. Zu dieser schwerwiegenden Frage hilft kein Lippenspitzen; hier muß gepfiffen sein, bis dieses Tabu in sich zusammensinken wird! Oder wie wäre es sonst zu erklären, daß nach all den Friedensschlüssen der letzten tausend Jahre, denen die Kollektivschuld fremd war, dieser Begriff jetzt plötzlich weltbeherrschend geworden ist!? Nun, einfach darum, weil erstmals in der abendländischen Geschichte das Judentum in Gestalt des Zionismus zu einem, wenn auch kaum militärischen, so doch politischen Machtfaktor geworden ist. Um so schmerzlicher bleibt es für jeden auf Wahrheit und Gerechtigkeit bedachten heutigen Juden, sehen zu müssen, daß der Zionismus seinen Eintritt in die Geschichte nicht im hellen Geist einer brüderlichen Versöhnungsbereitschaft, sondern ins düsteren Schatten haßvoller Rachsucht vollzogen hat: war schon der große moralische Kredit, den die Welt dem jungen Staat Israel bereitwillig eingeräumt hatte, von diesem durch die grausamen Mißhandlungen des palästinischen Arabertums weitgehend verbraucht worden, so wurde und wird sein Rest jetzt auch noch durch die täglich erneuerten Schuld-Diktate an Deutschland leichtfertig verläppert! Ohne Zweifel hat das Dritte Reich sich schwerstens am Judentum versündigt; doch Gleiches mit Gleichem soll man nur im Guten oder Besseren vergelten, nicht aber im Bösen oder Böseren, und wenn

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die Racheübung verewigt wird, dann endet der Fluch ja niemals, der über der verquälten Menschheit lastet!

Der Präsident der amerikanischen Zionisten, Rabbiner Joachim Prinz, führte auf dem 5. "Jüdischen Weltkongreß" zum Thema "jüdisch-deutscher Dialog" laut "Basler Nachrichten" vom 7. August 1966, Seite 7 u. a. aus: ". . . daß Auschwitz und die 6 Millionen von den Deutschen ermordeten Juden bereits unauslöschlich zum jüdischen Geistesleben und zur jüdischen Geschichte gehörten, so daß der Jude nie vergessen dürfe und keinen Dialog mit Deutschen führen könne, die vergessen haben oder vergessen wollen."

Anmaßend ist schon, wenn Herr Prinz im Namen der amerikanischen Juden spricht, welche Legitimation fehlt. Außerdem ist es traurig genug, wenn ein Seelsorger Politik treibt, dazu noch Scheuklappenpolitik, die so unjüdisch, unrabbinisch ist und im Gegensatz zu den besten Vertretern unseres Volkes (s. Motto). Der Herr Prinz ist ein schlechter Politiker und bestimmt auch kein guter Rabbiner. Denn nach Denkungsart des haßerfüllten Predigers Prinz müßte man doch die Greueltaten, die Zionisten und Israelis den Arabern gegenüber begangen haben, "den Juden" als Kollektivschuld ankreiden. Wenn man so von Haß erfüllt ist wie Rabbiner Prinz und diesen Haß auf andere zu übertragen sucht, ist man auch nicht mehr imstande, logisch zu denken. Darüber hinaus macht sich der Rabbiner an dem Nichtzustandekommen der Völkerverbrüderung und Völkerfrieden mitschuldig. Versöhnung und Frieden haben wir Galuth-Juden am allermeisten nötig. So daß selbst ernannte Vertreter unseres Volkes, wie Herr Prinz, mit ihrer Tätigkeit dem Weltjudentum einen Bärendienst leisten.

Möge Jehova auch diesem sündigen Rabbiner Vernunft und Herzensgüte einflößen, daß auch er zu Vergessen und Vergeben gelange, zum Nutzen seiner eigenen Seele und zum Nutzen des jüdischen Volkes.

Zu den größten Propheten unseres Volkes gehört Jeremia. Zu ihm sprach Gott, der Herr: ". . . und ich will nicht mehr zornig blicken auf euch; denn ich bin gnädig und grolle nicht ewig!" (Jer. 3, 12). Dieses Gotteswort aber haben unsere heutigen Kollektivschuld-Ideologen ganz bewußt vergessen, ob es gleich für alle Zeiten gültig bleibt. Sie aber hören nicht auf, Rache zu predigen und den Haß zu verewigen.

Auch den christlichen Kirchen ist der Begriff der Kollektivschuld fremd und somit anstößig; namentlich die Katholische Kirche hat sich durch den Mund des Papstes Pius XII. mehrfach klar gegen ihn ausgesprochen. Schon vor dem Kriegsende sagte er (am 2. Juni 1944 vor dem Kardinals-Kollegium) ". . . daß heute wie in vergangenen Zeiten die

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Kriege schwerlich den Völkern als solchen zur Last gelegt und als Schuld angerechnet werden können." - In seinem Schreiben vom 15. August 1945 an die bayerischen Bischöfe erklärte er: ". . . daß es sachlich nicht richtig und der Wahrheit nicht entsprechend ist, wenn man der ganzen Nation zuschreibt, was die Partei begangen hat". - Ja, noch acht Jahre später, kam der Papst auf dieses Thema zurück, als er am 13. September 1953 in seiner Ansprache an die Mitglieder der Pax-Christi-Bewegung ausführte: ". . . daß die Völker als Ganzes nicht zur Verantwortung gezogen werden können! . . . man ziehe möglichst die Schuldigen zur Verantwortung, scheide jedoch gerecht und sauber zwischen ihnen und dem Volk als Ganzem!"

Natürlich legten die Pius-Gegner ihm auch diese Erklärung als Zeichen seiner "Nazi-Freundschaft" aus, obwohl er gerade hier besonders klar zwischen Volk und Regierung, zwischen Nation und Partei unterschieden hatte: doch was kümmerte das jene Fanatiker? Sie hatten von Hitler den zweischneidigen Begriff der "Gleichschaltung" übernommen, und nun schalteten sie gewissenlos gleich: sie machten den Papst stellvertretend für die Katholische Kirche haftbar und machten gleichzeitig die BRD stellvertretend fürs Dritte Reich haftbar, um von der eigenen großen Schuld abzulenken!

Die Entwicklung der Weltlage nach 1945 brachte es nun freilich mit sich, daß es auch der zionistischen Führung in Israel geboten schien, hin und wieder Toleranz an den Tag zu legen und sich damit als fortschrittlich zu drapieren: vor einigen Jahren lud man die beiden 19jährigen Araber Schonki Chatiw und Muhamed Abu-Deris aus den Dörfern Delir Channa und Eilut ein: sie könnten sich im ganzen Lande ebenso frei bewegen wie die Israelis selber! Die Beiden kamen denn auch, bummelten durch Tel Aviv und waren sprachlos ob der Pracht dieser Stadt. In der Allenby Street faszinierte sie eine Buchhandlung, und sie gingen hinein, zu ihrer Orientierung einen Stadtplan zu kaufen, worauf sie prompt von der Polizei als Spione verhaftet wurden. 1934, als Tel Aviv eine Bevölkerungszahl von siebzigtausend Juden hatte, waren es fünftausend Araber, heute zählt die Stadt etwa dreieinhalbmal so viele jüdische Einwohner, aber keinen einzigen Araber mehr. - Auch um die religiöse Toleranz der Israelis ist es schwach bestellt: im Februar 1963 sah sich das Oberhaupt der Katholischen Kirche Israels, der Bischof Pietro Tschipedo, gezwungen, eine offizielle Beschwerde beim israelischen Kultusminister, dem Dr. Wahrhaftig, zu erheben darüber, daß verschiedene katholische Institutionen im Lande an der Ausübung ihrer geistlichen Tätigkeit behindert würden.

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Nun gibt es ja überall in der Welt zwei Arten von Toleranz: die eine hilft den Tolerierten: die andere nützt den Toleranten und ist somit bei den Regierungen beliebter als die erstere. Für den Staat Israel gilt das in besonderem Maße; zum Beispiel übt er eine ganz erstaunliche Toleranz gegenüber den Nicht-Deutschen, die sich am Juden-Massenmord beteiligt haben. Während man den Deutschen aus jeder einzelnen Juden-Erschießung einen hochnotpeinlichen Strich zu drehen sucht, sind zahlreiche nichtdeutsche Verbrecher bis heute straffrei ausgegangen: sie bewegen sich noch immer frei in der "freien" Welt, obwohl ihre Anschriften genau bekannt sind, so daß sie jederzeit vor Gericht gestellt werden könnten, wenn Zion auch nur den geringsten Wert auf ihre Aburteilung legte! Ich phantasiere keineswegs: diese Verbrecher leben heute in Neuseeland, in Australien, in Kanada und in den USA, ja auch in der BRD! Einer der grimmigsten Massenmörder ist, zum Beispiel, der Litauer Paschkewitsch, der mit seiner Familie in Chikago lebt: mit ihm verglichen ist Adolf Eichmann ein Engel gewesen! Dieser Litauer wurde in absentia im Osten verurteilt, und seine Auslieferung wurde mehrmals, aber vergeblich verlangt. Wenn seine Nichtauslieferung an einen kommunistischen Staat noch halbwegs begreiflich ist, so bleibt dagegen völlig unverständlich, warum er nicht in den USA zur Verantwortung gezogen wird. - Noch unverständlicher ist, daß in der BRD nur Deutsche verurteilt werden, während Angehörige anderer Staaten, die - vielfach auf Kosten der deutschen Steuerzahler - in der BRD leben und schwere Verbrechen gegen Juden begangen haben, gänzlich unbehelligt bleiben. Einige von ihnen wurden im Osten verurteilt: ihre Anschriften dürften den deutschen Behörden bekannt sein. Ihrer etliche halten sich in Hannover, andere ein München auf; unter den letzteren kann sich frei bewegen und sogar politisch betätigen der ehemalige Führer der rumänischen "Eisernen Garde", Horia Sima. Auf sein Konto gehen die blutigen Ausschreitungen gegen die Juden vom 9. April 1935 in Bukarest und vor allem die Pogrome in Jassy und Bukarest, die in den Januartagen 1941 stattfanden; damals war er Stellvertreter des rumänischen Staatschefs Antonescu. Von diesem verlangte Hitler schließlich, daß Sima abgesetzt wurde, ehe er das ganze Land in Judenblut baden konnte! Und dieser Unmensch lebt heute auf bundesdeutschem Boden! Wenn die Zionisten Israels tatsächlich kein Interesse an der Bestrafung eines solchen Verbrechers haben, - warum machen ihm die zuständigen deutschen Behörden keinen Prozeß?

Ich sagte schon, daß der Vollzug von Kollektivstrafen uralt ist. Ebenso alt ist auch der Bannfluch, der vor Beginn des Kampfes über den Gegner verhängt wird, auf daß dieser mit der Hilfe der angeru-

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fenen Götter besiegt werde: die beiden Vollzüge sind sozusagen das Alpha und das Omega jedes Kampfes, bei dem es ums Ganze geht. Der Bannfluch heißt auf hebräisch Cherem; er hat seit grauer Vorzeit nicht nur als Gelübde, sondern auch als Strafandrohung seitens des jüdischen Volkes gewirkt und noch in jüngster Zeit, nach Hitlers Machtergreifung, seine altsakrale Rolle gespielt, weshalb er in diesem Zusammenhang erwähnt sein soll:

Im September 1933 verkündigte B. A. Mendelson, Oberrabbiner von New Jersey, in New York den Cherem gegen Deutschland; als Teil des Rituals wurden zwei schwarze Kerzenlichter angezündet, dazu drei Signale aus dem Schofar, einem Widderhorn, geblasen. Dann verlas der Rabbiner den Cherem: "Im Namen der Assembly of Hebrew Orthodox Rabbis of The United States and Canada und anderer Rabbiner-Vereinigungen nehmen wir als Führer Israels anläßlich unserer Jahresversammlung die Gelegenheit wahr, einen 'Cherem' über alles in Deutschland Hergestellte zu verhängen. Von heute an werden wir uns jeglichen Handels mit allem Rohmaterial aus Deutschland enthalten. Wir sind vorsichtig bei der Handhabe deutscher Waren usw. usw. Der Termin dieses Entschlusses läuft erst mit der Zurückziehung (!) des Hitlers-Regimes [sic] ab; dann wird der Cherem unsern Segen haben." ("New York Times", 7. September 1933.) - Da damals die Haavara-Verhandlungen in Berlin bereits auf vollen Touren liefen, hielt man es in New York für sinnreich, am 7. März 1934 nochmals einen feierlichen Cherem zu verhängen; das geschah im Madison Square Garden, dem größten Versammlungslokal der Stadt, wo auch Rabbi Stephan B. Wise und Rechtsanwalt Samuel Untermeyer, der Initiator des Deutschland-Boykotts, anwesend waren. Zweifellos eine gut gemeinte, feierliche Unternehmung . . .

Doch zurück zum Kollektivschuld-Thema. David Ben Gurion in Israel scheint nach 1948 weniger vom Schofar-Blasen, um so mehr aber vom Kasse-Fassen gehalten zu haben: ihm als einem finanzkundigen Staatsmann erschien die deutsche Kollektivschuld wohl vor allem als ein Wechsel auf die deutsche Bundesbank, sobald sich die Verhältnisse in der BRD stabilisiert hatten, und die deutsche Währungsreform durchgeführt worden war: zum Jahresende 1951 entschloß er sich, große Wiedergutrnachungs-Forderungen an Bonn zu stellen, und in der stürmischen Nachtsitzung vom 8. Januar 1952 ließ er sich von der Knesseth ermächtigen, Verhandlungen mit der Bonner Regierung über "Reparationszahlungen" aufzunehmen; einige Zeit später bezifferte er in Tel Aviv die israelischen Ansprüche an die BRD und an die deutsche Sowjetzone auf rund 6 Milliarden Deutsche Mark. Noch

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heute wie schon damals fragt sich jeder einsichtige Mensch: Ansprüche - worauf? Wiedergutmachungen - wofür??

Auch das Volk von Israel dürfte sich diese Frage gestellt haben. Der einfache Mann auf der Straße war sicherlich von Deutschlands Kollektivschuld ebenso fest wie naiv überzeugt; doch gerade darum wollte er mit den ihm verhaßten Deutschen überhaupt nichts zu tun haben, am allerwenigsten aber in der Form von Geldgeschäften; denn sein anständiges Gerechtigkeitsgefühl sagte ihm, daß deutsche Wiedergutmachungssummen ausschließlich an die vor 1948 Betroffenen, bezw. deren Hinterbliebene zu zahlen seien. Also kam es im Januar 1952, während Ben Gurion seiner Knesseth (d. h. vor allem seiner Mapai; denn die anderen Parteien stimmten dagegen oder enthielten sich der Stimme) die Ermächtigung zu Verhandlungen mit Deutschland abforderte, zu der für immer denkwürdigen Erscheinung, daß das Volk von Israel, hier Jerusalem, in leidenschaftlichen Demonstrationen gegen diesen "Kuhhandel" seiner Regierung protestierte: nur mit äußerster Anstrengung konnte die Polizei verhindern, daß die erbitterte Masse das Parlamentsgebäude stürmte, und als schließlich die Feuerwehr den Befehl erhielt, mit Wasserstrahlen gegen die Menge vorzugehen, verweigerte sie geschlossen den Gehorsam. Nur selten einmal ist sonstwo der tiefe Riß zwischen dem gesunden Volksempfinden und der labilen Mentalität der gewählten Volksvertretung so sichtbar geworden wie damals in Jerusalem.

Die Haltung des Volkes Israel gegen Deutschland war damals zwar einheitlich in der Ablehnung, doch uneinheitlich in der Form dieser Ablehnung: es gab auch fanatische Elemente, die in Einzelanschlägen ihrer Rache nachgingen: sie unternahmen Attentatsversuche auf den deutschen Vertreter Prof. Böhm in Den Haag und auf den Bundeskanzler Konrad Adenauer. Der letztere Anschlag, Ende März 1952 in München vereitelt, wurde zunächst als kommunistischer, bezw. nazistischer Herkunft bezeichnet, bis sein zionistischer Ursprung unwiderleglich festgestellt wurde; daraufhin verbot Adenauer der deutschen Presse, diese Tatsache zu verbreiten, weil solches dem Antisemitismus neuen Auftrieb gegeben hätte. Die Täter wurden niemals ermittelt: so blieb auch der Tod des deutschen Polizisten Karl Reichert, der dem hochgehenden Sprengstoff des Paketes erlag, juristisch ungesühnt.

Verwunderlich, aber charakteristisch ist die Tatsache, daß manche, auch heute noch in der BRD lebende Zionisten ihren Haß auf alles Deutsche offen aussprechen und gelegentlich auch betätigen: man fragt sich, warum diese Hetzer nicht nach Israel übersiedeln, wohin sie doch gehören!? Ihrer einige gründeten im Herbst 1960 in West-

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Berlin den "Bund der aktiven Altzionisten" dessen Aktivität sich eindeutig gegen Deutschland richtete, den Kollektivschuld-Gedanken mästete und die Atmosphäre zwischen Bonn und Jerusalem verpestete, dafür freilich auch von den israelischen Tageszeitungen lächerlich gemacht wurde. Derlei abtrünnige Figuren waren es auch, die den aufrechten, inzwischen verstorbenen ehemaligen Oberrabbiner Dr. Isaak Goldstein in Berlin mundtot machten und mit ihrem Haß bis ins Grab verfolgten, weil er es gewagt hatte, für Wahrheit und Gerechtigkeit zwischen seinem und dem deutschen Volk einzutreten, und sie verfolgen weiterhin jeden Gesinnungsgesnossen [sic] dieses charakterfesten Mannes. Nun kennt man freilich diese minderwertigen Typen genau - nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, wo der bekannte Publizist Schlomo Ben Israel in der jiddischen Zeitung "Vorwärts "(New York, 2. März 1960) einen Aufsatz veröffentlichte, dessen Schluß lautet: "Die (zionistischen) Juden, die sich heute wieder in Deutschland niederlassen, sind keine Ehre für das Weltjudentum: der größte Teil von ihnen ist Abfall, eine Müllkiste des jüdischen Volkes!"

Derartige Kennzeichnungen mögen klärend und somit reinigend wirken: doch bessern sie nur weniges an dem psychopathisch gespannten Verhältnis zwischen Israel und Deutschland, solange über letzterem weiterhin die schwarze Wolke der Kollektivschuld lastet, die zwar im Nürnberger Kriegsverbrecher-Hauptprozeß juristisch als nicht vorhanden erklärt worden ist, praktisch aber immer noch und stets von neuem über den deutschen Ländern und Menschen zusammengeballt wird. So hat auch der unglückliche Eichmann-Prozeß dem damaligen Ankläger, Generalstaatsanwalt Gideon Hausner, den traurigen Mut eingeblasen, noch einge [sic] Jahre später in der deutschsprachigen Zeitung "Jedioth Chadaschoth" (Tel Aviv, 4. September 1964) zu schreiben: "Das ganze deutsche Volk war für die Greueltaten verantwortlich. Die Kriegsverbrecher kamen aus allen Teilen Deutschlands." - Hausner ignoriert somit nicht nur das eben erwähnte Nürnberger Urteil von 1946; er wünscht nicht nur eine neue juristische Festlegung, sondern auch die Verewigung der deutschen Kollektivschuld, also ein nicht enden sollendes Weiterforschen und Verfolgen selbst noch des letzten Verdächtigen; seine Zusammenarbeit mit der "Ludwigsburger Zentrale" ist kaum zu bezweifeln. Wenn nun der Jurist Hausner es fertigbringt, die Schuld Einzelner einem ganzen Volk aufzubürden - und das für alle Zeiten -, dann müßte er auch damit einverstanden sein, daß die Verurteilung Christi dem ganzen jüdischen Volk angelastet wird - und das ebenfalls für alle Zeiten. Doch das steht auf einem andern Blatt.

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Schließlich gehört in dieses trübe Kapitel auch das Politikum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der BRD und Israel: eine Maßnahme, die für gewöhnlich reibungslos zwischen zwei Ländern sich abzuwickeln pflegt, in diesem Fall aber zu einer Zangengeburt wurde, bis endlich im Spätsommer 1965 der Austausch von Botschaftern vollzogen worden ist. Schon die Vorgeschichte dieser "Normalisierung" trug groteske Züge: in Israel wie auch in den USA wurde gegen den deutscherseits als Botschafter vorgesehen Dr. Pauls demonstriert - angeblich, weil auch er an Juden-Ermordungen beteiligt gewesen ist, was lächerlich genug völlig aus der Luft gegriffen war. Auch gegen den ungarndeutschen Legationsrat Dr. Alexander Török, der als Gehilfe von Dr. Pauls nach Jerusalem ging, wurde ein Fragebogenkrieg entfesselt - und warum? Natürlich darum, weil dieser noch junge Diplomat im Dritten Reich aufgewachsen ist und mit seiner ganzen Generation zwölf Jahre lang die Luft der NS-Staatsführung geatmet und sich womöglich - Gott soll schützen! - in irgendeiner Parteigliederung, vielleicht als Pimpf, aufs harmloseste betätigt hat!? - Was für einen Botschafter, was für Botschaftsräte aus Deutschland erwartet man sich eigentlich in Israel? Ideologisch aufmontierte Roboter? Oder chemisch gereinigte Heuchler? Oder Männer aus der Emigration von 1933/39? Vor derlei Restaurierungen hat bereits der große schweizer Kulturphilosoph Jacob Burckhardt in seinen 1868/69 dozierten "Weltgeschichtlichen Betrachtungen" gewarnt mit den Worten: "Wünschbar wäre, daß Emigranten nie oder wenigstens nicht mit Ersatzansprüchen zurückkehrten, das Erlittene als ihr Teil Erdenschicksal auf sich nähmen und ein Gesetz der Verjährung anerkennten." (Kröners Taschenausgabe, Band 55, S. 187.). Diese bald hundert Jahre alte Erkenntnis eines wahren Weisen widerspricht nun freilich Wort für Wort dem, was dem Zionismus als "wünschbar" vorschwebt und ihm seinen Mangel an Weisheit bescheinigt. Am liebsten würde er sich seine auswärtigen Botschafter in eigener Retorte zusammenbrauen und als Hampelmänner nach seiner Flöte tanzen lassen; doch diese "Do-it-yourself"-Methode hat sich im diplomatischen Dienst bisher leider noch nicht eingebürgert.

Nun hätte ja die BRD den israelischen Quertreibereien mit gleicher Methode heimzahlen können: etwa damit, daß sie deutscherseits Demonstrationen gegen den nominierten Botschafter Asher Ben Nathan veranlaßte oder doch duldete; doch davon ist mir nichts bekannt geworden. Dabei wären sie der Regel "Wie du mir, so ich dir" durchaus berechtigt gewesen mit der Fragestellung, warum der Staat Israel in der Person Nathans keinen eigentlichen Diplomaten, sondern ausgerechnet einen Militärfachmann auf den Posten nach

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Bonn zu entsenden gedenke!? Ob dieser Botschafter nebenbei auch seinen eigenen Militär-Attaché zu spielen gedenke?? Derlei Fragen wären vollkommen berechtigt gewesen; doch sie wurden nicht gestellt. Bonn akkreditierte den Militärfachmann aus Israel mit höflicher Geste, ohne irgendwelche unhöfliche Neugier sichtbar werden zu lassen.

Dabei ist jedem Einsichtigen klar, daß dieser Botschafter vor allem drei wesentliche Aufgaben in Bonn zu erfüllen hat: einmal gilt es, eine zionistisch-israelische Propagandawoge größter Höhe über Deutschland rollen zu lassen, die auch die DDR erfassen und damit die Hallstein-Doktrin entkräften soll. Zum andern gilt es, die bundesdeutschen Wirtschaftsströme über Israels bekanntlich dürren Boden befruchtend hinrieseln zu lassen. Zum dritten aber wird dieser Botschafter unablässig darauf bedacht sein, aus der BRD soviel Geld wie überhaupt nur möglich, und noch einiges darüber, für sein Land herauszupressen - suaviter in modo, fortiter in re, mit dem Römer zu sprechen, auf Deutsch also: es gilt, eine niemals enden sollende deutsche Finanzierungshilfe zu erwirken, die unter allerhand harmlos klingenden Tarnungsnamen laufen soll, in Wirklichkeit aber nur jene "Reparationszahlungen" darstellt, auf die Israel keinerlei rechtlichen Anspruch besitzt. Noch vor vollzogenem Botschafter-Austausch konnte man Eingeweihte in Tel Aviv flüstern hören, Bonn habe die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel mit dem Versprechen erkauft, nach Ablauf der Wiedergutmachungszahlungen weiterhin, und zwar ohne zeitliche Begrenzung, jährlich 75 Millionen Dollar, also 300 Millionen DM, ohne daran geknüpfte Bedingungen zu zahlen, wobei Bonn diese Zusage als Maximum, Israel sie dagegen als Minimum ansehe. So flüsterte man damals, wie gesagt. Bald wird man laut sprechen, und eines ferneren Tages wird man brüllen. Aber wenn erst einmal gebrüllt wird, pflegt schon "Purim" zu sein, wie der Jude sagt.

(Purim, Fest zur Erinnerung an die Errettung der persischen Juden durch Esther, die Gemahlin des Königs Achaschwerosch - Ahasver - Xerxes, etwa 480 vor Christus. Die Purimfeier nimmt mehr karnevalistische Formen an, insbesondere in Israel.)

Jedenfalls hängt die Wolke der Kollektivschuld weiterhin über Deutschland, und in ihrem düsteren Schatten werden vorerst noch Erpressungen an der deutschen Substanz vorgenommen, die das Tageslicht zu scheuen haben, selbst wenn sie sich moralisch und humanitär bemänteln. Asher Ben Nathan mag sich noch so sehr bemühen, wenn auch nicht als Freund des deutschen Volkes, so doch als korrekter Botschafter aufzutreten; man wird in ihm schließlich doch nur den Gerichtsvollzieher seiner Regierung sehen, der Pfändungsmarken auf

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deutsche Wertstücke klebt. Daß er auch jetzt schon gelegentlich die Maske der Konzilianz fallen läßt und eine unverblümt offene Sprache redet, beweist eine Meldung aus allerjüngster Zeit, die am 1. Dezember 1965 durch die westdeutsche Tagespresse ging. Weil sie gar so aufschlußreich ist, und weil man bei ihr nicht einmal zwischen den Zeilen zu lesen braucht, bringe ich sie wörtlich:

"Bonn (ap.) Eine umfangreiche Unterstützung erwartet Israel beim weiteren Aufbau seines jungen Staates. 'Israel ist ein Entwicklungsland, das noch über Jahre hinaus für seinen Wirtschaftsaufbau Kapitalzufluß braucht', erklärte der israelische Botschafter in der Bundesrepublik, Asher Ben-Nathan, am Dienstag, 30. XI. 1965, in einem Interview mit dem Parlamentarisch-Politischen Pressedienst (PPP). Die Wirtschaftshilfe, die Israel von der Bundesrepublik erwartet, könne 'in vielerlei möglichen Formen' erfolgen, sagte der Diplomat. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, erklärte der Botschafter ferner, es gebe Zusagen, die jetzt realisiert werden sollten. - Getrennt von der Wirtschaftshilfe muß nach Ansicht des Botschafters der Komplex der deutschen Wiedergutmachung gegenüber Israel behandelt werden. 'Ich meine, daß es eine Form der Wiedergutmachung gibt, die von deutscher Seite nicht zu Ende gehen darf', fügte der Botschafter hinzu. In diesem Sinne heiße Wiedergutmachung nicht immer nur Geld. Ich meine, daß Wiedergutmachung ein inneres Bedürfnis, eine grundsätzliche innere Haltung und eine Bereitschaft vor allem auch individueller Art sein soll und sein muß!' Die deutsche Antwort in der Wiedergutmachungsfrage könne daher nicht sein, daß man doch bereits Millionen gezahlt habe."

Soweit die Pressemeldung, in der das Wort "Wiedergutmachung" nicht weniger als fünfmal vorkommt im Hinblick auf "Millionen", wobei der Sprecher aber "Milliarden" gemeint, wenn auch nicht gesagt hat. Dieses wahrhaft klassische Interview - um nicht zu sagen: Befehlsausgabe! - ist im Ton einer arroganten Einschüchterung gehalten und auf die Mentalität des Bonner Bundestages, vor dessen Pressevertretern es stattfand, planmäßig zugeschnitten worden; man gewinnt den Eindruck, als habe der Botschafter sich vorgenommen, den Duckmäusern im Parlament einmal richtig "Bescheid zu stoßen" -! Es wäre freilich nicht das erste Mal, daß die zionistische Chuzpe in Unterschätzung ihrer Hörer genau das Gegenteil von dem erreichen könnte, was sie anstrebt!

Es ist ärgerlich und beschämend, wie humanitäre Prinzipien hinweggefegt werden. Summen, für solche bestimmt, die wirklich gelitten haben, werden durch schmutzige politische Machinationen zweckentfremdet. Jene, die im osteuropäischen Raum leben und das Glück

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hatten, der Vernichtungsindustrie des NS-Regimes zu entkommen, sind bis heute ohne einen Pfennig Entschädigung geblieben. Diese Juden sind in doppelter Hinsicht geschädigt. Denn einmal bekamen sie ihr früheres Vermögen von der Regierung nicht zurückerstattet, und zwar im Hinblick auf die kommunistische Staatsform, die ja überhaupt kaum Privateigentum kennt. Zum anderen erhielten sie von Bonn die versprochenen Wiedergutmachungshilfen nicht. Und warum? Ein offizieller Sprecher der bundesdeutschen Regierung in Bonn erklärte, man könne den Juden in Osteuropa keine Wiedergutmachungshilfe zugehen lassen, weil die Bundesrepublik mit den osteuropäischen Staaten keine diplomatischen Beziehungen unterhalte.

Ich weiß nicht, ob dieser Sprecher sich der Tragweite seiner Erklärung bewußt war. Denn die Bundesregierung Deutschlands hat ja viele Jahre hindurch an einen Staat Wiedergutmachungsgelder gezahlt, dem sie nach ihren eigenen Gesetzen keine Wiedergutmachung zahlen durfte. Darüber hinaus hatte Bonn mit dem Staat Israel keine diplomatischen Beziehungen.

Nach der heutigen politischen Konstellation wird es eine halbe Ewigkeit dauern, bis Bonn diplomatische Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten aufnehmen wird, so daß die dort lebenden Wiedergutmachungsberechtigten Juden eine Wiedergutmachungshilfe nicht erleben werden. Diese osteuropäischen Juden müssen das Verhalten der Bonner Regierung ihnen gegenüber als Diskriminierung empfinden.

Da Bonn nicht so finanzkräftig ist, außer Israel auch den osteuropäischen Juden Wiedergutmachung zu zahlen, haben sich wahrscheinlich die neunmalklugen Wiedergutmachungsexperten Bonns gesagt: Wenn wir an den Staat Israel zahlen, wird uns der Weltzionismus, wenn nicht dankbar sein, dann wenigstens uns nicht als Nazis beschimpfen. Die tagtäglichen Ereignisse auf dem politischen Sektor der deutsch-israelischen Beziehungen bewiesen, daß sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Auf die Dauer gesehen, wird es der Bundesregierung keinen Segen bringen, daß sie die osteuropäischen Juden so ungerecht behandelt.

Schließlich hat es sich vielleicht sogar im westdeutschen Bundestag mittlerweile herumgesprochen, daß die angebliche deutsche "Kollektivschuld" seit bald zwanzig Jahren als unhaltbar und juristisch nicht vorhanden festgestellt worden ist. Ihr steht nun aber die jüdische "Kollektivschuld" gegenüber, und zwar in zwei Erscheinungsformen: einmal in der uralten Frage der Schuld am Tode Christi, dann aber auch in der schweren Anklage aus allerjüngster Zeit, die von der arabischen Welt gegen die zionistischen Grausamkeiten, begangen

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an der arabischen Bevölkerung, erhoben wird. Mit dieser letzteren Frage werde ich mich in dem Kapitel "Israel und Arabien" befassen; im vorliegenden Abschnitt geht es nur um die seit Jahrhunderten erhobene Anklage des Mordes an Jesu Christo.

Dieses Thema ist fast unergründlich - nicht nur darum, weil seine Ursprünge in ferner Vergangenheit liegen, sondern auch wegen der unermeßlichen Ansammlung religiöser, kirchlicher, psychologischer, psychopathischer und politischer Momente, die wie Moose und Flechten, wie Algen und Muscheln den längst versunkenen historischen Schiffsrumpf überwuchert und verhüllt haben. Dabei ist zu bedenken, daß die Juden nach dem Jahr 70 christlicher Zeitrechnung, also seit dem Beginn ihrer Diaspora, sich zunächst frei und unbeschuldigt in die ihnen mehr oder weniger fremden Länder zerstreuen konnten; denn außer dem eigenen schlechten Gewissen, das manche von ihnen jedenfalls hegten, war vorerst kein Anklänger da, solange der christliche Glaube sich noch nicht übers Abendland verbreitet hatte: die Jahrhunderte der Völkerwanderung und des frühen Mittelalters waren den Juden keineswegs feindlich gesinnt. Sie waren als Händler, Agenten und Finanzmänner geschätzt, von stets geldbedürftigen Landesherren auch geschützt, vom einfachen Volk aber gleichmütig geduldet, solange sie sich nicht als Wucherer verhaßt machten. Das änderte sich freilich beim Anbruch der Kreuzzüge: jetzt fing das Abendland an, über die geschichtliche Rolle des Judentums nachzudenken, die Juden mißtrauischer zu beobachten, zu bedrohen und schließlich da zu verfolgen, wo man sie als Ausbeuter empfand. Aber auch jetzt noch hielten Fürsten und Kanzler die schützende Hand über ihre "Kammerknechte" (so nannten die "Kämmerer" ihre Finanzjuden), wogegen der Judenhaß aus dem einfachen Volk immer grimmiger emporwuchs. Während des ganzen 11. Jahrhunderts kam es in den westdeutschen Reichs- und Bürgerstädten zu grausamen Pogromen (um dieses russische Wort hier vorwegzunehmen) und Judenaustreibungen. Wo man sie weiterhin duldete, wurden sie auf die städtischen Gettos beschränkt, die anfangs freiwillig von ihnen selber errichtet worden waren; ihren bisher dominierenden Einfluß auf Handel und Gewerbe verloren sie an die jetzt aufkommenden, bewußt christlich eingestellten Gilden und Innungen, die keine "Hebräer" aufnahmen. Die grausamen Judenverfolgungen zogen sich - auch in Frankreich und anderen Kreuzzugsländern - bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts hin.

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Papsttum noch keine eindeutige Stellung für oder gegen das über die Welt zerstreute Judenvolk bezogen; den frühen kirchlichen Konzilen war der Begriff "Kollektiv-

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schuld" jedenfalls unbekannt gewesen. Inzwischen aber hatten die Kreuzzüge die Judenfrage als solche weithin sichtbar gemacht, und während der nächsten Jahrhunderte fraß der Antisemitismus in Form erbitterter Glaubensstreite sich durch ganz Europa gleich einem Steppenbrand weiter, vor allem im Bereich der Mittelmeerländer. Nachdem Papst Gregor IX. im Jahr 1232 die Dominikaner zu päpstlichen lnquisitoren bei den Ketzergerichten ernannt hatte, blieb es nicht aus, daß im Lauf der nächsten zwei Jahrhunderte die Juden dort, wo sie unbeliebt oder gar verhaßt waren, mit den christlichen Ketzern gleichgesetzt und verfolgt wurden. In dieser Tatsache waltet freilich eine blutige Ironie der Geschichte - insofern als die Juden ja ihrerseits die frühen Christen als eine ketzerische Sekte angesehen und als Abtrünnige verfolgt hatten; doch die Weltgeschichte hat sich immer wieder den grimmigen Scherz erlaubt, eines Tages den Spieß umzudrehen und die Verfolger zu Verfolgten zu stempeln.

Nicht alle Päpste waren Judengegner; ich konnte im I. Kapitel dieses Buches eine Reihe von ihnen anführen, die betont judenfreundlich gesinnt war, und einer, der zu Luthers Zeit auf Petri Stuhl saß, ist sogar als der größte christliche Philosemit bezeichnet worden. Doch die Entscheidung gegen das Judentum war bereits fünfzig Jahre früher gefallen: als während des 15. Jahrhunderts, namentlich auf der Baseler Kirchenversammlung von 1434, die Zwangsbekehrungen von Juden zu Christen den kirchlichen Stellen erneut zur Pflicht gemacht worden waren, sich aber als wenig nachhaltig erwiesen hatten, erwirkte im Jahr 1492 - just als Kolumbus die Gestade der Neuen Welt entdeckte - der vom Papst zum Großinquisitor gemachte Dominikaner Torquemada vom spanischen König Ferdinand V. das berüchtigte Dekret, wonach alle Juden, auch die zwangsgetauften, Spanien zu verlassen hätten: im August jenes denkwürdigen Jahres mußten mehr als 300 000 Juden aus der jahrhundertealten Wahlheimat ihrer Väter fliehen, unter Zurücklassung ihres gesamten Besitzes. Sie wandten sich nach Portugal, nach Italien oder in die Türkei, blieben aber arm und verachtet; auch war ihres Bleibens in jenen anderen Ländern nicht lange. Die sizilischen Juden, die bisher frei unter Sarazenen und Normannen gelebt hatten, wurden ein Jahr später (1493) von der Insel vertrieben; das gleiche Schicksal erlitten ihre Rassengenossen auch in anderen Mittelmeerländern.

Wir Juden müssen somit das Jahr 1500 als die große Schicksalswende in unserer abendländischen Diaspora bezeichnen: bisher war das Volk Israel geachtet, einflußreich und wohlhabend gewesen, hatte zudem auch, dank den Beziehungen seiner wirtschaftlichen Machtstellung, den Zusammenhalt zwischen seinen weithin zerstreuten Volks-

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teilen tätig zu wahren vermocht; jetzt aber war es aus seinen Wahlheimatländern vertrieben, unterdrückt, gehetzt worden, und was das Schlimmste war: nach dieser seiner zweiten totalen Entwurzelung wurde ihm jetzt von der christlichen Kirche das Anathema der Kollektivschuld aufgebürdet, und diesen Fluch vermochte es selbst dann noch nicht abzuschütteln, als es drei Jahrhunderte später im Zeichen der Emanzipation von 1800 in den meisten europäischen Staaten die bürgerliche Gleichberechtigung erhielt.

In meinem Buch "Schuld und Schicksal" habe ich, zumeist anhand meines eigenen Lebenslaufes, die Tragödie unseres Volkes zwischen Henkern und Heuchlern darzustellen versucht. Ich möchte mich hier weder wiederholen, noch als Moralprediger auftreten oder mir die Robe des Historikers verpassen; es ging und geht mir hier nur um die jüdische Kollektivschuld: wie sie erwuchs, und wie sie wirksam gewesen ist. - Das II. Vatikanische Konzil zu Rom, das am 8. Dezember 1965 feierlich abgeschlossen worden ist, hat - wie man zusammenfassend sagen darf - im liberalen Geiste eines zeitgemäßen kirchlichen Lebens verschiedene hochbedeutsame Entschließungen angenommen und sie als Schemata veröffentlicht, so auch in seiner Stellungnahme zur Frage der jüdischen Kollektivschuld, die im Sommer und Herbst 1965 die Gemüter des Kardinalskollegiums zeitweilig stark erhitzte. Es waren vor allem die Kardinäle aus den deutschsprachigen Bereichen des Katholizismus, die sich, oft sogar leidenschaftlich, für die Befreiung des jüdischen Volkes vom moralischen Bannfluch der Kollektivschuld an Jesu Kreuzestod einsetzten: sie betonten, daß dieser Kreuzestod nur der jüdischen Pharisäer-Partei, also einer kleinen Minderheit des Volkes, aufgebürdet werden dürfe und aufgebürdet bleiben müsse! Sie sprachen hiermit genau im Sinne des verstorbenen Papstes Pius XII., der in seinen Ansprachen von 1944, 1945 und 1953 immer wieder erklärt hatte, die deutsche Schuld an den Judenmorden dürfe nicht dem ganzen deutschen Volk, sie müsse vielmehr ausschließlich den Judenmördern aufgebürdet werden.

Diese Stellungnahme des angeblich "nazifreundlichen" Papstes wurden von seinen Nachfolgern Johannes XXIII. und Paul VI. durchaus geteilt und, was die Judenfrage betrifft, befürwortet und im Konzils-Schema festgelegt: das jüdische Volk ist damit vom Fluch der Kollektivschuld befreit worden. Zugegeben: es war kein einstimmig gewonnener vielmehr nur ein Teilsieg, den die jüdische Schuldlosigkeit hier gewann; denn zahlreiche Kardinäle hatten dagegen gestimmt oder sich der Stimme enthalten, daher denn auch das neue Juden-Schema nicht in gebührender Breite, vielmehr nur in einigen markan-

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ten Sätzen als verbindlich festgelegt worden ist. Aber es gilt jetzt und wird weiter gelten.

Das Weltjudentum darf und wird mit dieser Reinwaschung seiner Geschichte zufrieden und den einsichtsvollen Kardinälen, die sie vornahmen, dankbar sein. Ob freilich der fanatische Flügel des Zionismus den bedeutsamen Vorgang ebenso empfindet - diese Frage wage ich nicht zu beantworten. Wird auch er dankbar frohlocken? Oder wird er achselzuckend erklären: diese Rechtfertigung kommt reichlich spät!? Sicherlich wird es Starrköpfe in seinen Reihen geben, die es innerlich verwünschen, daß ihnen mit dieser Konzils-Entscheidung jetzt die eigenen Felle wegschwimmen - nämlich die Felle der deutschen Kollektivschuld, aus denen sie noch viel Kapital zu schlagen hofften. Vielleicht wird der eine und andere politische Gerber sogar erklären:

Wir Juden waren viele Jahrhunderte lang mit der Kollektivschuld beladen: warum sollen die verfluchten Deutschen jetzt schon nach zwanzig Jahren - pfeif' aufs Nürnberger Tribunal! - von der ihrigen freigesprochen werden!? Auge um Auge, Zahn um Zahn, Jahrhundert um Jahrhundert!! - Eine solche Ideologie der Unversöhnlichkeit würde, aus Mammonsicht und -sucht betrachtet, manchem israelischen Ultra einleuchten; sie hätte nur den einen Haken, daß die heutige Welt schneller lebt, als es frühere Jahrhunderte taten, und daß Gott Jehovas weitgespannte Zeitrechnung sich kaum noch auswirken kann im Atomzeitalter, das die ganze Menschheit mit jähem Untergang bedroht, wenn diese nicht vernünftig und friedlich wird. Angesichts solch makabrer Zukunftsaussichten haben langfristige Schuldwechsel kaum noch einen Börsenwert.

Nun verkörpert freilich die römisch-katholische Kirche keineswegs die gesamte Christenheit; doch ist anzunehmen, daß die evangelischen Kirchen sich dem römischen Vorgang der Juden-Entschuldigung in irgendwelchen Verlautbarungen anschließen werden. Und die griechisch-orthodoxe Kirche? Zwischen ihr und dem Heiligen Stuhl in Rom hat das II. Vatikanische Konzil eine säkulare Entspannung und Wiederannäherung zustande gebracht - insofern als beide Kirchen, nach vorangegangenen, wahrhaft "konzilianten" Verhandlungen, ihren uralten Streit beigelegt haben: am 7. Dezember 1965 wurden in zwei gleichzeitigen Veranstaltungen zu Rom und zu Konstantinopel die im Jahr 1054 gegeneinander losgelassenen Bannbullen für nichtig erklärt, und damit jene Dogmenkämpfe, die länger als 900 Jahre zwischen West- und Ostrom mit beiderseitiger Schärfe geführt worden waren, jetzt ihres aggressiven Charakters entkleidet - mit Aussicht auf ein künftiges Zusammenwirken im christlichen Geiste. Zwar hat die Orthodoxe Kirche Griechenlands gewisse Vorbehalte gegen

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die Bannfluch-Aufhebung der beiden Kirchen angemeldet, mit der Begründung, der ökumenische Patriarch von Konstantinopel sei nicht berechtigt gewesen, namens der gesamten Orthodoxie zu handeln, hätte sich vielmehr auf sein eigenes Patriarchat beschränken müssen; doch dürften diese Athener Vorbehalte wohl kaum zu einem Schisma führen, vielmehr eines Tages verstummen. - Zum Thema meines Buches bleibt die interessante Frage offen, wieweit die griechisch-orthodoxe Kirche sich künftig geneigt zeigen wird, auch in ihrem Bereich das Judentum von der Kollektivschuld am Tode Christi zu befreien.

Und die Zeugen Jehovas? Sie nannten sich einmal "Bibelforscher" und behaupteten es noch heute zu sein. Damit allein ist ja schon zugegeben, daß die Bibel noch zu erforschen ist. Die Führer dieser weltweiten religiösen Bewegung forschen auch wirklich nach allem, lediglich hinsichtlich der Passion Jesu sind sie starrköpfig. In den Reden und in den Schriften der Zeugen Jehovas wimmelt es geradezu von antijüdischen Zitaten, die weder vom theologischen noch vom geschichtlichen Standpunkt aus aufrechtzuerhalten sind. Pädagogisch-politisch aber könnte dies verheerend wirken; Beweise finden sich in der Vergangenheit. Fast alle diese antijüdischen Äußerungen und Zitate, die in den Schriften der Zeugen Jehovas zu lesen sind, standen auch im "Stürmer". Diese Tatsache allein müßte doch den Verantwortlichen bei den Zeugen Jehovas zu denken geben. Aber nein!

Ich zitiere:

". . . verwarf ihn (Jesus) die jüdische Nation als Ganzes . . ."

Aus dieser aus der Luft gegriffenen Behauptung wird für Zeit und Ewigkeit eine jüdische Kollektivschuld konstruiert und propagiert.

Nach dieser Logik müßte ich - wie dies leider viele tun - behaupten, daß an der Ermordung von Juden während des zweiten Weltkrieges die deutsche Nation als Ganzes schuldig war. Das würde heißen, einschließlich jener Tausende von Zeugen Jehovas deutscher Nation, die in den KZ schmachteten. Über dieses Thema sprach ich mit einigen mir bekannten Zeugen Jehovas deutscher Volkszugehörigrigkeit [sic], die mir auch bestätigten, daß eine solche Schlußfolgerung unhaltbar sei. So verfaßte ich ein ausführliches Schreiben, in dem ich nicht nur die erwähnte antijüdische Einstellung theologisch, geschichtlich und politisch ad absurdum führte, sondern auch bewies, daß einige unrichtige Bibelübersetzungen aus dem Hebräischen unfehlbar zu Begriffsverwirrungen führen müssen. Ich bat in diesem Schreiben auch, die in New York domizilierten führenden Zeugen Jehovas möchten die besondere Lage in Europa in Betracht ziehen und jene judenfeindlichen Stellen revidieren. Am 5. Oktober 1965 übergab ich

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den mir bekannten Zeugen Jehovas diesen Brief, mit dessen Inhalt sie einverstanden waren. Sie leiteten dann das Schreiben nach New York weiter. Am 10. Dezember erhielt ich von denselben Herren die Antwort aus New York, die in jeder Hinsicht unbefriedigend war. Auf keinen der Punkte in meinem Brief war eingegangen worden - für mich ein Beweis dafür, daß der Antwortende sich unsicher fühlte. Darüber hinaus wurde weder meine Anfrage noch die Antwort darauf in den Schriften der Zeugen Jehovas veröffentlicht, was der Gepflogenheit bei den Anhängern dieser Religion zuwiderläuft.

Möge Jehova seine Zeugen, die sich auch in geistiger Hinsicht die echten Israeliten nennen, eines Besseren belehren!

Möge er ihnen Einsicht und Erkenntnis schenken, damit sie sich die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils in bezug auf die Judenfrage als Beispiel dienen lassen!

Diese Beschlüsse sagen:

"Obgleich die jüdische Obrigkeit mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen hat, kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen . . . Die Kirche . . . verwirft . . . alle Haßausbrüche und Verfolgungen, alle Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben."

Mit Bestimmtheit aber glaube ich voraussagen zu dürfen, daß der Islam von der vatikanischen Entscheidung der Judenschuldfrage keine Notiz nehmen, geschweige denn eigene Folgerungen aus ihr ziehen wird. Dem Mohammedaner gilt Jesus Christus als einer der edelsten Propheten seiner Glaubenslehre, und er wird den Mord an diesem Heiligen stets dem jüdischen Gesamtvolk anlasten - um so mehr als er selber in den letzten Jahrzehnten unter der zionistischen Chuzpe derart schwer hat leiden müssen, daß er neben der uralten jetzt auch eine allerneueste Kollektivschuld des Judentums sich hat bilden sehen.

Ich komme, wie gesagt, auf dieses wahrhaft tragische Thema noch zurück.

Zur Verlängerung der "Verjährungsfrist"

Die Festlegung der Verjährung von Vergehen und Verbrechen zählt zu den strafrechtlichen Befugnissen jedes souveränen Staates. Im deutschen Sprachgebiet - vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz - ist diese Befugnis seit mindestens vierhundert Jahren gesetzlich verankert, wobei juristisch umstritten geblieben ist,

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ob das schwerste aller Verbrechen, der Mord, überhaupt unter die Verjährung fallen könne: doch diese Streitfrage ist in der doktrinären Luft der Theorien hängen geblieben. Der Verjährung sind bestimmte Fristen gesetzt die sich aus der Tatsache ergeben, daß dem Gedächtnis von Anwälten, Richtern und Zeugen zeitliche Grenzen der Zuverlässigkeit gesetzt sind, die eine Verlängerung ad infinitum sinnlos machen; also werden Vergehen zumeist nach Ablauf von fünf Jahren nicht weiter verfolgt. Für die Strafverfolgung von Verbrechen liegen die Verjährungsfristen zwischen zehn und zwanzig Jahren: nach Ablauf von zwanzig Jahren - gerechnet vom Tage seiner Begehung - ist somit jedes Verbrechen verjährt, auch der Mord. Da nicht nur im übrigen Europa, sondern auch im überseeischen Staatenbereich der weißen Rasse die Verjährung und ihre Befristungen ähnlich gehandhabt werden wie im deutschen Sprachbereich, so ist es auf diesem Gebiet bisher niemals zu zwischenvölkischen Streitigkeiten gekommen; mir wenigstens ist kein Fall bekannt, daß ein Staat die Verjährungsfristen eines anderen Staates angefochten hätte.

Es blieb dem Zionismus des Staates Israel vorbehalten, in diese jahrhundertealte Rechtsstruktur einzugreifen und für sich Sonderrechte zu fordern, die einer fremden Souveränität - in unserm Falle der bundesdeutschen - frech ins Gesicht schlugen und weiterhin schlagen. Woher nimmt sich der Staat Israel solche "Rechte"? Seit Jerusalems Zerstörung durch Titus hatte es kein jüdisches Recht und keine verbindliche jüdische Rechtsprechung mehr gegeben; denn überall in der Welt standen die Juden unter dem Fremdenrecht ihrer Gastländer, und bestenfalls über ihre eigenen Glaubensgenossen war ihnen zuweilen eine interne Jurisdiktion zugebilligt worden. Das änderte sich auch - grundsätzlich - im 19. Jahrhundert noch nicht, und erst als der junge Staat Israel im Jahr 1948 sein eigenes souveränes Recht zu setzen vermochte, konnte ein Teil des Judentums, wenn auch nur ein kleiner, vor der Welt wieder als Rechtsprecher auftreten, wobei sich seine - wie wir sahen, stark umstrittene und vielfach angefochtene - Rechtsgebahrung vor allem gegen Deutsch[l]and richtete - mit dem nicht einmal moralisch, bestimmt aber nicht juristisch begründbaren Vorwurf, die BRD sei als Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches verantwortlich, wenn nicht gar mitschuldig an den Juden-Ermordungen des Hitler-Regimes.

Zur Erhärtung dieses dubiosen Vorwurfs wurde nicht nur der Eichmann-Prozeß als Weltspektakulum aufgezogen, sondern gleichzeitig auch der Sturmangriff auf das deutsche Strafrecht eingeleitet zu dem Zweck, die Auschwitz-Prozesse (ich wähle der Kürze halber diesen Sammelbegriff) bis in alle Ewigkeit zu verlängern, damit den Kol-

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lektivschuld-Vorwurf bis ins Unabsehbare lebendig zu erhalten, vor allem aber den Geldzufluß aus der Wiedergutmachungsquelle am Versickern zu verhindern und ergiebig murmelnd weiter nach Israel strömen zu lassen. Zwar würden durch diese Geld- (und Waffen!-) Lieferungen die getöteten Juden nicht wieder zum Leben erweckt; auch würden deren Hinterbliebene dadurch um die ihnen zustehenden Entschädigungen geprellt; doch die israelische Staatskasse werde - so sagen sich die "Kronjuristen" in Jerusalem und Tel Aviv - dank diesen Zuflüssen auf lange Zeit saniert, und für ebenso lange Zeit bleibe Deutschland der weltöffentlichen Mißachtung ausgeliefert, das deutsche Volk aber in seinem Inneren moralisch und in seiner Selbstachtung zerrissen - einfach dadurch, daß man von außen her deutsche "Hiwis", Schnüffelnasen und Denunzianten, dazu deutsche Staatsanwälte und Richter stets von neuem beschäftige und damit gegen die gesunde deutsche Volksmeinung ausspiele, die endlich einmal den langst fällig gewordenen Schlußstrich gezogen zu sehen verlangt!

Die Regierungen der Weimarer Republik sind politisch daran gescheitert, daß sie in der Versailler "Erfüllungspolitik" stecken blieben; heute steht die BRD vor einem ganz ähnlichen Problem: ob sie ihre Justiz noch ins Aschgraue weiter in den Dienst offenkundig fremder Interessen zu stellen nachgiebig - sprich: verblendet! - genug ist!?

Ich wiederhole meine Frage: woher nimmt sich Israel den dreisten Mut zur Forderung derartiger Sonderrechte von einem fremden, souveränen Staat? Nun, Israel schöpft dieses angebliche Recht aus der biblischen Legende vom "auserwählten Volk Gottes" - einer Legende, in deren Namen und Aura während der frühen jüdischen Geschichte unzählige Verbrechen und Grausamkeiten an den feindlichen Nachbarvölkern verübt und wohlgefällig aufgezeichnet worden sind. Doch was damals in Jehovas Namen geschah, ist heute sogar als Legende schon verblaßt: derlei überhebliche Selbstgefälligkeiten "ziehen heute nicht mehr", wie man so sagt, und selbst fanatische Zionisten wagen heute kaum noch, mit dem "Auserwähltsein" ihres Volkes hausieren zu gehen, wenn sie nicht gerade Hausner heißen; nur im verschwiegenen Innern kultivieren sie die herzstärkende Legende beharrlich weiter. Freilich müßte ihr Verstand - von ihrem geschichtlichen Wissen wage ich nicht zu sprechen - ihnen sagen, daß jedes Volk, das etwas auf sich hält, seit jeher irgendeinen Nimbus der Einzigartigkeit seines eigenen Volkstums mit sich getragen hat und weiterhin mit sich trägt, auch wenn es nicht gerade ein Altes Testament als Beweisdokument vorzeigen kann.

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Frankreich hat sich durch Jahrhunderte hindurch als "la Grande Nation" angepriesen und Paris als den Mittelpunkt nicht nur der Kultur, sondern auch des Abendlandes schlechthin herausgestellt: kleinere europäische Völker haben in kleinerem Rahmen die gleiche Selbstverherrlichung getrieben. So war auch Adolf Hitler nicht schüchtern. Schon der Begriff des "Dritten Reiches" - einem geschichtsphilosophischen Werk von Arthur Moeller van den Bruck entlehnt - birgt einen hierarchischen Charakter, und die Herausstellung der Nordischen Rasse zum führenden Herrenvolk der weißen Menschheit entstammt der Übermenschen-Ideologie; schließlich verrät auch der Grundsatz "Recht ist, was dem Volke dient" eine Art von Volksvergottung. Es ließen sich noch mehr Beweisstücke bringen für den Glauben gewisser NS-Führer, ein "auserwähltes Volk" zu regieren; doch die drei durften genügen; denn gerade diese Thesen sind vom Judentum am schärfsten abgelehnt und vom Zionismus mit der größten Erbitterung bekämpft worden. Vielleicht hat er sie als unlautere Konkurrenz seiner eigenen Ansprüche empfunden!? Wie auch immer: Klugheit und Vernunft hätten dem israelischen Führungsstab raten müssen, nicht gerade mit der Ideologie, die man dem besiegten Gegner zum schlimmsten Vorwurf macht, in den deutschen Nachkriegsbereich vorzustoßen, auf die eigene Einzigartigkeit wenn nicht ausdrücklich, so doch tätlich zu pochen und bevorzugte Sonderrechte für sich zu verlangen, die kein Rechtsstaat jemals für sich gefordert hat.

Daß Israel mit seinem Anspruch, die BRD solle die einschlägigen Verjährungsfristen verlängern, staatsrechtlich schief liegt, weiß man in Jerusalem genau, und darum versucht man dort, Deutschland unter Druck zu setzen und mittels getarnter Erpressungen das zu erreichen, was man auf einer sauberen Rechtsgrundlage nicht erreichen kann. Als im Zuge des Eichmann-Prozesses die zunächst noch anonyme Forderung auf Verlängerung der Verjährungsfristen erhoben worden war, veranstalteten im Februar 1965 die Tübinger Wickert-Institute die von mir bereits berichtete Meinungsumfrage zum Thema "Deutsche Kollektivschuld und Fristverlängerung"; sie ergab, daß eine starke Mehrheit des deutschen Volkes sich für die baldige Beendigung der Verfolgung von NS-Taten (wenn auch -Untaten) aussprach. - Hier hatte das Volk im Sinne der echten Demokratie seine Stimme erhoben, was aber den Verlängerungs-Betreibern die angeblich die wahre Demokratie gepachtet haben, gar nicht in ihre Rechnung paßte, weshalb denn auch alsbald einige kümmerliche Demonstrantenzüge in New York, London und Tel Aviv auf die Straßen getrieben wurden, deren Gegenstimmen das deutsche Volk mundtot machen sollten. Hat

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doch noch allezeit die Demagogie einspringen müssen, wenn die Demokratie nicht wunschgemäß funktionierte -!

Wie nun jedoch - jeder Zeitungsmacher weiß es - ein einziger empörter Leser mit einem wütenden Beschwerdeschreiben mehr Eindruck auf die Redaktionen macht als tausend stillschweigende Abonnenten, so dürften auch jene kümmerlichen Auslandskundgebungen die in dieser Frage etwas knieschwache Bonner Regierung stärker beeindruckt haben als die Millionen schweigender Bundesbürger, die von ihrer Staatsführung und ihrem Parlament eine charaktervolle Haltung erwarteten - und sie nicht zu sehen bekamen; denn in Bonn begann man alsbald weich zu werden - ganz gegen das doch wahrzunehmende Interesse des eigenen Volkes. Man ließ zunächst durchblicken, daß man nicht nur die schon laufenden Kriegsverbrecher-Prozesse energisch weiterführen, sondern auch bisher noch verborgen lebende Kriegsverbrecher - sogenannte Auschwitzer - mit Hilfe der DDR und östlicher Nachbarländer erfassen und vor Gericht stellen werde; damit hatte man schon halb zugegeben, daß man wegen der geforderten Verjährungsfrist-Verlängerung wohl mit sich reden lasse. Was man aber seitens Bonn - vorsätzlich oder fahrlässig? - unterließ, war die Gegenforderung, daß nicht nur die deutschen, sondern auch die nichtdeutschen Judenverfolger zur Mitverantwortung gezogen werden sollten! Darüber hinaus hätte Bonn die durchaus berechtigte Forderung erheben sollen, ja müssen, daß auch die alliierten Kriegsverbrecher, die an Deutschland gefrevelt hatten, jetzt vor ihr Tribunal gestellt zu werden verdienten! - Gewiß, die Siegermächte würden diese Forderung - zwar nicht gerade hohnlächelnd, doch voll tierischen Ernstes abgelehnt haben; aber man würde sie doch einmal in der Weltöffentlichkeit vernommen und sich gesagt haben, daß Deutschland sich schließlich nicht alles bieten und sich zum alleinigen Sündenbock machen lasse! - Aber es erfolgte nichts Derartiges.

Solange die BRD sich in diesen Fragen auf die Verteidigung beschränken will, anstatt zum Gegenangriff auf die alliierten Verbrecher überzugehen, solange wird sie immer schmerzhafter an die Wand gedrückt werden. So sah sich denn auch der bundesdeutsche Botschafter in den USA, Herr Knappstein, anfangs 1965 in einer Aussprache mit dem Vorsitzenden jüdischer Organisationen in New York zu der Erklärung genötigt, das Ansehen der Bundesrepublik in der amerikanischen Öffentlichkeit werde geschädigt, wenn nach Ablauf der Verjährungsfrist noch Naziverbrecher straffrei ausgehen würden; dann werde "eine sehr schwierige Lage" entstehen; doch werde die Problematik der Fristverlängerung, selbst wenn die BRD sich zu einer solchen bereit fände, nicht aus der Welt geschafft. - Hier wäre nun

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eine Gelegenheit gewesen, anstatt des billigen "Einerseits-andererseist" [sic] einmal die Zweischneidigkeit des weltweiten Kriegsverbrechertums zur Sprache zu bringen; doch es geschah nicht. Wohl aber nahm sich im Verlauf jener Aussprache die Vereinigung der jüdischen Kriegsveteranen in den USA heraus, mit einem Boykott-Aufruf gegen deutsche Wareneinfuhren "zu drohen", für den Fall, daß die Verjährungsfrist nicht verlängert werde! - Zur gleichen Zeit meldete die Tagespresse daß auf einer öffentlichen Kundgebung in Moskau, am 29. Januar 1965, der Generalstaatsanwalt der Sowjetunion, Rudenko, gegen die BRD den Vorwurf erhoben habe, sie wolle durch ihr Verhalten in puncto der Verjährungsfrist für Mord offenbar "den Hitler-Verbrechern und anderen revanchistischen, bezw. militaristischen Elementen freie Hand lassen!"

So marschierten Zionisten und Sowjets in gemeinsamem Angriff auf die bisherige Verjährung gegen Deutschland ins politische Feld - einträchtig freilich nur in ihrer moralverbrämten Ideologie, nicht aber im Dienst ihrer Wirtschaften. Namentlich die Boykott-Androhung der jüdischen Veteranen in den USA ist vollkommen lächerlich; denn sie wird niemals verwirklicht, und wenn sie es würde, dürfte sich die Blamage von 1933 wiederholen: wie damals Untermeyers Boykottversuch am Haavara-Abkommen zerbrach, so würde jetzt - und zwar In ungleich größerem Umfang - ein neuer Versuch dieser Art an Israels Wirtschaftsinteressen zerbrechen; denn für diesen schwer kämpfenden Staat sind die Handelsbeziehungen mit der BRD heute mehr denn je eine Frage auf Leben und Tod: die Industriegüter, die Israel aus Westdeutschland bezieht, sind unersetzbar, während der deutsche Bundesbürger - mit oder ohne EWG - keineswegs auf die Grapefruits, Orangen und Eier mit dem Stempel "Made in Israel" angewiesen ist und sich leicht einmal von ihnen abwenden könnte, ohne deshalb erst groß einen Boykott inszenieren zu müssen. Das weiß heute jeder israelische Wirtschaftspolitiker.

Darum war man in Jerusalem auch darauf bedacht, die Fristverlängerung zunächst nicht direkt, also auf diplomatischem Wege von Deutschland zu fordern, sondern sich dafür druckkräftiger Hintermänner zu bedienen, nämlich der Gewerkschaften. Diese Organisationen sind ja schon seit längerem in allen hochindustrialisierten, neuerdings aber auch in den halbindustrialisierten Ländern, zu einem "Staat im Staate" herangeschwollen; sie verfügen - namentlich in den USA, in Westdeutschland und in England - über stärkere politische Druckmittel als die Volksvertretungen; denn diese setzen sich aus einander widerstrebenden Elementen (Parteien) zusammen, während die großen Gewerkschaften einheitliche Blöcke, noch dazu mit

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riesigen Geldmitteln, bilden. Kein Wunder also, daß diese Wuchtblöcke als Mauerbrecher in den politischen Kampf eingesetzt werden - genauer gesagt: sich selber einsetzen. Daß selbst kleinere Gewerkschaften sich in derartige Liebhaberrollen gedrängt fühlen, zeigt das Beispiel der New Yorker Textil-Gewerkschaft, deren Vorsitzender - er und der größte Teil seiner Mitglieder sind Juden - sich an den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wandte mit der Forderung, dieser möge sich dafür einsetzen, daß die BRD die begonnenen Waffenlieferungen an Israel auch in Zukunft fortsetze! So drücken heutzutage die Textilien auf die Karabiner; früher war es umgekehrt -!

Übrigens stellte damals das gleiche Ansinnen der israelische Gewerkschaftsbund, die "Histadruth", und zwar auch namens ihrer arabischen Mitglieder, die in Sondergewerkschaften zusammengeschlossen und in dieser Dachorganisation vertreten sind. Glaubt nun wirklich jemand, die in Israel lebenden und arbeitenden Araber könnten derart verblendet sein, daß sie aus freien Stücken der ihnen aufgezwungenen Ober-Gewerkschaft das Recht einräumten, die Einfuhr deutscher Waffen zu fordern, die doch nur gegen sie selber und gegen ihre in den Nachbarländern lebenden arabischen Brüder eines Tages losknallen werden!? So dumm sind die Araber nun wirklich nicht; sie sind in diesem Falle eben gar nicht gefragt worden, als die Histadruth in ihrem Namen - und mit ihren Mitgliedergeldern - jene Waffenlieferungen forderte und propagierte.

Diese Waffenlieferungen und die Verlängerung der Verjährungsfristen sind nun freilich nicht ein und dasselbe; doch sie stehen in einem ursächlichen und somit engeren Zusammenhang, als der arglose westdeutsche Zeitungsleser im Vernebelungsdunst offiziöser Verlautbarungen zu erkennen vermag. Sind doch jene Waffenlieferungen in dem New Yorker Geheimabkommen zwischen Adenauer und Ben Gurion im März 1960 ausgehandelt worden; um aber die Lieferungs-Apparatur für die Zukunft gut geölt zu erhalten, mußte das Schuldbewußtsein des Lieferanten tunlichst verewigt, und zu diesem Zweck die - staatsrechtlich unangreifbare - Verjährungsfrist gleich eines Gummischnur bis kurz vor den Zerreißpunkt gedehnt werden. Anders ausgedrückt: mit den Waffenlieferungen stottert West-Deutschland sein ihm aufgezwungenes Schuldbewußtsein ab, und mittels der Verjährungs-Gummischnur wird sein angeblich schlechtes Gewissen bei williger Zahlungsbereitschaft gehalten; die Zusammenhänge sind allen Auguren von heute eindeutig klar.

Diese Abmachungen und ihre Folgen bilden nun freilich nur Glieder jener Kette, mit der die Sieger von 1945 das niedergeworfene

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Deutschland gefesselt haben: als die neu errichtete BRD vor der Unterzeichnung des Staatsvertrages mit den Besatzungsmächten stand, wurde ihr von diesen der "wohlgemeinte Rat" erteilt, ein Wiedergutmachungs-Abkommen mit Israel zu schließen, wofür man ihr das Recht zugestand, im Namen von ganz Deutschland zu sprechen. Die Bundesregierung ging - angeblich notgedrungen, dabei aber stolz auf ihre "gesamtdeutsche" Rolle - auf den besagten wohlgemeinten Rat ein, obwohl es damals an weitblickenden Warnern nicht fehlte, und der Führer der SPD, Dr. Schumacher, dem Bundeskanzler bescheinigte, daß er als "Kanzler der Alliierten" amtiere; die Warnungen blieben in den Wind gesprochen, und als man eines Tages in Bonn erkennen mußte, daß die BRD keineswegs im Namen von ganz Deutschland zu sprechen, wohl aber im Namen von ganz Deutschland, einschließlich Österreich, zu zahlen habe, da war es zu spät. Konrad Adenauer hat sein ganzes langes Leben hindurch mit seinem klugen Köpfchen und als Greis mit dem großen Fundus seiner politischen Erfahrungen kokettiert: doch das hat ihn und "sein" West-Deutschland nicht davor bewahrt, in eine weltgeschichtliche Sackgasse hinein zu kutschieren. Heute müßte er wohl erkennen, daß die BRD mit jenem leidigen Israel-Abkommen das sicherlich schlechteste Geschäft seit ihrer Gründung gemacht hat; man darf gespannt darauf sein, ob, wieweit und wie schräg sich diese Erkenntnis in Adenauers jetzt erschienenen Lebenserinnerungen niedergeschlagen hat . . .

Doch zurück zu den Rollen heutiger Gewerkschaften: wie vorhin erwähnt, hat die New Yorker Textil-Gewerkschaft und mit ihr die israelische Histadruth den DGB dahin bedrängt, er solle die Weiterlieferung deutscher Waffen an Israel nachdrücklich befürworten. Das war und ist ihre Sache, auch wenn sie damit dem alten Grundsatz, daß die gewerkschaftlichen Aufgaben außerhalb der Tagespolitik zu suchen seien, einen Tritt versetzten. Höchst verwunderlich aber bleibt es, daß der DGB, genauer: sein Vorsitzender Ludwig Rosenberg, auf jene Forderungen nicht nur einging, sondern sie sogar zum eigenen Anliegen machte: bei seinem Besuch in Israel und ebenso ausdrücklich bei einer Feier im ehemaligen KZ Dachau sprach er in seiner Eigenschaft als Führer des Deutschen Gewerkschaftsbundes sich offen für weitere Waffenlieferungen an Israel aus. Er bewies damit zweifellos einem demokratischen Freimut, der wohl seiner inneren Überzeugung entsprach: doch ebenso zweifellos war sein Bekenntnis unklug und - diplomatisch ausgedrückt - mehr als unvorsichtig! Hätte er als Privatmann so gesprochen, dann würde man sich in Deutschland gedacht haben: na schön, warum nicht? Chacun son gout! Wenn

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Herr Rosenberg mit der israelischen Ideologie, vielleicht aus Verwandtschaftsgefühlen heraus, sympathisiert, so ist das seine Sache. Wie aber kommt er dazu, im Namen Hunderttausender von deutschen Gewerkschaftlern zu sprechen, ohne sie um ihre Meinung befragt zu haben. - weil er nämlich weiß, daß der sicherlich größte Teil von ihnen seine Meinung durchaus nicht teilt!? So aber hat sich der freimütige Demokrat zum Meinungsdiktator gemacht; er hat Stimmung und Stimmen seiner großen Gefolgschaft genau so vergewaltigt, wie die Histadruth die Stimmen ihrer arabischen Gefolgschaft mißbrauchte, als sie sich wegen der Waffenlieferungen mit Herrn Rosenberg anbiederte.

Es bleibt eben mehr als riskant, wenn unpolitisch-sozial organisierte Bünde sich in die Politik drängen und mengen und damit die Berufspolitiker verärgern. Dies ist Herrn Rosenberg nicht nur bei der bundesdeutschen Regierung und ihrem Parlament gelungen: er hat sich obendrein auch im westlichen Ausland spürbar unbeliebt gemacht. Offenbar hatte er sich eingebildet, dem Weltjudentum einen Dienst zu erweisen, wenn er dem israelischen Zionismus dabei half, sich mit Waffen zu versorgen: doch das war ein Trugschluß, der beweist, daß Herr Rosenberg sich zwischen den verschiedenen jüdischen Lagern nicht auskennt; sonst hätte er wissen müssen, daß sein Eintreten für den sozial-kommunistisch gefärbten Experimentierstaat Israel ihm sofort die Abneigung des bürgerlich denkenden Weltjudentums, vor allem der in den USA konzentrierten Hochfinanz, zuziehen würde - und jetzt zugezogen hat. Herr Rosenberg hat eben instinktlos gehandelt, als er sich zum Fürsprecher der Histadruth aufwarf; denn inzwischen haben die Drohungen der Arabischen Liga, die DDR diplomatisch anzuerkennen, wenn Israel weiterhin von der BRD aufgerüstet werde, quasi über Nacht bewirkt, daß Adenauers sinniges Geheimgeschäft mit Ben Gurion zu einem traurigen Erliegen gekommen ist: Westdeutschland liefert keine Waffen mehr an den Jordan! Auf Rosenberg aber, der selber Jude ist, richten sich jetzt die prüfenden Blicke aller Gewerkschaftsfunktionäre und Weltmanager mit der unausgesprochenen Frage: Quo vadis, Ludovice? Es wäre von vornherein besser, wenn Rosenberg stellvertretender Gewerkschaftsvorsitzender bliebe, anstatt Führer des DGB zu sein. - So werden die

meisten aller einsichtigen Juden urteilen, von den Urteilen einsichtiger Deutscher ganz zu schweigen. Der DGB aber ist dank den Seitensprüngen seines Vorsitzenden, der gern ein "Führer" sein wollte, in eine durchaus schiefe Lage gerückt worden, deren weitere Gestaltung bedenklich stimmt.

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Doch kehren wir aufs staatsrechtliche Kampffeld zurück, auf dem der Rammbock der Verlängerer gegen die Mauern der Fristverteidiger vorstößt. Mit der Hilfe williger deutscher Juristen haben die Angreifer sich während des letzten Jahres in die vielverschlungenen Komplexe des deutschen Strafrechts hineingewühlt, welches zwischen der Verjährung der Strafverfolgung und der Verjährung der Strafvollstreckung unterscheidet, und die Verlängerungsverfechter suchen aus jedem dieser beiden Gesetze für Zion und die angebliche Gerechtigkeit ein Optimum - das heißt aber: für die Weltbefriedung ein Pessimum - herauszuholen. In Deutschland verjährte bisher die Strafverfolgung von Verbrechen in zehn bis zwanzig Jahren: wenn die Verjährungsfrist jetzt um weitere Jahre verlängert, also hinausgeschoben wird, so bleibt den inner- und außerdeutschen Aufspürern noch nicht erfaßter Verbrecher, vor allem aber der Ludwigsburger Aufstöberungszentrale (wenn ich sie so populär bezeichnen darf) ein aussichtsreicher Spielraum für die Dingfestmachung immer neuer Beschuldigter und für ihre Überstellung an die westdeutschen Staatsanwaltschaften zwecks Anklage-Erhebung. Erfolgt auf diese hin eine Verurteilung, so ist es Sache der deutschen Richter, auf die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen auch in solchen Fällen bedacht zu bleiben, deren Verjährung inzwischen eintreten könnte, also durch periodische richterliche Untersuchungshandlungen die Verjährung zu "unterbrechen", wie der Fachausdruck lautet, und sie somit bis auf weiteres hinauszuschieben. Diese richterlichen Eingriffe gelten für die Strafverfolgung ebenso wie für die Strafvollstreckung, deren Verjährungsfristen damit theoretisch bis ins Unabsehbare verlängert werden können, sofern dem Rechtsprechungsapparat praktisch nicht vorher die Puste ausgeht.

Das Verlangen nach Sühnung jedes Verbrechens durch Bestrafung gehört zu den menschlichen Grundrechten und muß erfüllt werden - im Rahmen der Gerechtigkeit. Doch ist nun gerade bei den sog. "Auschwitzern" der Anklage-Tenor, soweit er aus jüdisch-zionistischen Kreisen an die deutschen Gerichte herangetragen wird, nicht gerade grundsätzlich, aber doch in den meisten Fällen überspitzt worden: so wie einige Juden ganz allgemein von den "deutschen Juden-Ermordungen" zu sprechen sich angewöhnt haben, so möchten gewisse zionistische Ultras am liebsten auch jeden Einzelfall als "Mord" verhandelt sehen, selbst wenn es sich um Totschlag, um fahrlässige Tötung oder gar um Mangel an Beweisen beim Angeklagten handelt. Es wäre nun aber verständlich, wenn jede derartige Überspitzung der von außen ans Gericht herangetragenen Beschuldigungen eine progressiv wachsende negative Reaktion beim Gericht auslöste; die Richter

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werden zwangsläufig müde und mißtrauisch - noch gar dann, wenn die Strafprozesse usque ad infinitum weiter rollen gleich einer Lawine, wenn die Senate und Kammern zu ihrer Bewältigung nicht mehr ausreichen und die Gefängnisse schließlich platzen - dann ist der Bogen der Rachsucht einfach überspannt, und eines Tages bricht er. Die deutsche Geschichte weist eine Parallele hierzu auf: beim Wetzlarer Kammergericht des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation hatten sich (obgleich man damals noch nicht daran dachte, Kriegs- und Menschlichkeits-Verbrecher vor die Schranken zu zitieren) im Lauf der Jahrhunderte derart viele unerledigte Prozesse angesammelt, daß sie den Untergang des alten Reiches (1806) in Gestalt riesiger Aktenberge überlebten und schließlich als Makulatur endeten. Soll den "Auschwitz"-Prozeßakten nun ein ähnliches Schicksal beschieden sein? Soll der tiefe Schmerz, der zehrende Kummer des Judentums um seine Opfer zwischen Aktendeckel eingesperrt bleiben und dort verstauben, anstatt durch Versöhnungsbereitschaft und ihre Betätigung auf beiden Seiten getilgt zu werden!?

Daß das deutsche Volk jetzt Schluß gemacht wissen will mit der Kollektivbeschuldigung und mit den Fristverlängerungen, habe ich an einem Befragungsbeispiel aufgezeigt. Daß diese Volksstimmung aber eine ganz allgemeine ist und in allen Schichten der Bevölkerung stark vorherrscht, würde sofort aktenkundig werden, wenn die Bundesregierung sich entschließen könnte, eine generelle Volksbefragung zwecks Herbeiführung eines Volksentscheids, der laut Grundgesetz zugelassen ist, zu veranstalten; doch scheut man in Bonn vor diesem Schritt zurück, weil er einen Präzedenzfall schaffen und weitere Volksentscheide zu innerpolitischen Fragen (wie sie z. B. in der Schweiz üblich sind) auslösen könnte, die für die bundesdeutsche Regierung recht gefährliche und somit unerwünschte Folgen zeitigen dürften. Nun ist zwar die Angst vor dem Lautwerden der Volksstimme überall in der Welt ein Zeichen fürs schlechte Gewissen der Regierenden, und nur überlegen denkende Staatsmänner - wie der zitierte David Ben Gurion - haben sich dahin ausgesprochen, daß die Angst aus dem Vokabular der Regierungen getilgt werden müsse, wenn gut regiert werden solle! Gerade in unserem Falle vermöchte eine allgemeine Volksbefragung sofort eindeutige Klarheit zu schaffen und mit ihrem Lichte den Weg in eine saubere politische Zukunft zu erhellen. Die Möglichkeiten dazu sind, wie gesagt, grundgesetzlich gegeben, und die Regierung der BRD täte, meines Erachtens, besser, sic zu nutzen, anstatt das Grundgesetz durch die geplante, ganz überflüssige Notstandsgesetzgebung zu vergewaltigen.

Zunächst hat nun das Jahr 1965 den Fristverlängerungs-Verfech-

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tern einen Teilsieg gebracht, bei dem aber noch nicht feststeht, ob die Angreifer sich mit ihm zufrieden geben werden: am 25. März 1965 hat der Bundestag, einem Vorschlag des ehemaligen Bundeskanzlers Adenauer entsprechend, den Termin des "Verjährungs"-Beginns auf den 1. Januar 1950 festgesetzt, also vom gesetzlichen Zeitpunkt des 8. Mai 1945 um 4 Jahre und knapp 8 Monate hinausgeschoben. Diese Verlegenheitslösung ist wahrhaft grotesk: sie bedeutet, staatsrechtlich betrachtet, eine krasse Beugung, ja Vergewaltigung des deutschen Strafgesetzes, die der damals amtierende Bundesjustizminister Dr. Bucher (FDP) nicht zu verantworten vermochte, weshalb er noch am gleichen Tage seinen Rücktritt erklärte. Den "Siegern" aber bringt sie nur einen Bagatellgewinn an Zeit: sie hatten mit einer weitaus größeren Zeitspanne gerechnet und obendrein gehofft, daß der juristische Begriff des "Mordes" aus der Befristung überhaupt herausgenommen, also für unverjährbar erklärt werden würde. In diesen beiden Punkten ist ihr Rachebedürfnis unbefriedigt geblieben und es bleibt abzuwarten, ob sie zu einem neuen Sturmangriff ansetzen werden, um diese, in ihren Augen völlig unzulängliche, Regelung auch wieder aus den Angeln zu heben . . .

Jetzt geht es um die praktischen Auswirkungen dieser "Verlängerung", Bundestag und Bundesregierung sind ja keineswegs identisch mit den Verwaltungs- und Justizbehörden der deutschen Bundesländer: zwischen Bund und Ländern bestehen sogar ausgesprochene Gegensätze, - von den unausgesprochenen ganz zu schweigen. Das mag jetzt auch mitsprechen bei der Behandlung der Verjährungsfrist-Verlängerung. So ging unterm 8. Dezember 1965 eine Verlautbarung des Bayerischen Justizministeriums durch die bayerische Tagespresse mit der Schlagzeile: "Immer noch NS-Verbrechen"; die beiden Wörter "immer noch" bergen einen verschluckten Stoßseufzer. Der Text darunter lautet: "Mit der Verlängerung der Verjährungsfristen für Mordtaten (!) aus der NS-Zeit um vier Jahre wird auch in Bayern die Ermittlungstätigkeit gegen nationalsozialistische Verbrechen verstärkt fortgesetzt. Bei den bayerischen Staatsanwaltschaften sind gegenwärtig 32 Staatsanwälte zum Teil ganz, zum Teil in einem erheblichen Umfang mit solchen Verfahren befaßt. Zur Zeit sind 160 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen 869 Beschuldigte anhängig. Bei den Gerichten sind 13 Verfahren gegen 22 Angeklagte im Gange." - Das genügt, und der verschwiegene Stoßseufzer des Referenten ist mehr als begreiflich.

Inzwischen ist eine sehr wichtige Vorentscheidung gefallen, nämlich: In Jerusalem hat das Israelische Parlament in der zweiten Februarwoche 1966 ein Gesetz über die Abschaffung der Verjährung

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für Verbrechen gegen die Menschlichkeit einstimmig verabschiedet. Dieses Gesetz richtet sich eindeutig gegen die BRD. Denn wenn in Westdeutschland die verlängerte Verjährungsfrist für Naziverbrechen herannaht, dann wird der obige Knesseth-Beschluß als Druckmittel angewendet werden, auch den Deutschen Bundestag so weit zu bringen, dasselbe zu tun.

Im Grunde bleibt es freilich nebensächlich, wie, wo und wie lange sich noch die Verfolgungen und die Vollstreckungen weiterspinnen werden: denn hier verblaßt und verdämmert die Praxis hinter der Theorie, sprich Ideologie eines angemaßten Afterrechtes ausländischer Herkunft. Ob dieser Einbruch ins deutsche Rechtsgefüge wirklich zu Israels Gunsten geschah - auf diese Frage wird die Zukunft antworten. Rechtlich wird bei dem zionistischen Überfall so gut wie nichts herauskommen und wirtschaftlich nur wenig; denn die BRD wird - allem gebieterischen Zureden des Herrn Asher Ben-Nathan zum Trotze - es bald müde werden, immer weiter in die Tasche zu greifen und zu blechen für Untaten, an denen sie selber unschuldig ist, auch wenn sie sich in einer schwachen Stunde hat breitschlagen lassen, für jene Untaten zu haften. Sind doch alle Verträge zeitbedingt und werden altersschwach wie die Menschen, die sie geschlossen und besiegelt haben da hilft auch Gott Jehovas Stirnrunzeln heute nichts mehr. Schon daß die große Erpressung an sich dem Staat Israel gelungen ist, hat ihn in den Augen der Welt moralisch zum Jobber (Jobber - selbständiger Börsenhändler) abgewertet, und die Schlußbilanz seines westdeutschen Geschäftes wird ihn vollends enttäuschen.

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Wir unterstellen uns dem Schutz von Artikel 19 der Erklärung der Menschenrechte, der bestimmt:
ARTIKEL 19 der Menschenrechte: <Jederman hat das Recht auf Freiheit der Meinung und der Meinungsäußerung; dieses Recht umfaßt die unbehinderte Meinungsfreiheit und die Freiheit, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut durch Mittel jeder Art sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.>Vereinigten Nationen, 10 Dezember 1948

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