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Maulwürfe im Land des Zweifels


Warum die Leugner des Holocaust in Frankreich weniger geächtet sind als in Deutschland

von Thomas Schmid

Vielerorts wird der Holocaust geleugnet, bezweifelt, heruntergespielt, verharmlost. Auch in Deutschland gibt es die schmutzige Spur derer, die das größte von Deutschen begangene Verbrechen wegreden wollen. Da fallen dann Namen wie der des rechtsextremen Landwirts Thies Christophersen aus Kälbernhagen, der den traurigen Titelschutz für die Wendung von der ,Auschwitz-Lüge" besitzt. Oder Manfred Roeder ("Der Auschwitz-Betrug") und Wilhelm Stäglich ("Der Auschwitz-Mythos"). Es ist immer derselbe ekelerregende rechte Rand, von dem der Einspruch kommt. Die sich so zu Wort melden, mögen für eine stumme, wenn auch vielleicht gar nicht so kleine Minderheit sprechen -- ihr Diskurs findet aber fern aller ernstzunehmenden Öffentlichkeit statt.

Konsens und Widerspruch

Anders in Frankreich. Dort hat es immer wieder Versuche gegeben, das Faktum des Holocaust zu überprüfen -- Versuche, die die kritische Öffentlichkeit zwar zurückgewiesen, mit denen sie sich aber teilweise ernsthaft auseinandergesetzt. Die Leugner schienen der Polemik und der Auseinandersetzung wert. Während der deutsche Holocaust-Leugner Thies Christophersen Aufseher in Auschwitz gewesen war, hatte der erste Franzose, der den Holocaust relativierte, auf der anderen Seite gestanden: Paul Rassinier veröffentlichte 1950 das Buch "Die Lüge des Odysseus". Der Autor war Widerstandskämpfer gewesen und hatte im Konzentrationslager Buchenwald gesessen.

Es lag dem sozialistischen Abeordneten fern, den Mord an den Juden zu leugnen -- er wandte sich aber gegen das, was er für Übertreibungen in der Darstellung des systematischen Judenmords hielt, und begründete damit die französische Tradition des Revisionismus. Natürlich wurde sein Argument von der intellektuellen Öffentlichkeit zurückgewiesen -- schon deswegen, weil der Antifaschismus zum Kernbestand der französischen Nachkriegsrepublik gehörte. Aber es war -- im Lande Voltaires -- möglich, auch diesen Konsens zu bezweifeln.

Aus einem einfachen Grund: Während in Deutschland, im Land der Täter, jedes Leugnen des Holocaust nur Entschuldigung oder Zurückweisung und Relativierung nationaler Schuld sein konnte galt dies in Frankreich nicht. Weil man sich, Opfer der deutschen Okkupation. jedenfalls anf der nicht-faschistischen Seite sah, konnte man freier und über das große Verbrechen reden.

Es kamcetwas anders hinzu. Detschland -- entmündigt und von zwei Siergerlagern Fürsorglich an die Hand genommen -- war in gewisser Weise zum Schweigen vezrurteilt, und das kam jenen vielen zupaß, die ohnehin nicht reden, nicht nachdenken, die das Aufwühlen des gerade Vergangenen vermeiden wollten. Im Namen einer bürgerlichen und einer sozialistischen Sittsamkeit waren die alten Querelen stillgestellt.

Im Westen suchte man das Heil im Verzicht auf alle Ideologie, im Osten wollte man die eigene Vorgeschichte loswerden, als man sich aufs Siegertreppchen der Geschichte hieven ließ. All dieses Abdämpfen, Drosseln und Szene-Wechseln hatte man in Frankreich nicht nötig. In einer Art Unschuld konnte man die Querelen von gestern wieder aufnehmen.

Zum Beispiel den Streit über die Frage, was denn zum Faschismus geführt habe. Den Liberalen, die den Grund in der Schwäche von Demokratie und Bürgertum sowie in der Stärke der radikalen Extreme sahen, stand jener Teil der Linken gegenüber, der den Faschismus als notwendige Folge des Kapitalismus deutete. Das originär Politische spielte in dieser Deutung kaum eine Rolle. Faschismus hatte hier in erster Linie Kapitalismus zu sein -- ein Kapitalismus, dem die sanfte bürgerliche Maske von der Fratze gefallen ist.

Gewalt, Antisemitismus und Genozid erschienen in dieser Optik als "unwesentlich", als für den Faschismus nicht notwendiges Beiwerk. Diese Tendenz gab es natürlich auch in der deutschen Linken, aber sie war gewissermaßen eingehegt: im neu-unschuldigen Osten pflegte man einen exzessiven antirheinischen Antikapitalismus, der dem Gedanken an den Holocaust kaum Raum ließ; und im Westen war die Linke -- von Ausnahmen insbesondere 1968 abgesehen -- einsichtig genug, ihrem Anti-Zionismus nicht freien Lauf zu lassen.

Diese Rücksichten mußten in Frankreich nicht genommen werden, und deswegen konnten sich die Exaltationen einer individualitätsvergessenen Linken freier entfalten. Im Land der Französischen Revolution war das linke Denken vitalistischer als anderswo in Europa, und große Teile der Linken sahen im Putsch der "Oktoberrevolution" das Tochterereignis der eigenen Gründungsgeschichte. In diesem nervösen Klima der Überpolitisierung lag die Mißachtung der "nur" menschlichen Tragödie der Juden Europas nahe. Und derWeg bis zur Leugnung war dann nicht immer weit.

Auch war das AngeLot auf der linken Seite vielfältiger. Früh schon konnte man -- mit Camus gegen Sartre -- Antikommunist sein oder sich zumindest von der sozialistischen Glaubenslehre abkehren, ohne zur Unperson zu werden. Es gab eine bedeutende kommunistische Partei, die bis ins kleinste die kommunistische Hagiographie und Rhetorik der Sowjetunion nachahmte und zu theatralischem Glanz brachte: Moskau an der Seine. Und es gab (um Cornelius Castoriadis und Claude Lefort) viele Linke, die früh die kommunistische Spur der Gewalt untersuchten und sich von Partei, Geschichtsautomatik und sturem Fortschrittsglauben lossagten. Der dissidente Weg war zwar auch dornig, aber viele gingen ihn. Kaum einer der großen Intellektuellen, der nicht einst Mitglied der KPF gewesen wäre. Auch diese Vielfalt war der Humus, auf dem der Negationismus gedeihen konnte.

Von links nach rechts

Exemplarisch steht dafür eine kleine Pariser Buchhandlung, deren Namen auf einen Ausspruch von Karl Marx anspielt: "La vieille taupe" -- der alte Maulwurf, der im "18. Brumaire" als jenes Tier der Geschichte gelobt wird, das da "brav gewühlt" und den Boden der Umwälzung bereitet hat. Die Buchhandlung, Mitte der sechziger Jahre von Pierre Guillaume begründet, war Treffpunkt eines linksradikalen Intellektuellenzirkels gewesen, der den Holocaust im linken Sinne relativierte. Nachdem der Laden zeitweise geschlossen worden war, macht er in den Achtzigern wieder auf, diesmal als Verlag für ein echtes rechtsradikales Publikum.

Hier erschien etwa Roger Garaudys spätes Buch ,Die Gründungsmythen der israelischen Politik". Darin polemisiert der inzwischen überAchtzigjahrige, der den weiten Weg vom Chefideologen der KPF über den ökumenischen Katholiken bis zum radikalen Muslim gegangen ist, unter anderem gegen die "Überzeichnung" des Holocaust: Dieser sei ein "Pogrom, keineswegs aber ein Genozid" gewesen und diene heute nur dazu, eine aggressive israelische Politik zu rechtfertigen. Am Freitag dieser Woche wird in Paris das Urteil gegen Garaudy gesprochen -- nach der "Loi Gayssot", jenem umstrittenen Gesetz, das der kommunistische Abgeordnete Jean-Claude Gayssot 1990 in die Nationalversammlung einbrachte. Es revidiert das Gesetz zur Pressefreiheit von 1881 und macht öffentliche Bezweiflung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafbar. Kaum beschlossen, war dieses Gesetz in Frankreich als das Gute, das das Schlechte hervorbringt, kritisiert worden. Vor allem mit dem ebenso schlichten wie einleuchtenden Argument, daß dem Gericht kein Urteil zustehen könne, das legitimerweise nur die Historie fällen könne.

Strittige Sakralisierumg

Die Kritik räumte der Freiheit und dem immerwährenden Zweifel einen höheren Rang ein als der political correctness und auch der Verletzlichkeit der Opfer. Die Ehrenvorsitzende der französischen Liga für Menschenrechte warnte ebenso vor dem Gesetz wie der Jurist François Terre, der es ,totalitär" nannte. Klarer noch der Historiker Pierre Vidal-Naquet: Schon vor mehr als zehn Jahren warnte er, nichts sei gefährlicher als die "Sakralisierung der Shoah". Jene Sakralisierung, die die Diskussion unterbindet und die in Deutschland die offene Auseinandersetzung über das HolocaustMahnmal so lange verzögert hat.

Die beiden Deutschlands haben sich in ihrer Harmlosigkeit gesonnt. Darin war Abkehr vom alten Größenwahn enthalten. Es machte uns aber auch anfallig fur Tabus. Lächerlich im Ruckblick, wie eng im "Historikerstreit" argumentiert wurde. Er diente nur der Abwehr der Ahnung, daß die beiden großen Totalitarismen der ersten zwei Drittel dieses Jahrhunderts doch etwas Gemeinsames haben. In Frankreich -- das in gewisser Weise altmodischer, traditioneller und konservativer als Deutschland ist -- haben etliche Intellectuelle dieser Tatsache ins Auge geschaut. Der Historiker François Furet, auch er einst Kommunist, hat das Verlöschen eines Impulses diagnostiziert, der die Oktoberrevolution ebenso beflügelte wie die intellektuelle Kultur Westeuropas bis in die unmittelbare Gegenwart: Er hat Argumente für die These gesammelt, daß die Französische Revolution ihre Strahlkraft verloren hat, daß überhaupt das Feuer der Revolution erloschen ist. Und er hat in beiden eine vergleichbare historische Verirrung sehen wollen.

Der Grat, anf dem so einer wandelt, ist schmal, der Sturz in die Verharmlosung liegt nahe. Zu einer freien Gesellschaft gehört, daß man diesen Weg gehen kann, ohne von Geschichtspädagogen daran gehindert zu werden. Furet ist -- angefeindet, aber respektiert -- diesen Weg gegangen, der einen viel größeren Bogen schlägt als die deutschen Reisen. Sie führen von Böll bis Kempowski, von Christa Wolf bis Botho Strauß, von Habermas bis Spaemann. In Frankreich sind die Zäune niedriger -- auch deswegen haben die Negationisten größere Chancen.

Naturlich hat es auch mit der alten Tradition derAufklärung zu tun daß den Leugnern des Holocaust in Frankreich so schnell nicht das Maul gestopft wird. Im Zweifel ist die Meinungsfreiheit des -- wie auch immer irrenden -- einzelnen ein höheres Gut als das, was ein wie auch immer legitimiertes Kollektiv fur richtig und wahr erachtet. Das war einer der Gründe, warum sich etliche Intellektuelle in den achtziger Jahren für die Veröffentlichung einer Studie des rechtsradikalen Historikers Robert Faurisson einsetzten, in der dieser den Massenmord in den Konzentrationslagern der Nazis leugnete. Die Toleranz gegenüber den "Negationisten" hat aber auch mit dem Spielerischen zu tun, das der intellektuellen Kultur, Frankreichs eigen ist. Man ist im Lande, das die revolutionäre Donnerrhetorik hervorbrache, umgrößte Worte nie verlegen, es gibt einen steten Wettkampf der Exaltationen. Das sieht gewaltig aus, die Akteure sind aber oft auch Kunstler im ironischen Fach. Sie sprechen aus, was sie doch nicht meinen. Der Französische Theaterdonner hat auch sein Befreiendes: Das Absurde, Ungehenerliche darf ausgesprochen werden. Nur so ist es zu bannen.

"Voltaire verhaftet man nicht"

Als Jean-Paul Sartre, Anfang der sechziger Jahre mitten im Algerienkrieg französische Soldaten zur Fahnenflucht aufforderte, verlangten viele die Verhaftung des Philosophen. Doch Präsident de Gaulle anwortete: "Voltaire verhaftet man nicht." Denn es enthält die Achtung des Staats vor dem Geist ebenso wie die herzhafte Mißachtung: Sollen sie doch tun, was sie wollen, Einfluß haben sie ohnehin nicht. In der deutschen Kleinlichkeit im Umgang mit den Intellektuellen steckt immer auch Hochachtung.

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Quelle: Berliner Zeitung, 25 Februar 1998.


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