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NOCH EIMAL DIE JOURNALISTEN ALS MEINUNG POLIZISTEN:

 

Berliner Zeitung, 12, Februar 1998.

Herr Rittersporn und der Holocaust

von Maxim Leo

BERLIN, 11. Februar. Der Anruf erreichte den französischen Botschafter in Bonn am vergangenen Donnerstag. François Scheer wurde von seiner Berliner Außenstelle mitgeteilt, daß im renommierten Centre Marc Bloch, dem deutsch-französischen Institut für Sozialwissenschaften in Berlin, seit Januar ein Holocaust-Leugner aus Frankreich arbeite. Seit diesem Telefonat herrscht Krisenstimmung in der Bonner Vertretung. Denn das Centre Marc Bloch -- benannt nach dem französischen Historiker und Widerstandskämpfer, der 1944 von der Gestapo erschossen wurde -- steht unter der Obhut des französischen Außenministeriums und wird von diesem auch größtenteils finanziert. Ein Holocaust-Leugner aus Paris in dieserVorzeige-Einrichtung der deutsch-französischen Forschung, -- ein Alptraum fur die Diplomaten.

Gabor Rittersporn, ein 52jähriger Historiker, hatte im November 1997 vom Centre Marc Bloch den Ruf nach Berlin erhalten. Sein Forschungsauftrag zur Geschichte der Sowjetunion ist auf zwei Jahre begrenzt. Als Holocaust-Leugner wurde Rittersporn bekannt, als er im März 1980 zusammen mit seinem Kollegen vom staatlichen Forschungsverband CNRS, Serge Thion, in Paris ein Buch mit dem Titel "Historische Wahrheit oder politische Wahrheit?" veröffentlichte.

Die Schrift wurde schnell zu einem Standardwerk fur Holocaust-Leugner in Frankreich. Selten zuvor hatten Wissenschaftler dort so unmißverständlich die These propagiert, daß es keinen Holocaust gegeben habe.

So ist in dem Buch zu lesen, daß "Hitlers Gaskammern nie existiert haben" und daß "der Völkermord an den Juden niemals stattgefunden hat". Weiter heißt es: "Die angeblichen Gaskammern und der angebliche Völkermord sind eine Lüge, die überwiegend von Zionisten verbreitet wurde und die vor allem dem israelischen Staat dient." Die "Opter dieses Betrugs" seien in erster Linie das deutsche und das palästinensische Volk. Es sei lediglich der "riesigen offiziellen Informationsmacht" zu verdanken, "daß diese Lüge bis heute Erfolg hat".

Verbotenes Buch

Als die Schrift 1995 auch in Deutschland erschien, wurde sie sofort verboten. Im Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 1996 wird das Werk als in höchstem Maße gefährdend eingestuft. Der Beschlagnahmebeschluß wird mit "Verdacht auf Volksverhetzung" begründet.

Das Buch war eine Streitschrift für den wohl bekanntesten französischen Holocaust-Leugner Robert Faurisson, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in Frankreich wegen "vorsätzlicher Geschichtsfalschung" vor Gericht stand. In der Hauptverhandlung sagte Rittersporn als Zeuge für Faurisson aus.

Der Leiter des Berliner Centre Marc Bloch, Etienne François, wußte bei der Vergabe des Forschungsauftrages an Rittersporn von dessen Vergangenheit. Gegenüber der "Berliner Zeitung" sagte François auch zunächst, daß er zu seiner Entscheidung stehen wolle. Er habe mit Rittersporn vor dessen Einstellung ein langes Gespräch geführt und sei davon überzeugt, daß es sich hier um eine "Jugendsünde" handele, da der Historiker seit 1981 nicht mehr als Holocaust-Leugner aufgetreten sei.

Aber Etienne François wußte nicht alles. Zwar publiziert Rittersporn keine Schriften mehr zum Thema und halt sich auch sonst aus den einschlägigen Debatten heraus. Aber er hat sich nie von seinen Gesinnungsgenossen losgesagt. Auch seine Leugnung des Holocaust hat Rittersporn nie widerrufen.

Noch am vergangenen Freitag sagte Rittersporn der Berliner Zeitung: "Die Existenz der Gaskammern ist bis heute nicht bewiesen." Die "Unterdrückung" der in Frankreich "Negationisten" genannten Leugner des Holocaust halte er weiterhin für gefährlich, weil jeder in der Lage sein müsse, seine Gedanken frei zu äußern. "Wenn ich mich bekehren würde, müßte ich das vollständig tun. Aber ich weiß nicht, ob ich das wirklich will", erklärt er sein Verhalten.

Wie eng Rittersporn mit den "Negationisten" verbunden ist, zeigen auch die Grußadressen", die er regelmäßig empfängt. 1988 bedankte sich Robert Faurisson bei seinem "Freund" Rittersporn in der Zeitschrift Annales d'Histoire Révisionniste für dessen Unterstützung, ohne die er, wie er sagt, "niedergewalzt worden wäre".

Und noch vor zwei Monaten schrieb Faurisson in einer österreichischen Rechtsextremen-Zeitschrift, daß er gar nicht antisemitisch sein könne. Schließlich habe er jüdische Freunde wie Rittersporn, "die mich in meinem Kampf unterstützen".

Die jüdische Herkunft Rittersporns und der Umstand, daß ein Großteil seiner Familie von den Nationalsozialisten in Konzentrationslagern umgebracht wurde, gibt seinem Fall eine besondere Dimension. Rittersporn ist kein rechtsextremer Ideologe wie Faurisson. Er ist im Gegenteil jemand, der in den 70er Jahren als linker Anarchist aktiv war und für den das Prinzip "der freien Debatte zu jedem Thema" ein wichtiges Anliegen ist.

"Plausibel und fundiert"

Dies war offenbar eine Motivation für ihn, sich Ende der 70er Jahre mit den Holocaust-Leugnern zu verbinden. "Ich habe es nicht ertragen, daß wissenschaftliche Debatten vor Gerichten ausgetragen werden", sagt er. Zudem seien ihm die Schriften des Holocaust-Leugners Faurisson plausibel und wissenschaftlich fundiert erschienen.

Nach dem Erscheinen seines Buches wurde Rittersporn von vielen Kollegen in Frankreich geachtet. Studenten und Kollegen wandten sich von ihm ab. Seine Werke zur Geschichte der Sowjetunion wurden ignoriert. Rittersporns damaliger wissenschaftlicher Direktor, Alain Besançon, sprach ihm öffentlich jegliche wissenschaftliche Kompetenz ab. 1982 wurde er aus dem Historischen Institut des CNRS ausgeschlossen. Da er als Beamter unkundbar war, schob man Rittersporn in den Fachbereich Soziologie ab.

Dieser jahrelange, massive Druck hat Rittersporn verbittert. Wenn er heute noch sagt, daß die Existenz der Gaskammern nicht bewiesen sei, dann tut er das sicher auch aus Trotz -- "gegen das offizielle System", wie er sagt.

Im französischen Wissenschaftszentrum CNRS halten viele Forscherkollegen aber gerade die Weigerung Rittersporns, sich von den Holocaust-Leugnern zu distanzieren, für den eigentlichen Skandal. "Hätte Rittersporn wirklich mit seiner Vergangenheit gebrochen, dann hätte er langst verhindert, daß man seinen Namen weiter benutzt. Mit seiner Weigerung, sich öffentlich von seiner Vergangenheit loszusagen, unterstützt er die negationistische Bewegung", kritisiert der Soziologe Sami Dassa vom CNRS in Paris.

Rittersporn trifft sich auch weiter mit der Revisionisten-Gruppe "La Vieille Taupe". Er lud ein Mitglied der Gruppe, Claude Karnoouh, in das Centre Marc Bloch zu einem Seminar ein. Auch Karnoouh hatte mit seinen Aussagen im Prozeß gegen Robert Faurisson diesen verteidigt. Den Chef der "Vieille Taupe", Pierre Guillaume, bezeichnete Rittersporn noch in der letzten Woche als "einen Freund". Und auch Guillaume zählt Rittersporn weiterhin "zu einem unserer Unterstützer".

Die Präsenz von jemandem wie Rittersporn in dem prestigeträchtigen Berliner Institut hat in Frankreich viele Wissenschafts-Kollegen und Angehörige des CNRS "schockiert". "Die Versetzung Rittersporns nach Berlin ist ein Skandal", sagt Pierre Crepel, CNRS-Forscher in Lyon. Professor Roland Pfefferkorn von der Universität Straßburg spricht von einer "Schande für Frankreich". Der ehemalige Rittersporn-Kollege Gérhardt Panszer merkt an, daß es bitter sei, "wenn das einzige Forschungsinstitut mit dem Namen des jüdischen Widerstandskämpfers Marc Bloch so jemanden in seine Arme schließt".

Das 1992 von Etienne François gegründete Forschungszentrum genießt in Wissenschaftskreisen einen exzellenten Ruf. Finanziert und betreut wird das Centre vom französischen Staat. Das Land Berlin stellt die Räumlichkeiten am Schiffbauerdamm kostenlos zur Verfügung.

Gerade in der Erforschung des Holocaust hat das Berliner Institut in den letzten Jahren eine herausragende Arbeit geleistet. Erst kürzlich fand in Potsdam ein bemerkenswertes Seminar über die Shoa statt.

Die Mitarbeiter des Centre Marc Bloch haben sich nach Bekanntwerden der neuen Informationen über Rittersporn von ihrem Kollegen in einer öffentlichen Erklärung "aufs Schärfste" distanziert. Mit jemandem, der solche Thesen vertrete, sei jede Zusammenarbeit ausgeschlossen. Auch Institutsleiter François, der Rittersporn berufen hatte, forderte schließlich am gestrigen Mittwoch vom Pariser Außenministerium die Abberufung Rittersporns. Er sei "perplex und verwirrt", sagte er, nachdem er von den neuen Recherche-Ergebnissen der Berliner Zeitung erfuhr.

Telegramm der Botschaft

Die französische Botschaft hatte bereits am Dienstag abend die Notbremse gezogen. In einem Telegramm forderte die politische Abteilung, daß sich Rittersporn umgehend öffentlich von jeglicher ,negationistischer" Aktivität distanzieren solle. Tue er das nicht, so die Botschaft, werde er sofort nach Frankreich zurückgeschickt.

Quelle Berliner Zeitung, Nr 36, Donnerstag 12, Februar 1998.

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Eine Jagdpartie

Wie man einen Wissenschaftler ruiniert

Von Karl Schlögel

Ich pflege keinen Umgang mit Holocaust-Leugnern. Sie sind mir schon als Menschen des Ressentiments zuwider. Aus der "Berliner Zeitung" erfuhr ich nun, daß Gabor Rittersporn, mit dem ich seit einigen Jahren zusammenarbeite und sogar befreundet bin, ein Vertreter dieser Spezies sein soll. "Holocaust-Leugner", "Revisionist", "Negationist" -- jeder weiß, was ein solcher Vorwurf bedeutet. Er bedeutet soviel wie Ausschluß aus der zivilisierten Menschheit. Jemand, den eine solche Verdächtigung ereilt, ist erledigt. Seine bürgerliche Existenz ist dahin und sein Ansehen als Wissenschaftler ruiniert. Aber nichts scheint einfacher zu sein als das:

Man schreibt einen Artikel mit den ungeheuerlichsten Behauptungen, findet eine Zeitung, die ihn druckt, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Am 12. Februar 1998 ist das geschehen in der "Berliner Zeitung" auf Seite drei unter dem Titel "Rittersporn und der Holocaust". Verfasser: Maxim Leo.

Der erste Effekt der Lektüre solcher Artikel, die einem den Atem verschlagen, ist: Man fragt sich, wie und ob man sich überhaupt äußern soll, ob man die Konsequenzen auf sich zu nehmen bereit ist, die entstehen, sobald man in einem Kreis von Verdächtigungen und Zuschreibungen erscheint. Damit ist ein Zweck schon erreicht: Einschüchterung, Isolierung, die Ingangsetzung einer Mechanik der Rechtfertigungen, der Dementis, Klar- und Gegendarstellungen, die indes nur das bewirken, was bezweckt worden war: daß "etwas dran sein muß".

Aber dann gibt es eine überlegung, die stärker ist als die Furcht vor Ausgrenzung, stärker als der Abscheu vor dem schmutzigen Strudel der Verdächtigungen: Es kann nicht sein. daß die Ehre eines Menschen so leichtfertig zerstört werden kann. Man begreift blitzartig: Was Rittersporn heute geschehen ist, kann morgen auch andere treffen. Es muß sich nur ein Jäger finden und die Gelegenheit sich bieten. Es müssen nur Kollegen dasein, die vor der Infamie der Beschuldigungen in die Knie gehen. So weit sind wir also: Ich äußere mich, weil ich Angst habe. Ich bin Oberzeugt, daß wir ersticken werden, wenn solche Beispiele öffentlicher Hinrichtung Schule machen.

Nur einer wacht

Ich habe Gabor Rittersporn zum ersten Mal auf einem Seminar über die innere Verwandtschaft von Stalinismus und Nationalsozialismus kennengelernt. Das ist Jahre her und war lange vor der Veröffentlichung des "Schwarzbuches des Kommunismus". Damals konnte man sich noch einen blutigen Kopf holen, wenn man so etwas thematisierte -- vor allem innerhalb der Linken. Sein Name war mir indes schon lange vorher geläufig, durch einen nicht allzu umfangreichen, aber brillanten Aufsatz in Telos, in den siebziger Jahren eine der führenden Zeitschriften der amerikanischen Linken. Es war ein Aufsatz über den Stalinismus, ein Versuch, den Stalinismus von innen her zu verstehen, nicht als Haupt- und Staatsaktion, sondern in den Termini einer Pathologie der Gesellschaftsentwicklung, als eine verzerrte und entfremdete Form des Bürgerkrieges.

In diesem Aufsatz blitzte etwas auf, was sich dann im Laufe der achtziger Jahre vor allem in Amerika und gegen den Widerstand des traditionellen Totalitarismusschemas zu einer großartigen neuen sozialhistorischen Erforschung des sowjetischen Systems entwickeln sollte. Endlich kam "die Gesellschaft" und nicht nur Stalin in den Blick; endlich schien es möglich, die mörderische Destruktivität des Stalinismus auf angemessene Weise zu erfassen. Glänzende Untersuchungen seither haben so etwas wie einen Paradigmenwechsel herbeigeführt, von dem inzwischen auch jene profitieren, die die neue Richtung lange erbittert bekämpft hatten. Nicht viele konnen von sich behaupten, daß sie ein Stück Wissenschaftsgeschichte mitgeschrieben haben -- Gabor Rittersporn hat es, mit seinem Telos-Aufsatz und dem folgenden Buch über den Stalinismus sowie zahlreichen neueren Forschungen. Es waren natürlich nicht nur alte und neue russische Archivalien, die kaum jemand so gut kennt wie Gabor Rittersporn, sondern die Unruhe des Prager Frühlings, des Budapester Dissidentenmilieus, des Pariser Mai, die die Reformulierung des Themas möglich machte. Das Seminar, das ich zusammen mit Gabor Rittersporn im letzten Jahr an der Europa-Universität in Frankfurt (Oder) durchgeführt habe -- er war da als Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung --, gehört zu meinen glücklichsten Lehr- und Forschungserfahrungen: Jede Sitzung des Seminars "Stalinismus als Lebensform" brachte Stoff, der für mehr als eine Forschungsarbeit ausgereicht hätte.

Wir spielen nicht die Qualifikation des Wissenschaftlers Rittersporn, den wir kennen, gegen einen anderen, uns unbekannten Menschen Rittersporn aus. Wir alle sollen uns getäuscht haben: der alte Moshe Lewin, dessen Schüler Rittersporn ist, der ingeniöse Arch Getty in Kalifornien, die große Sheila Fitzpatrick in Chicago, nicht zuletzt die deutschen Kollegen. Uns allen muß ein Journalist ein Licht aufstecken, mit wem wir es in all den vergangenen Jahren in Wahrheit zu tun gehabt haben sollen. Aber so ist es nicht.

Blinde Enthüllungswut

Es gibt kein Geheimnis, das enthüllt werden müßte. Die Sache, die zum Ausgangspunkt der Beschuldigung gemacht wird, ist bekannt. Sie hat nichts mit der Leugnung des Holocausts zu tun, aber viel mit der verworrenen und verwirrenden Geschichte der Krise und des Zerfalls der französischen Linken im Ausgang der siebziger Jahre. Es war eine Zeit der Metamorphosen, der Revolte gegen linke Tabus und Lagermentalität, in der es auch zu jenen seltsamen Allianzen und Koalitionen kam, in der das Buch "Vérité politique ou vérité historique", um das es hier vor allem geht, erscheinen konnte. Meist aus der Linken kommende Intellektuelle hatten die Verantwortung für die Publikation von Texten der "Negationisten" übernommen weil sie dem Staat und der Justiz das Recht bestritten, über historische Fragen zu befinden, selbst wenn es sich um die Thesen eines notorischen Geschichtsfälschers und Holocaust-Leugners wie Robert Faurisson handelte. Rittersporn gab, wie die anderen, seinen Namen her für die Freiheit der Diskussion, aber er hat kein Wort in diesem Buch geschrieben.

Man darf am Takt, Geschmack und politischen Verstand der Herausgeber zweifeln, aber kein Zweifel ist darüber möglich, daß Leute, die für das Recht auf Diskussion eintraten, nicht mit den Rechtsradikalen identisch sind und daß die Thesen die die Rechtsradikalen vertreten, nicht identisch sind mit Ansichten der Herausgeber. Auch jene Anwälte und Intellektuellen in Deutschland, die sich in den siebziger Jahren gegen die Kriminalisierung des Gewalt-Diskurses gewandt hatten, waren nicht oder jedenfalls nicht automatisch Parteigänger der RAF. Dieser wesentliche Unterschied dürfte doch nicht so schwer zu begreifen sein

Den französischen Intellektuellen erging es freilich nicht anders als den deutschen: Sie wurden als willkommene "nützliche Idioten" akzeptiert und benutzt. Einige aus der damaligen Pariser Linken haben sich zudem von ihren ursprünglichen Positionen im Laufe der Zeit zu rabiaten Rechtsextremisten und Holocaust-Leugnern entwickelt -- andere aber nicht. Die linken Unterstützer der Redefreiheit für die extremistische Rechte haben für ihre Naivitäten bitter bezahlen mussen: Sie wurden als Alibis benutzt, die die Rechte brauchte, um Zugang zu den Medien zu gewinnen.

Vor allem aber war es für sie fast unmöglich, das Odium loszuwerden, sie hätten die extreme Rechte unterstützt. Selbst achtzehn Jahre reichen offenbar nicht aus es loszuwerden, wenn nur jemand ein Interesse daran findet, es immer neu -- aus welchen Gründen auch immer -- zu benutzen und daraus einen Fall zu machen.

Aber aus dem "Fall Rittersporn" wird wenn nicht alles täuscht, ein ganz anderer Fall. Darin werden Fragen aufgerollt, die etwas mit den Kriterien und dem Ethos journalistischer Arbeit zu tun haben, mit der Frage, wer ausgerechnet jetzt ein Interesse daran gehabt haben könnte, einen Wissenschaftler "abzuschießen", der aus seiner Vergangenheit durchaus kein Geheimnis gemacht hat und dessen Schuld offenbar darin besteht, daß er nicht bereit war, sich von etwas zu distanzieren, was er sich nie hatte zuschulden kommen lassen. Es wird gefragt werden wie es um die Unabhängigkeit von Wissenschaftlern an einem Institut bestellt ist, das den Namen des großen Marc Bloch trägt, der für seine Unbeugsamkeit und fùr sein Judesein mit dem Leben bezahlt hat, das aber unter dem Druck ungeheuerlicher und unbewiesener Behauptungen sich vorauseilend von einem Kollegen distanziert. Es wird möglicherweise ein Lehrstück in Sachen Konformismus und Zivilcourage.

Man wird darüber zu reden haben, wie es um die Öffentlichkeit in einem Land bestellt sein muß, in dem es ausreicht, die Keule der Auschwitz-Lüge zu schwingen, um einen Wissenschaftler von Rang binnen einer Sekunde moralisch zu erledigen. Das alles zu klaren wird schwierig sein und kann natürlich lange dauern. Was aber jetzt schon verlangt werden kann, das sind: Beweise. Wir sind gespannt. Und wir sind der Überzeugung: Es gibt noch Richter in Berlin.

Quelle: Frankfurter Allgmeine Zeitung, 18. Februar 1998, S. 42.

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Ressort: Politik

Autor: Maxim Leo

Rittersporn wird von Posten entbunden

Französische Botschaft kündigt Versetzung des Historikers nach Frankreich an

BERLIN, 12.Februar. Die Berliner Außenstelle der französischen Botschaft hat am Donnerstag bekanntgegeben, daß der Mitarbeiter des Centre Marc Bloch, der Historiker Gabor Rittersporn, schon bald von seinem Posten entbunden und nach Frankreich zurückgeschickt werde. "Rittersporn wird ohne Zweifel Berlin verlassen", hieß es in der französischen Vertretung. In einem Gespräch mit der "Berliner Zeitung" hatte der Historiker, am 6.Februar gesagt: "Die Existenz der Gaskammern ist bis heute nicht bewiesen." Bereits in den 80er Jahren hatte Rittersporn als einer der verantwortlichen Herausgeber ein Buch veröffentlicht, in dem die Gaskammern der nationalsozialistischen Konzentrationslager und der Völkermord an den Juden geleugnet wurden. Die französische Botschaft kündigte an, daß in nächster Zeit in Paris eine Kommission zusammentreten werde, die über die konkrete Abwicklung der Versetzung Rittersporns nach Frankreich beraten werde. Der Kommission sollen Vertreter des französischen Außenministeriums, des Erziehungsministeriums und dem staatlichen Forschungszentrum CNRS angehören. Da Rittersporn den Status eines Beamten hat, ist es fraglich, ob die Versetzung nach Frankreich auch zugleich seine Entlassung aus dem CNRS zur Folge haben wird. Der Historiker gehört dem französischen Forschungszentrum seit dem Jahr 1978 an. Der Direktor des deutsch-französischen Instituts für Sozialwissenschaften Centre Marc Bloch, Etienne François sagte am Donnerstag: "Sollten die Recherchen der Berliner Zeitung zutreffen, dann ist Rittersporn hier nicht mehr haltbar." Rittersporn selbst hat inzwischen behauptet, falsch zitiert worden zu sein. Die "Berliner Zeitung", die das Gespräch mit Rittersporn dokumentiert hat, bleibt bei ihrer Darstellung.

Quelle: Berliner Zeitung, 13.02.1998.

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Die Tageszeitung

13 Februar 1998, S. 21

Kündigung wegen Holocaust-Leugnung

Der französische Historiker Gabor Rittersporn setzt sich gegen den Vorwurf zur Wehr, die Existenz von Gaskammers bestritten zu haben.

 

Das centre Marc Bloch will sich von seinem Mitarbeiter Gabor Rittersporn trennen, weil er den Holocaust geleugnet haben soll. Der Direktor des französisches Zentrum für Sozialwissenschaften in Berlin, Etienne François, teilte mit, er habe das französische Außenministerium gebeten, "die notwendige Konsequenzen zu ziehen". Die Berliner Zeitung hatte Rittersporn mit den Worten zitiert, die Existenz der Gaskammerns sei "bis heute nicht bewiesen". François erklärte dazu, das sei "eine ungeheurliche, absurde und im übrigen auch strafbare Aussäge, die wir schärfstens verurteilen".

Rittersporn selbst wies die Vorwürfe gestern zurück. Sie beruhten auf "Unwahrheiten und Unterstellungen", die darauf abzielten, seine "bürgerliche und wissenschaftliche Existenz zu zerstören". Er sei zwar 1980 einer des Schirmherren des Bandes "Historische Wahrheit oder politische Wahrheit?" gewesen, einer Verteidigung des Holocaust-Leugner Robert Faurisson. Damit habe er sich aber nur für eine wissenschaftliche statt einer juristischen Auseinandersezung einsetzen wollen. Heute bedaure er aber, daß er Faurisson damit "zu einem größeren Publikum verholfen" habe. Ich verurteile die Thesen und die Tätigkeit der Negationisten und der Revisionisten", erklärte Rittersporn.

Am Centre Marc Bloch fragt man sich, warum Rittersporn sich erst gestern zu dieser Klarstellung entschloß. Zuvor hatte Rittersporn, der selbst Jude ist und zwei Familienmitglieder in Auschwitz verloren hat, noch ausweichend gesagt, daß "es auch nichts an unserem Urteil über die nazionalsozialistische Vernichtungspolitik ändern würde, wenn die Gaskammern nicht existiert hatten". Gestern erklärte er, "zu einem Wiederruf der Leugnung des Holocaust" habe er bisher keinen Grund gesehe, "da ich ihn nie geleugnet habe". Er fügte jedoch hinzu, inzwischen gebe es "neue Forschungen die die Existenz der Gaskammern mit bisher unbekannten Dokumenten beweisen".

An der Entscheidung des centre Marc Bloch wird Rittersporns Erklärung wohl nichts mehr ändern. Dort is man der Meinung ein Wissenschaftler in einer solch exponierten Position dürfe derartige Mißverständnisse gar nicht erst aufkommen lassen. Der Forscher wird wohl an das Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Paris zurückkehren müssen. Die Außenstelle der französische Botschaft war gestern zu keiner Stellungnahme bereit.

Der 52jähringe Rittersporn arbeitet erst seit dem 1. Januar 1998 am Centre Marc Bloch, das nach dem französischen Historiker benannt ist, der 1944 von der Gestapo als Widerstandskämpfer erschossen wurde. Nach Angaben von Centre Direktor François habe man bei der Einstellung zwar gewußt, "daß sich Dr. Rittersporn vor fast zwanzig Jahren eine Zeitlang in einem Kreis bewegt hat, der von linken Positionen her revisionistische bzw. negationistische Thesen entwickelte". Alle am Einstellungsverfahren Beteiligten hätten aber den Eindruck gewonnen, "daß Dr. Rittersporn mit der negationistischen Thesen seines früheren Umfeld nichts mehr zu tun hatte". Er sein "ein international anerkannter Spezialist für sowjetische bzw. russische Geschichte".

Ralph Bollmann

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Die Tageszeitung,

14/15 Februar 1998, S. 7.

 

Französicher Historiker im Zwielicht

An einem deutsch-französischen Forschungsinstitut in Berlin arbeited ein Historiker, der die Existenz von Gaskammern geleugnet haben soll

 

Berlin (taz) -- Eine Berliner Affäre schlägt in Frankreich hohen Wellen. "Ein revisionisctischer Maulwurf in Berlin", titelte gestern Le Monde und Libération bezichneite den Vorgang als "desatrös". Der Historiker Gabor Rittersporn, der am deutsch-franaösischen Forschungszentrum Centre Marc Bloch in Berlin arbeitet, soll den Holocaust geleugnet haben. "Die Existenz der Gaskammern ist bis heute nicht bewiesen" zitierte die Berliner Zeitung den frazösischen Forscher am Donnerstag. Etienne François, der Direktor des Zntrums, reagirte schnell. "Das ist eine ungeheurliche, absurde und im übrigen auch strafbare Aussäge, die wir schärfstens verurteilen", erklärte er noch am selben Tag. Er habe das französische Außenministerium gebeten, "die notwendige Konsequenzen zu ziehen".

Gabor Rittersporn selbst weist die Vorwürfe zurück. Er habe der Berliner Zeitnug gesagt, daß er inzwishen "vom Beweis der Existenz der Gaskammerns ausgehe", ließ er über seinem Anwalt Johannes Eisenberg verlauten. Denn "vor zwei oder drei Jahren" sein in Frankreich "ein Buch erschienen, das den Nachweis der Existenz der Gaskammern dokumentiert."

Unstrittig is jedoch, daß Rittersporn im März 1980 als einer des Schirmherren das Erscheinen des Buchs "Historische Wahrheit oder politische Wahrheit?" in Frankreich ermöglichte.Der Band war eine Streitschrift für Robert Faurisson, der als Kopf der französischen Holocaust-Leugner gilt. Als herausgeber trat mit Serge Thion ebenfalls ein "negationist" auf wie die Auschwitz-Leugner in Frankreich genannt werden. Die deutsche Überstzung des Werks ist in der Bundesrepublik verboten und wird im Verfassungsschutzbericht von 1996 als in höchstem Maße gefährdend eingestuft.

Rittersporn teilte seine damalige Schirmherrschaft unter anderem mit Jean-Gabriel Cohn-Bendit, dem Bruder dez grünen Europaabgeordneten. Rittersporn erläuterte am Donnerstag in einer schiftlichen Erklärung, er habe seit 1980 fûr eine wissenschaftliche anstelle einer juristischen Auseinandersetzung lit der Holocaust-Leugnern einsetzen wollen. Heute bedaure er aber, daß er Faurisson damit "zu einem größeren Publikum verholfen" habe.

Die "Negationisten" hatten sich jedoch immer wieder auf Rittersporn berufen, der 1948 in Budapest als Sproß einer jüdischen Familie geboren wurde, die AngeHôrige im Holocaust verloren hatte. Rittersporn habe sich "Ende des 80er Jahre gegenüber Herrn Faurisson verbeten mich als sein jüdisches Alibi zu mißbrauchen" teilte Eisenberg mit.

Rittersporn forscht erst seit dem 1. Januar 1998 am Centre Marc Bloch über den sozialen und kulturellen Wandel im Übergang von der Sowjetunion zum heutigen Rußland. Le Monde schreibet aber, bereits im vorigem November sei das Centre vom Cercle Marc Bloch in Lyon, das den Negationismus bekämpft, über Rittersporns Vorgeschichte ins Bild gestezt worden. Dazu erklärte Centre-Direktor François, alle am Einstellungsverfahren Beteiligten hätten den Eindruck gewonnen, "daß Dr. Rittersporn mit der negationistischen Thesen seines früheren Umfeldes nichts mehr zu tun hatte".

Um so größer sei die "Bestürzung über Rittersporn jetige Äußerungen. An seiner Abberufung wird das dementi nichts mehr ändern, hieß es. Ein Wissenschaftler in einer solchen Position dürfe keine Anlaß zu Mißvertsändnissen geben. Das Zentrum ist nach einem histopriker benannt, der 1944 von der Gestapo als Widerstandskämpfer erschossen wurde.

Rittersporn wird also an das Centre National dse la recherche Scientifique nach Paris Zurückkehren. Dort sieht man keine Möglichkeit, einen Forscher wegen "ethischer Verfehlungen" zu entlasse. Deshalb wird Rittersporn dort auch Serge Thion wieder antreffen, den Herausgegeber des umstrittenen Buchs.

Ralph Bollmann

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