In der Post: eine Broschüre. Darauf prangt, in großen Buchstaben auf rotem Grund, die Frage: "Starben wirklich sechs Millionen?" und darüber, in der Art einer Signatur, "Historical Fact Nr. 1".
Äußerlich aufwendig und mit Bedacht gestaltet, bietet das Heft auf 36 Seiten Großformat einen sehr dicht gedruckten Text. Auf der Rückseite ist zu erfahren, daß diese Arbeit vor der Übersetzung ins Französische in England durch eine "Historical Review Press" mit Sitz in Richmond/Surrey gedruckt wurde und einen Schriftsteller namens Richard E. Harwood, einen "Spezialisten politischer und diplomatischer Aspekte des Zweiten Weltkrieges", der "gegenwärtig an der Londoner Universität arbeitet", zum Autor hat.
Sehr bald stellt sich heraus, daß diese Broschüre an einen sehr großen Personenkreis verteilt wurde -- und sicher kostenlos --, vor allem an Journalisten und Schriftsteller, deren Namen und Anschriften man sich offenbar aus verschiedenen Adreßbüchern beschafft hat. Zweifellos ist sie auch an andere Kategorien von Empfängern geliefert worden.
"Starben wirklich sechs Millionen?"; sechs Millionen Tote: die Zahl ist bekannt. Man errät sogleich, um welche Toten es sich handelt: um die sechs Millionen Juden, um die Opfer des von den Nazis begangenen Völkermords. Gleichwohl versteht man noch nicht sofort. Wer wagt zu unterstellen, diese sechs Millionen Opfer seien nicht "wirklich" tot? Nein, in der Tat, das wäre ungeheuerlich ...
Aber ja doch! Das Heft verfolgt einzig das Ziel, "zu beweisen", daß die Nazis zwischen 1939 und 1945 keineswegs sechs Millionen Juden vernichtet haben, sondern h"chstens "einige tausend". Auch sind diese nicht massakriert, erschossen, geköpft, vergast, verbrannt, ermordet worden: sie wurden, größtenteils, Opfer des Typhus' oder anderer Krankheiten, die in Deutschland in den letzten Monaten des Krieges wüteten; auch sind sie wohl vom Hunger dezimiert worden. Epidemien, Hungersnot, für die einzig und allein die Alliierten verantwortlich sind, die Deutschland im Bombenhagel begruben.
Ohne diese irre "Demonstration" im einzelnen analysieren zu wollen, eine Zusammenfassung: Im Jahr 1933 haben die Juden Hitler "den Krieg erklärt". Dieser hat sich gegen einen Feind im Inneren verteidigen müssen. Er hat zunächst die Auswanderung der Juden in die Vereinigten Staaten und in neutrale Länder derart "ermuntert", daß es 1939 in Deutschland, Österreich und in den alsbald von der deutschen Armee besetzten Ländern Europas noch höchstens drei Millionen Juden gab, an Stelle von neun Millionen zehn Jahre zuvor. Wie hätte man unter diesen Bedingungen sechs Millionen umbringen können? Zudem sie 1948 noch zahlreicher waren als 1939.
Hitler versuchte also, liest man sinngemäß, für sie eine nationale Heimstätte zu finden, sie dort "unterzubringen". Er hat an Palästina gedacht, aber die Engländer stellten sich dagegen; später verhinderte der Krieg die weitere Realisierung dieses Vorhabens. Er hat 1940 auch an Madagaskar gedacht, aber Frankreich, das besiegte und besetzte Frankreich, hat nichts davon hören wollen. Schließlich entschied er, die Juden an den Kriegsanstrengungen der Deutschen "zu beteiligen", indem er sie in den Osten brachte, in die besetzten Gebiete Polens, Rumäniens und der Tschechoslowakei.
Es sind daher die Konzentrationslager des Ostens, der Transport der Juden nach Osten, der "Endlösung" der Judenfrage genannt wurde. Diese Lager waren nichts anderes, als wohlorganisierte und gut geführte Produktionszentren. Man wurde hier gezwungen, zu arbeiten, das ist richtig, aber man wurde gut behandelt, gut ernährt, medizinisch versorgt -- mit einigen Ausnahmen gegen Kriegsende vielleicht. In keinem von ihnen waren jemals "Gaskammern", noch wirkliche Krematoriumsöfen vorhanden. All diese frei erfundenen Berichte, die gefälschten Fotos, all die Bücher und Filme, die diese Lager als Orte der Vernichtung, der Folter und des Todes vorführen, verbreiten Lügen und Verleumdungen.
Der Beweis: er mengt das Internationale Rote Kreuz, die Zürcher Zeitschrift Die Tat vom 19.1.1955 usw. in einen Wust von Zitaten, auf daß sich keiner mehr zurechtfinde. Heraus kommt, daß "300.000 Menschen zwischen 1939 und 1945 als Opfer politischer, rassischer oder religiöser Verfolgung in den Gefängnissen und Konzentrationslagern starben". Aber "nicht alle Opfer waren Juden". Auf diese Weise gelangt man, fügt die Broschüre hinzu, zur "genauest möglichen Schätzung".
Dieses Vorgehen scheint Methode zu haben. Man wirft mit Zahlen nur so um sich, stützt sich auf Zitate bekannter wie unbekannter, kaum auszumachender oder imaginärer Autoren. Dieser These widersprechende Zeugnisse werden abgeblockt: entsprechend sind alle Geständnisse der Nazis diesen nach der Niederlage des "Reichs" durch systematische Folterung seitens der Alliierten abgepreßt worden. Man stößt auf eine Fülle beeindruckender Gutachten, die offensichtlich nicht überprüfbar sind, oder, falls man versucht, sich eines davon näher anzusehen, sich als, ausnahmsweise vielleicht, grob verfälschend erweisen. Die Dialektik besteht, ganz im Stil klassischer Propaganda, darin, die Behauptungen, je unwahscheinlicher sie sind, um so entschiedener vorzutragen, um sodann zur Täuschung eine winzige Einzelheit hinzuzugeben, die dann das Unglaubwürdige belegen soll.
Ein Beispiel: die Broschüre bezieht sich auf den "bedeutenden amerikanischen Historiker Harry Elmer Barnes" (?), der im Rampart Journal (??) irgendwann im Sommer 1967 sinngemäß -- gleichwohl wird in Anführungszeichen "zitiert" -- geschrieben haben soll, daß es in den "Todeslagern" keine systematische Vernichtung gegeben habe." Zweifelt noch jemand? Ein klein wenig weiter folgendes: "Berta Shirotschin (???) arbeitete während der gesamten Kriegszeit in der Verpflegungsabteilung des Lagers Dachau; sie erklärte, daß die Gefangenen ungeachtet der wachsenden Knappheit in Deutschland bis Anfang 1945 ihr zweites Frühstück jeden Morgen um 10 Uhr ordnungsgemäß bekommen hätten." Ja, sie haben richtig gelesen: ihr zweites Frühstück, jeden Morgen.Das alles erscheint derartig stupide, fantastisch, so ungeheuerlich dumm wie ehrlos, daß man die Schwarte wegwerfen und sich übergeben möchte; um niemals mehr daran zu denken. Und doch, es wäre falsch!
Man möchte in der Tat glauben, daß derartig unerhörte Behauptungen nur von Lesern, die der Rassenhaß geblendet hat, die so einfältig sind, auch die gröbsten Gaukeleien noch zu konsumieren, ernst genommen werden können. Aber so wie es aufgemacht und redigiert ist, könnte das Heft auf Unwissende, auf regelrechte Idioten gewiß, durchaus Eindruck machen. Alles in allem ist die Kundschaft der Scharlatane, der Verk,ufer von Wundermitteln und der Schurken aller Art in diesem Jahrhundert der Aufkl,rung doch so groß, daß man in bezug auf die Leichtgläubigkeit und das kritische Urteilsvermögen unserer Zeitgenossen zumindest skeptisch sein sollte.
Vor allem aber besteht das Risiko, daß derartige "Dokumente" bei jungen Lesern in dem Maxe ein Publikum finden, als diese geneigt sind - und diese Neigung ist groß, das ist normal --, gewissermaßen natürlicherweise alle offizielle Geschichtsschreibung, so wie sie ihnen gelehrt wird, in Zweifel zu ziehen und genau das Gegenteil der Ideen zu vertreten, die man ihnen vermittelt hat, die man sie als gültige Wahrheit annehmen ließ. Lügt nur drauflos, es wird immer etwas hängenbleiben....
Zweiunddreißig Jahre sind vergangen. Familienväter, die, als die auf deutschen Boden vorrückenden alliierten Armeen die Schrecken der Deportationen und der Vernichtungslager aufdeckten, noch nicht geboren waren, haben heute Kinder von acht, zehn, zwölf Jahren. Wenn diese Kinder eine solches Heft in die Hand bekämen, ohne daß ihre Eltern in der Lage wären, die Tatsachen sofort wieder klarzustellen und das Urteil zurechtzurücken, was könnte daraus werden? Im günstigsten Fall ein starker Skeptizismus Hitlers Grausamkeiten gegenüber, eine Verhärtung des Gemüts, das die Berichte der Folterungen, der Massaker, der Unterdrückungen aller Art als übertrieben oder doch als zumindest teilweise unzutreffend empfindet. Im schlimmsten Fall die Überzeugung, daß die Lüge universell und ewig ist, daß man niemandem und vor allem nicht der Geschichte glauben darf, daß die Völker immer betrogen werden, gestern so wie heute und morgen."
Le Monde, 17-18 juillet 1977
Dieser
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(AAARGH) zu reinen Lehrzwecken ins Netz gesetztworden; er soll
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ARTIKEL 19 der Menschenrechte: <Jederman hat
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und Gedankengut durch Mittel jeder Art sich zu beschaffen, zu
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Nationen, 10 Dezember 1948.