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"Als der junge Jesuit Riccardo Fontana durch den SS-Offizier Gerstein Kenntnis davon erhält, auf welche Weise die verschleppten Juden im Konzentrationslager Auschwitz in dem durch die Deutschen besetzten Teile Polens vernichtet werden, beschwört er den damaligen Papst Pius XII. - wir schreiben das Jahr 1943 -, sich zum Anwalt der verfolgten Juden zu machen und eine ausdrückliche und formelle Verdammung auszusprechen. Der Papst, der sich auf seinen Auftrag beruft, ein Vater der gesamten Menschheit zu sein, und der daran erinnert, daß er sein Mitleid niemals versagt habe, spricht nicht die von Riccardo erwarteten Worte. Daraufhin mischt dieser sich unter einen Transport römischer Juden, die praktisch unter den Fenstern des Papstes verhaftet worden waren. Er wird mit ihnen nach Auschwitz deportiert und dort in die Gaskammer geschickt. Dieser armselige kleine Priester wird also, wenn es darauf ankommt, dort, wo jetzt der Papst der Stellvertreter Christi sein sollte, dessen wahrhafter Stellvertreter sein [2]."
Diesen als historisch begründet hingestellten Tatbestand nahm Rolf Hochhuth, ein bis dahin unbekannter junger deutscher Protestant, zum Anlaß, ein Theaterstück zu schreiben. Es trägt den Titel: Der Stellvertreter. In diesem Stück sehen wir einen mit dem Nationalsozialismus sympathisierenden Papst, dessen gesamtes Denken von der Vorstellung überschattet wird, daß, wenn Hitler den Krieg verlöre, dies gleichbedeutend wäre mit der Auslieferung Europas an das Schlimmste, was es für die Kirche gibt: an den Bolschewismus. Der Papst ist daher bemüht, die, wie er weiß, nur noch dürftigen Aussichten Hitlers auf einen Sieg über den Bolschewismus nicht zu gefährden, und bereitet ihm sowenig Schwierigkeiten wie möglich. Dies geht so weit, daß er, obwohl im Besitz der magischen Kraft, mit einem Wort den Judenverfolgungen Einhalt zu gebieten, nicht nur dieses Wort, das er aus eigenem Antrieb hätte finden müssen, unausgesprochen läßt, sondern es sogar verweigert, als er darum gebeten wird. Um das Bild zu vervollständigen: Er wäscht seine befleckten Hände und deutet damit an, daß er jegliche Verantwortung
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für das weitere Schicksal der Juden ablehnt. Als man nicht nachläßt, bricht er, der Bitten überdrüssig, das Thema ab und geht zu einer anderen Frage über, die für die Kirche, deren Oberhaupt er ist, weitaus größere Bedeutung hat. Es ist dies die Frage der Kapitalbeteiligungen der Kirche an einer bestimmten Anzahl von Industriebetrieben, mit deren Zerstörung durch die Alliierten mit großer Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist und die es, wenn man der Kirche einen finanziellen Verlust ersparen will, zu verkaufen gilt, bevor es zu spät ist. Und an wen sollte man sie verkaufen? Nun, an eben diese Alliierten! Seine mangelnde Sympathie ihnen gegenüber, die das ganze Stück hindurch nicht verborgen bleibt, wird hier überdeutlich: Die Alliierten würden auf diese Weise ihr eigenes Vermögen vernichten, während er selbst - ganz gleich, welchen Ausgang der Krieg auch nehmen würde - keinerlei Schwierigkeiten hinsichtlich einer Rückerstattung zu befürchten brauchte, da er diese schon vorher erhalten haben würde. So sehen zumindest die Vorstellungen aus, die dem scharfsinnigen Zuschauer in diesem Zusammenhang vermittelt werden. Der Autor geht zwar nicht so weit, zu behaupten, dieser Papst sähe in Hitler einen Boten der Vorsehung, der gekommen sei, um gleichzeitig mit dem Bolschewismus durch die Auslöschung des jüdischen Volkes - endlich! - auch den schon zwei Jahrtausende währenden Streit zwischen Juden und Christen aus der Welt zu schaffen - doch läge das nicht fern. Hochhuth jedenfalls hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berge, wenn er sagt:
Und das soll Pius XII. gewesen sein!
In Originalfassung und unter Originaltitel gelangte Der Stellvertreter in Berlin am 20. Februar 1963, in Basel am 3. Dezember und in Wien am 27. Januar 1964 zur Erstaufführung. In Übersetzung wurde das Stück in London am 21. Juni 1963 (unter dem Titel The Representative), in Paris am 9. Dezember 1963 (als Le Vicaire) und in New York am 28. Februar 1964 (als The Deputy) uraufgeführt. So seltsam das erscheinen mag, in Tel Aviv wurde es zuletzt, nämlich erst am 20. Juni 1964, herausgebracht:
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Die beiden Hauptinteressenten an der allgemeinen Verbreitung des in dem Drama behandelten Themas, die Weltbewegung des Zionismus und der Staat Israel, dürfen es sich als Verdienst anrechnen, diese Angelegenheit nicht als erste aufgegriffen zu haben. Zu bemerken ist ferner, daß das Stück zwar ins Italienische übersetzt, in Rom jedoch bisher immer noch nicht gespielt wurde. Auch in Moskau fand noch keine Aufführung statt. Der Grund hierfür - man mag sich dazu stellen, wie man will - ist im ersten Falle darin zu suchen, daß das Papsttum in Friedenszeiten in Italien noch über genügend Einfluß verfügt, um sich Verhöhnungen vor der eigenen Tür zu verbitten [4], auch wenn seine Macht im Kriege, als es von allen Seiten eingekreist war, nicht ausreichte, die Festnahme von Juden an eben dieser Stelle zu verhindern. Im Falle Moskaus dürfte der Grund in der Chruschtschowschen Annäherungspolitik gegenüber dem Vatikan liegen, die auch für seine Nachfolger richtunggebend zu bleiben scheint.
In Berlin, London, Basel, Paris und New York lösten die ersten Aufführungen im Theater und auf der Straße feindselige Demonstrationen aus, die das Einschreiten der Polizei erforderlich machten. In intellektuellen Kreisen entbrannten leidenschaftliche Diskussionen, deren Ende noch nicht abzusehen ist. In Wien war die Reaktion zwar nicht geringer und nicht weniger entschieden, doch blieb der Protest der öffentlichen Meinung korrekt und in Grenzen. Auch in Israel verhielt man sich korrekt. Zwar entstand eine Diskussion darüber, ob es zweckmäßig sei, das Stück dort aufzuführen, doch führte das nur dazu, die Generalprobe um einige Monate hin-
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auszuzögern. Im Falle Israels dürfte es sich aber wohl nur um eine Diskussion der Form halber, um eine künstlich entfachte Erörterung handeln, die einzig und allein zum Ziel hatte, eine gewisse Zurückhaltung zu bekunden, und geschähe dies auch nur zum Schein und aus Gründen der Diplomatie.
Ein Stück mit einem solchen Inhalt und einer solchen Form mußte zwangsläufig Wellen schlagen. Der Skandal begann zunächst mit einer Überraschung: Bis zum 20. Februar 1963 herrschte in der ganzen Welt, bei Atheisten und Gläubigen, bei den Anhängern der römisch-katholischen Kirche wie auch denen der anderen, mit dieser konkurrierenden christlichen Bekenntnisse, die fast einhellige Meinung, Papst Pius XII. habe alles getan, was in seiner Macht stand, um den Krieg zu verhindern oder doch in Grenzen zu halten. Als ihm schließlich beides nicht gelang, habe er sich mit ganzer Kraft dafür eingesetzt, zumindest eine Beendigung aller Grausamkeiten herbeizuführen, wann immer er davon Kenntnis erhielt. Bezüglich der Dinge, die man in diesem Zusammenhang den Deutschen zur Last legt - die der anderen werden nur noch selten erwähnt -, hatte von Ribbentrop am 27. März 1946 in Nürnberg folgendes erklärt: " . . . ich weiß, daß wir vom Vatikan Proteste erhielten, das heißt, wir hatten eine ganze Schublade voll von Protesten aus dem Vatikan [5]." Als man Ribbentrop vorwarf, niemals darauf geantwortet, ja nicht einmal Kenntnis davon genommen zu haben, hatte er präzisiert: "Das ist wirklich wahr. Es ist so: Der Führer nahm gegenüber diesen Vatikan-Angelegenheiten einen derartigen Standpunkt ein, daß von da an die Proteste mir nicht mehr übergeben wurden [6]." Es ging hierbei um Dinge, die sich im März 1943 in Polen zugetragen haben sollen. In Wirklichkeit hatten sich die Proteste aus dem Vatikan schon seit langem in Ribbentrops Schubladen angehäuft, ohne daß man ihnen auch nur irgendwelche Beachtung geschenkt hatte. Um den Standpunkt des Führers wie auch seine Rechtfertigungen kennenzulernen, braucht man ebenfalls nur die Protokolle des Nürnberger Prozesses zu stu-
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dieren. Im Oktober 1939 hatte sich der Nuntius in Berlin, Msgr. Orsenigo, als er von der Behandlung polnischer Geistlicher durch die deutsche Polizei im besetzten Gebiet erfuhr, zu Staatssekretär von Weizsäcker begeben, um ihm zwei Protestnoten zu überreichen. Als von Steengracht, ein anderer Staatssekretär Ribbentrops, am 26. März 1946 in Nürnberg über den Verbleib dieser Noten verhört wurde, hatte er erklärt: "Der damalige Staatssekretär (von Weizsäcker) hat diese ordnungsgemäß Ribbentrop weitergeleitet, und Ribbentrop hat sie seinerseits Hitler vorgelegt. Da der Vatikan das Generalgouvernement nicht anerkannt hatte, und demgemäß der Nuntius für diese Gebiete nicht zuständig war, erklärte Hitler, als ihm diese Noten vorgelegt wurden: 'Sie stellen eine einzige plumpe Lüge dar. Geben Sie diese Noten über den Staatssekretär in schroffer Weise dem Nuntius zurück und sagen Sie ihm, Sie würden niemals mehr eine derartige Sache entgegennehmen [7].' "
Dies läßt bereits folgende Schlüsse zu: Zweifellos hätten die durch den Nuntius in Berlin dem Auswärtigen Amt übergebenen Protestnoten auch keine größere Wirkung gehabt, wenn der Vatikan die von Hitler festgelegten Grenzen des neuen Polens anerkannt hätte. Doch anstatt sich den ganzen Krieg hindurch "schubladenweise", ohne die geringste Registrierung, in Ribbentrops Schreibtisch anzuhäufen und anschließend in den Papierkorb zu wandern, von wo aus sie spurlos verschwanden, würden sie sich heute zumindest in den deutschen Archiven befinden, wo sie denen, die dort nach der Wahrheit forschen, zugänglich wären - falls sie nicht vielleicht doch sofort in einer Akte abgelegt wurden wie jene Nr. 6, die auf so geheimnisvolle Weise - und zum Glück für bestimmte Leute! - dann doch noch verschwand. Aber das ist eine andere Geschichte, auf die wir bei entsprechender Gelegenheit zurückkommen werden. An dieser Stelle sollte lediglich betont werden, daß Pius XII. durch seine Weigerung, das von Hitler umgestaltete Polen anzuerkennen, diesem das erforderliche Argument lieferte, um sich sämtlichen diesbezüglichen Vorstellungen des Papstes entziehen zu können. Diese Weigerung blieb im übri-
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gen ohne jeden Einfluß auf seine Beurteilung durch die Nachwelt, da jener offensichtlich feindselige Akt gegenüber der Politik Hitlers ihm noch nicht einmal von seinen heutigen Kritikern zugute gehalten wird. Doch was hätte man ihm erst vorgeworfen, wenn er in dem Bemühen und in der Hoffnung, dadurch etwas zu erreichen, dieses neue Polen anerkannt hätte?
Steengracht gibt uns im übrigen auch Auskunft über die Art der Proteste des Vatikans sowie über den Personenkreis, der den Anlaß dazu bildete: "Ich habe ja gesagt, daß ich in Hunderten von Fällen, in denen der Nuntius zu mir kam, auch wenn es sich um Juden handelte, für die der Nuntius nicht zuständig war, und in Fällen, in denen der Nuntius tätig wurde für die polnischen Geistlichen, also auch ein Gebiet, für das er nicht zuständig war, die Fälle entgegengenommen habe . . . [8]."
Es fällt auf, daß jedesmal, wenn in irgendeinem der dreizehn Nürnberger Prozesse die Sprache auf den Vatikan kam, die Zeugen der Anklage wie auch die der Verteidigung eine inhaltlich und weitgehend auch wörtlich gleiche Darstellung der Ereignisse gaben, in die sie seinerzeit verwickelt waren. Die Berichte zeigen keinerlei Abweichungen. Dies beweist, daß Pius XII. entgegen den Behauptungen seiner Verleumder keineswegs einzig und allein die Interessen der katholischen Kirche im Auge hatte und daß insbesondere die Juden nicht von seiner Fürsorge ausgeschlossen waren. Im übrigen ist meines Wissens diese Ansicht bis zum 20. Februar 1963 auch niemals von irgendeiner Seite öffentlich in Zweifel gezogen worden.
Es lassen sich aber noch bessere Zeugnisse anführen: Auf protestantischer Seite zeigte man sich im großen ganzen sehr zurückhaltend, obwohl die von Luther und Calvin überkommene antipäpstliche Einstellung hier noch immer ihre Anhänger hat. Wir werden allerdings noch sehen, daß die Rolle, die die Protestanten bei der Machtergreifung Hitlers im Vorkriegsdeutschland spielten, sowie die Lage, in der sich der Protestantismus in der Nachkriegszeit befand, für diese Zurückhaltung nicht unmaßgeblich sind. Hingegen wurden die hervorragendsten Vertreter der jüdischen
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Geisteswelt und Politik nicht müde, Pius XII. für sein Handeln während des Krieges Lob und Dankbarkeit zu bekunden. Denken wir an dieser Stelle gleichzeitig an die nicht nur zufriedenen, nein, begeisterten Kommentare, mit denen man in der gesamten Presse, einschließlich der sozialistisch und kommunistisch ausgerichteten Blätter, seine Wahl am 2. März 1939 begrüßt hatte, so rundet sich alles zu einem deutlichen Bild. Der Anhang zu diesem Buch enthält Darstellungen aller derjenigen, die uns Pius XII. während seiner ganzen Laufbahn als einen Papst gezeigt haben, der weder für den italienischen Faschismus noch für den deutschen Nationalsozialismus jemals auch nur die geringste Sympathie besaß. Dabei hat man im übrigen kaum bemerkt, daß sie für den russischen Bolschewismus auch nicht größer war.
Angesichts dieser ziemlich allgemein verbreiteten und festverwurzelten Ansicht bedeutet Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth eine Wendung um einhundertachtzig Grad. Die daraufhin einsetzenden Reaktionen der Öffentlichkeit forderten den Autor gewissermaßen zu einer Rechtfertigung auf. Und dieser junge Mann, der die nicht zu unterschätzende Leistung vollbrachte, plötzlich, von einem Tag zum anderen, zum Mittelpunkt einer Welt zu werden, die sich auf der Suche nach einem guten Gewissen befindet, schilderte nun vor allem den entsetzlichen Gewissenskonflikt - den Alpdruck, wie Jacques Nobécourt es nannte [9] -, der ihn vom Beginn seines fünfzehnten (Todesjahr Hitlers) bis zu seinem dreiunddreißigsten Lebensjahr begleitete und gegen den die seelische Zerrissenheit, die Victor Hugo uns in der Figur des Jean Valjean [10] vor Augen führt, ganz sicher nur eine Kleinigkeit war. Dieser Gewissenskonflikt beruhte darauf, daß der Krieg für ihn ein ganz bestimmtes Gesicht trug - dieser Krieg, der fast sechs Jahre gedauert, die ganze Welt in Blut und Asche gelegt, der Europa von den Pyrenäen bis zur Wolga, vom äußersten Norden bis zum äußersten Süden in ein riesiges Trümmerfeld verwandelt und fünfzig Millionen Leichen auf der Strecke gelassen hatte: Unter diesen fünfzig Millionen Leichen, so sagte Hochhuth, gab es sechs
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Millionen tote Juden - Männer, Frauen, Kinder und Greise, ohne jeden Unterschied -, und der Gedanke an diese sechs Millionen hatte ihn achtzehn Jahre lang Tag und Nacht gequält.
Wir wissen jetzt, nach welchen Gesichtspunkten Hochhuth vorgeht. So ist ihm der Krieg, der ihn weder in seinem Prinzip noch in seinen Gesamtauswirkungen jemals gekümmert hat, durch eine einzige seiner Folgeerscheinungen buchstäblich zu einer Qual geworden: durch das Unrecht, das er den Juden zufügte - alles übrige war belanglos! Und Hochhuth hatte nicht eher Rast noch Ruhe, bevor er nicht den Verantwortlichen für dieses Verbrechen gefunden hatte, das weitaus schlimmer als das Schlimmste, weitaus schlimmer als alles überhaupt nur Vorstellbare [10a] war. Nach achtzehnjährigem, unbeschreiblichem Alptraum hatte er als guter Protestant, der wie alle seine Glaubensbrüder sämtliches Unglück dieser Welt auf die Existenz des Papstes zurückführt - ähnlich wie von einem nicht unbeträchtlichen Teil der öffentlichen Meinung jegliches Mißgeschick auf das Vorhandensein der Juden zurückgeführt wird -, den Schuldigen endlich gefunden, nämlich Pius XII. Wohl hatte dieser in jenen sechs Jahren jedesmal, wenn er das Wort ergriff, gegen jegliche Kriegsgreuel Protest erhoben - dies wurde auch von Hochhuth nicht in Abrede gestellt -, doch hatte er sich dabei stets einer ganz allgemeinen Sprache bedient, ohne jemals - mit einer einzigen Ausnahme - auf das Martyrium der Juden expressis verbis hinzuweisen. Dies führte zu der ersten Folgerung: daß der Papst geschwiegen habe. Die zweite Folgerung schloß sich daran an: Er habe geschwiegen - aus Sympathie für Hitler und den Nationalsozialismus! Und Hochhuth, der sich entsann, daß er Pius XII. in seinem Drama einen "Verbrecher" genannt hatte, ging in dem Bemühen, die Unerschütterlichkeit dieser seiner Auffassung zu dokumentieren, sogar noch einen Schritt weiter, indem er hinzufügte, daß er "schändlich [10b]" gewesen sei. Das Thema erhielt somit seine endgültige Gestalt: Wir erblicken einen Papst, der nicht nur zu einem "Verbrecher", nein, zu einem "schändlichen Verbrecher" wurde, und zwar einzig und allein des-
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halb, weil er schwieg! Wir werden im übrigen sehen, daß dieses Schweigen keineswegs den Tatsachen entsprach und ihm vor allem von solchen Leuten unterstellt wurde, die niemals wesentlich weiter sahen, als ihre Nase reichte.
Und die anderen Verantwortlichen? Die Churchill, Roosevelt, Stalin? Sowohl vor dem Kriege als auch während des ganzen Krieges waren ihnen alle nur denkbaren Möglichkeiten geboten worden, die Juden vor den Schrecknissen in Sicherheit zu bringen, diese Juden, welche die NS-Lenker Deutschlands (bevor sie sie in Lagern zusammenfaßten und danach) schon als bürgerliche Volksschicht für gefährlich hielten, erst redet aber als demoralisierendes Element für ihr im Kampf stehendes Volk ansahen. Aber sie haben es nicht getan - feine Leute, kann man da nur sagen! Jacques Nobécourt, der sehr treffend darauf aufmerksam machte, daß man eigene Schwächen nicht durch das Versagen anderer rechtfertigt, wies dieses Argument in sehr geschickter Weise zurück: "Das Beispiel dieser Leute heranzuziehen, um das Schweigen Pius' XII. zu erklären, hieße, den Papst mit Staatsmännern, die kraft ihres Amtes zu Realismus verpflichtet sind, auf eine Stufe stellen, während doch die Aufgabe des Papstes gerade darin bestand, ohne Rücksicht auf Opportunität zu jeder Zeit zu sprechen und die Botschaft des Evangeliums ins Gedächtnis zu rufen, indem er sie selbst genau befolgte [11]." Nobécourt brauchte sodann nur noch zu demonstrieren, daß der päpstliche Auftrag, "ein Vater der gesamten Menschheit zu sein", und zwar ohne Ansehen der Rasse, der Nationalität oder selbst der Religion, es Pius XII. zur Pflicht machte, "die Botschaft des Evangeliums, die in seine Hände gegeben war", in diesem Sinne "ins Gedächtnis zu rufen".
Das ist sicher, und Pius XII. bedurfte hier auch keiner Aufforderung. Die "genaue Befolgung" der Botschaft des Evangeliums bestand für ihn in der Notwendigkeit, sich für die Rettung des Friedens - das heißt, für die Rettung der gesamten Menschheit - einzusetzen und später, nachdem er in diesem Bemühen gescheitert war, den Krieg zum Stillstand zu bringen, um zu retten, was zu retten war.
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So gesehen, ist es gehässig, ihn eines angeblichen Schweigens zu beschuldigen, denn er erhob seine Stimme so laut und so deutlich, wie es ihm nur möglich war.
Doch nach der Meinung Nobécourts hätte die Pflicht zur "genauen Befolgung" der Botschaft des Evangeliums den Papst veranlassen müssen, sein Handeln einzig und allein auf das Schicksal der Juden zu beschränken, mit anderen Worten: nichts gegen den Krieg zu unternehmen, ihn also seine Höllenfahrt fortsetzen zu lassen und ihm den Rest der Menschheit preiszugeben.
Man wird mir erlauben, daran zu zweifeln, daß die von Nobécourt unternommene Beweisführung sehr einleuchtend ist. Vor allem heutzutage. Denn wenn man schon so weit geht, Vermutungen darüber anzustellen, "was Papst Pius XII. erreicht hätte, wenn . . . ", dann zwingt wirklich nichts dazu, das nur der Gegenpartei zu erlauben. Man könnte ebenso behaupten, Pius XII. wäre auf der Skala der universellen Werte um einige Stufen herabgestiegen und hätte seinem päpstlichen Amt und Auftrag jene einseitige Auslegung gegeben, die er zum Mißfallen vieler von sich gewiesen hatte, wenn er nicht von einem Gipfelpunkt menschlichen Denkens ausgegangen und das Heil der Juden nur in unlösbarer Einheit mit dem Heil der ganzen Menschheit gesehen hätte, das heißt im Frieden, dem höchsten aller Güter. Hier hätte Nobécourt von Realismus sprechen können, diesmal allerdings von einem Realismus "niederer Art", um so mehr, als dieser - genau wie jener, den er Pius XII. zum Vorwurf macht - ein bloßes Gedankengebilde bleiben mußte, denn es steht - wie wir noch zeigen werden und wie er auch selbst sagte ñ wohl eindeutig fest, daß Pius XII. im einen wie im anderen Falle angesichts der Ereignisse "vor Türen stand, die kein Schlüssel zu öffnen vermochte [12]". Zudem könnte die große Mehrheit der übrigen Menschen darauf hinweisen, wie seltsam doch eine Vaterschaft gegenüber der gesamten Menschheit beschaffen gewesen wäre, deren Fürsorge vorzugsweise, wenn nicht gar ausschließlich, den Juden gegolten hätte, eine Vaterschaft, so kurzsichtig, daß sie, nachdem ihr das Wesen des Problems entgangen war, dasselbe gar nicht
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mehr in seinem Kern angepackt hätte und die daher nicht nur für den Tod der Juden, sondern für alle fünfzig Millionen Menschenleben, die der Krieg forderte, verantwortlich gewesen wäre. Und es hätte nur noch allem die Krone aufgesetzt - doch niemandem würde das auffallen! -, wenn der Protestant Rolf Hochhuth unter dem gleichen frenetischen Beifall der Zionisten einen Stellvertreter über eben dieses Thema geschrieben, der Kommunist Piscator das Stück auf die Bühne gebracht hätte und der christliche Progressist Jacques Nobécourt ihnen in der gleichen Weise auf dem Fuße gefolgt wäre. Und - wenn man's recht überlegt - warum auch nicht?
Es ist möglich, daß es von höchstem Geiste zeugt, eine gewisse Verachtung für den Realismus zur Schau zu tragen und demgegenüber einen Idealismus zu bekunden, der darin besteht, zu jeder Zeit, ohne Rücksicht auf Opportunität, in einer einmal festgelegten Weise zu sprechen und zu handeln. Es kann schon sein, daß dies das Privileg und die Ehre der wahren Eliten darstellt - deren reinste Verkörperung sicherlich jener illustre Kreis war, der die Kampagne gegen Pius XII. startete. Jedenfalls steht die obenbeschriebene Haltung in jenen Kreisen, deren geistige Anmaßung nur noch ihrer Gewissenlosigkeit gleichkommt und an denen Pierre Daninos [13] seine höchste Freude findet, in bestem Ansehen. Doch wenn man weiß, daß am Ende jeden Denkprozesses stets der Augenblick kommt, in dem die Folgerungen, die daraus gezogen werden, sich durch das Wort im Bereich des Sittlichen und durch die Tat im Bereich der tatsächlichen Verhältnisse niederschlagen müssen, das heißt der Augenblick, in dem im einen wie im anderen Falle das Ideale zum Realen werden muß, dann ist alles nicht mehr nur "Realismus" oder nur "Idealismus", und es geht, da sich das eine mit dem anderen vermischt, lediglich noch darum, zu wissen, auf welcher Ebene "zu jeder Zeit" gesprochen oder gehandelt werden muß: auf der Ebene der "Beatles", deren Ideal von der Notwendigkeit inspiriert zu sein scheint, auf die Alten pharisäerhaft hinabzusehen, oder auf der Ebene Christi, der den Kreuzestod erlitt, "um alle Sünden dieser Welt auf sich zu nehmen", ob der Papst einzig und allein für das
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Heil der Juden eintreten mußte (immer vorausgesetzt, daß er wußte, in welchem Maße sie bedroht waren) oder für das der ganzen Menschheit? Die Antwort auf diese Frage wird, indem sie zwischen den beiden Extremen den Punkt festlegt, an dem alles nur noch "Realismus" ist, und den, an dem alles "Idealismus" ist, sagen, wo der Sophismus liegt.
Man kam sehr rasch dahinter, daß Hochhuth nach der Bewältigung seines "Alptraumes" nichts mehr zu sagen hatte - eines "Alptraumes", der, vergessen wir es nicht, achtzehn Jahre lang gedauert hatte, was sich in seinen Zügen deutlich spiegelte, in diesem Gesicht, "das in keiner Weise fesselte, diesem Gesicht eines Studenten, der gerade etwas Unpassendes gesagt haben könnte [14]", was aber auch zu erkennen war an seinem vollen Haar, der faltenlosen Stirn und dem unbeteiligten Blick, an diesem ganzen Gesicht, dessen Harmonie durch nichts unterbrochen wurde, es sei denn durch den etwas zu sinnlichen Mund. Indem sie ihn ein kleines bißchen aufstachelten, brachten Journalisten es fertig, ihn zu Aussagen zu bewegen wie: er habe sich zu "einem Advokaten der katholischen Kirche" gemacht, oder: in Berlin habe ein großer Teil der Zuschauer ihn "für einen Katholiken [15]" gehalten. Der Wert dieser Aussage wurde einem sofort deutlich, wenn man hörte, daß er sich dabei auf solche hervorragende Persönlichkeiten wie "Hans Werner Richter und Günter Grass" (!!!) berief. Oder er gab Dinge von sich wie: er greife den Papst weder als Menschen noch als Papst an, sondern deswegen, weil er "die Verkörperung der Schuld sei, die wir alle auf uns geladen haben", und anhand dieser Gestalt müsse es "jedem Zuschauer möglich sein, über seine eigene Schuld nachzudenken [16]". Nicole Zand gegenüber betonte er sogar, daß "der einzige Angriff gegen den Papst sich gegen dessen Schweigen richte, und zwar ausschließlich dagegen", und daß "derjenige, der für fünfhundert Millionen Gläubige die Verantwortung trug . . . und der von einer beträchtlichen Anzahl Ungläubiger als die höchste sittliche Instanz der Erde angesehen wurde, nicht das Recht hatte, still zu bleiben,
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zu schweigen angesichts des Massenmordes, den die Nazis an den Juden verübten [17]".
Und so wären wir wieder einmal beim Nebenaspekt angelangt, der aber als der wirkliche Kern der Sache angesehen wird, weil hier Pius XII. für eine der kriegführenden Mächte hätte Partei ergreifen können. Daß er das nicht tat, ist letzten Endes der ganze Vorwurf, den man gegen ihn erhebt. Dieser Sehweise begegnete Pius XII. jedoch schon im voraus, indem er seine Einstellung hinsichtlich der Kriegsopfer kundtat:
" . . . [dieser Krieg, der sich bereits in] einer Reihe von Handlungen [äußerte], die mit den Vorschriften des geltenden internationalen Rechts wie denen des Naturrechts und selbst mit den elementarsten Gefühlen der Menschlichkeit gleichermaßen unvereinbar sind: die Grausamkeiten und die unerlaubte Anwendung von Vernichtungsmitteln, selbst gegen Nichtkämpfer und Flüchtlinge, gegen Greise, Frauen und Kinder [18]."
Oder hören wir von seiner Empörung bei dem Gedanken an die "Hunderttausende, die persönlich schuldlos bisweilen nur um ihrer Volkszugehörigkeit oder Abstammung willen dem Tode geweiht oder einer fortschreitenden Verelendung preisgegeben sind [19]".
Oder denken wir an die Worte, mit denen er noch einmal eindringlich seinen Standpunkt klarzumachen versuchte, indem er hinwies auf die "Bitten derjenigen . . . , die sich mit angsterfülltem Herzen flehend an Uns wenden. Es sind dies diejenigen, die wegen ihrer Nationalität oder wegen ihrer Rasse von größerem Unheil und stechenderen und schwereren Schmerzen gequält werden und auch ohne eigene Schuld bisweilen Einschränkungen unterworfen sind, die ihre Ausrottung bedeuten [20]."
Diese absolut eindeutigen Stellungnahmen, die man in dieser oder jener Form fast immer antraf, sobald Pius XII. vor seinem üblichen Zuhörerkreis das Wort ergriff (insbesondere in allen
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seinen Weihnachtsansprachen und regelmäßigen feierlichen Ansprachen am 2. Juni jeden Jahres) oder sobald er sich schriftlich äußerte, werden von den Verteidigern des Stellvertreter im allgemeinen so wenig in Erwägung gezogen, als wären sie niemals ausgesprochen worden. Man kann nur fragen: Warum?
Die Antwort liegt uns vor in Form einer Erklärung des römischen Bankiers Angelo Donati gegenüber dem Centre de Documentation juive contemporaine, Paris [21]. Donati schildert darin den nachstehenden Meinungsaustausch zwischen dem Staatssekretär Pius' XII., Msgr. Maglione, und dem britischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Sir Osborne, von dem Donati im August 1943 durch Osborne Kenntnis erhielt:
"Sie sehen", sagte Msgr. Maglione zu Sir Osborne, "daß der Heilige Vater [in seiner Weihnachtsbotschaft 1942] den Empfehlungen Ihrer Regierung Rechnung getragen hat."
Und Osborne entgegnete hierauf, "daß eine solche umfassende Verurteilung, die ebensogut das Bombardement der deutschen Städte gemeint haben könnte, nicht dem entspricht, was die englische Regierung erbeten hat".
An dieser Stelle nun zeigt sich des Pudels Kern: Die Proteste Pius' XII. gegen die Greuel des Krieges waren stets so formuliert, daß sie sie ausnahmslos, ohne Rücksicht auf den Urheber, verurteilten. Was man dem Papst heute jedoch in dieser Hinsicht zum Vorwurf macht, ist, daß er sich nicht darauf einließ, nur die Schändlichkeiten des einen der beiden feindlichen Lager anzuprangern. Mit dieser Einstellung bekennt Pius XII. sich seinerseits
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zu der allerdings noch sehr neuen Lehre von Papsttum und Kirche, die, von Pius X. konzipiert, bei Benedikt XV. ihre glänzendste Formulierung fand:
"Wir bedauern es, daß Wir nicht mehr tun können, um das Ende dieser Heimsuchung [gemeint ist der Erste Weltkrieg] herbeizuführen. Unser apostolisches Amt gestattet es Uns nicht. Hingegen gehört es zweifellos in höchstem Maße zu den Obliegenheiten des Pontifex Maximus, der von Gott zum obersten Interpreten und Schützer des ewigen Rechtes bestellt wurde, zu verkünden, daß es keinem Menschen, aus welchen Gründen auch immer, gestattet ist, das Recht zu verletzen. Wir verurteilen jegliches Unrecht, von welcher Seite es auch begangen sein mag. Aber es wäre weder angemessen noch nützlich, in den eigentlichen Streit der Kriegführenden einzugreifen [22]."
Die Worte "angemessen . . . , nützlich . . . " klingen zweifellos ein wenig nach ganz gewöhnlichem "Realismus", doch nur, wenn man sie aus ihrem Zusammenhang löst und wenn man vergißt, daß ein Papst ebenfalls den Rang und die Vorrechte eines Staatsoberhauptes besitzt und als solches genötigt ist, sich in der Öffentlichkeit der Sprache der Diplomatie zu bedienen, falls er seine "apostolische" Mission nicht gefährden will.
Als der Journalist, demgegenüber die obige Äußerung gemacht wurde, dem Papst im Verlauf des Gesprächs zu bedenken gab, daß "zahlreiche Priester in Belgien und Frankreich als Geiseln festgenommen und erschossen" worden seien, entgegnete Benedikt XV., daß auch von der Gegenseite Geiseln genommen und erschossen worden seien, und zwar nicht nur Geistliche:
"Mir ist von österreichischen Bischöfen versichert worden", sagte er, "daß auch die russische Armee katholische Geistliche als Geiseln festgenommen und, bei einer anderen Gelegenheit, fünfzehnhundert Juden vor sich hergetrieben habe, um hinter dieser lebenden Schutzmauer, die den feindlichen Kugeln preisgegeben war, vorzurücken. Der Bischof von Cremona teilt mir mit, daß die
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italienische Armee bereits achtzehn österreichische Geistliche als Geiseln festhalte [23]."
Man vermeint, das Telegramm vor Augen zu haben, das Harold Tittmann, Hauptmitarbeiter des Sonderbeauftragten Präsident Roosevelts beim Heiligen Stuhl, Myron Taylor, am 5. Januar 1943 an das State Department sandte, nachdem er sich bei Pius XII. nach der wahren Bedeutung der Weihnachtsbotschaft des Jahres 1942 erkundigt hatte:
"Was die Weihnachtsbotschaft anbelangt", schrieb der amerikanische Diplomat, "so machte der Papst mir den Eindruck, daß er aufrichtig glaubt, er habe sich klar genug geäußert, um alle, die im Vergangenen darauf bestanden, er solle einige Worte zur Verurteilung der nationalsozialistischen Grausamkeiten sagen, zufriedenzustellen. Er schien überrascht, als ich ihm sagte, nicht alle Leute seien derselben Ansicht.
Er sagte mir, seines Erachtens sei es für alle Welt klar, daß er die Polen, die Juden und die Geiseln meinte, als er von Hunderttausenden von Menschen sprach, die man getötet oder gefoltert habe, ohne ihnen irgendwelche Schuld beimessen zu können, ja manchmal nur auf Grund ihrer Rasse oder ihrer Nationalität.
Er sagte mir, er habe, als er von diesen Grausamkeiten sprach, nicht die Nationalsozialisten nennen können, ohne die Bolschewisten ebenfalls zu nennen, das aber hätte seiner Meinung nach den Alliierten wahrscheinlich nicht gefallen.
Er erklärte, er fürchte, die Berichte der Alliierten über die Grausamkeiten seien fundiert, obgleich er mir zu verstehen gab, daß seiner Ansicht nach ein wenig Übertreibung zu Propagandazwecken im Spiele sei. Im großen und ganzen meinte er, seine Botschaft müsse vom amerikanischen Volk gut aufgenommen werden, und ich sagte ihm, ich stimmte mit ihm überein [24]."
Angesichts dieser eindeutigen Darstellung und Billigung seitens eines amerikanischen Diplomaten - dessen Zeugnis wohl ebensoviel Gewicht haben dürfte wie das der deutschen Diplomaten, die
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Saul Friedländer [25] zitiert, um den Beweis zu erbringen, daß nur Hitler alle Taten und Aussprüche des Papstes "gut aufnehmen" konnte - hätte das Verhalten Pius' XII. eigentlich niemals Anlaß zu Diskussionen geben dürfen. Dies gilt auch für seine Einstellung gegenüber den Opfern, hinsichtlich derer er stets erklärt hatte, seine Bemühungen gälten "in gleicher Sorge allen Kriegsopfern, allen materiell oder seelisch unter der Kriegsnot Leidenden . . . in Deutschland . . . wie in der übrigen Welt . . . auf der einen oder anderen Seite . . . gleichviel, ob die Betroffenen Kinder der Kirche oder Außenstehende sind [26]". Eine solche Haltung stellte den einzigen Weg dar, nicht "in den Streit der Kriegführenden einzugreifen", nicht Partei zu ergreifen für die eine und gegen die andere Seite - das heißt, einen Weg, der den Forderungen aller sittlichen Lehren, ob auf religiöser Grundlage oder nicht, entsprach. Sie war gleichzeitig die einzige Möglichkeit innerhalb der Grenzen, die ihm durch das päpstliche Amt vorgezeichnet waren, "das Ende der Heimsuchung" - dieses "gegenseitigen Morgens", an das zu denken ihm "unerträglich" war, wie er in seinem Schreiben an Bischof von Preysing sagte - "herbeizuführen". Aus dem Bemühen des Papstes um die Beendigung des Krieges und aus seiner Sorge um eine ganz bestimmte Gruppe der Kriegsopfer konstruierten seine Ankläger anhand des im Stellvertreter dargestellten Themas eine Alternative, bei der die Wahl schon von vornherein feststehen sollte: als eine Entscheidung für eben diesen Kreis von Opfern. Mit der Weigerung, seiner Fürsorge eine so einseitige Ausrichtung zu geben, erbrachte Pius XII. den Beweis, daß zwischen ihm und seinen Anklägern lediglich ein Unterschied im Grad der Einsicht bestand. Im übrigen hatte seine Intervention im obengewünschten Sinne bei zwei Gelegenheiten, 1939 in Polen und 1942 in Holland [27], das Los der Betroffenen nur noch härter gemacht und ihre Zahl
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vergrößert; es war klar, daß er damit gleichzeitig auch seine späteren Möglichkeiten für die Wiederherstellung des Friedens aufs Spiel gesetzt hatte.
Wir übergehen schweigend die Art und Weise, in der Rolf Hochhuth von "unser aller Schuld" spricht und den Papst als den "Vertreter" dieser allgemeinen Schuld bezeichnet. Es ist eine wohlbekannte psychologische Erscheinung, daß ein Schuldiger zunächst einmal dadurch reagiert, daß er ausruft, er sei nicht der einzige Schuldige, und um sich herum nur noch Menschen sieht, die genauso schuldig sind wie er. Nicht weniger bekannt ist es, daß die erste Sorge mehrerer Schuldiger, sobald sie unter sich sind, darin besteht, außerhalb ihres Kreises den Verantwortlichen für ihr gemeinsames Versagen zu suchen. Es ist eine immer wiederkehrende Tatsache, daß sich dieser Verantwortliche stets findet: Man nennt ihn, nach der Fabel, den "Sündenbock". Hinsichtlich der Hitler-Zeit trägt Rolf Hochhuth, damals ein kleines Kind, noch kaum aus den Windeln heraus, und ein wenig später ein halbwüchsiger Junge, ganz offensichtlich keinerlei Verantwortung. Nichtsdestoweniger legt er eine Reaktion an den Tag, die ebenfalls zu jenem Register althergebrachter und durchaus bekannter Phänomene gehört: So sah er sich in dem Alter, in dem man geistig zu erwachen beginnt, in aller Unbefangenheit ganz unvermittelt mit der Verantwortlichkeit seiner nächsten Mitmenschen konfrontiert - beispielsweise der seines Vaters und der seiner älteren protestantischen Glaubensgenossen. Da ihre Rolle bei der Machtergreifung Hitlers in Deutschland nicht unbedeutend war, mußte - so folgerte er - für den Krieg und alle seine Folgen das gleiche gelten. Es bestand kein Zweifel: Obwohl unschuldig, gehörte er doch zu einer Sippe von Schuldigen. Dieser Gedanke wurde ihm unerträglich. Die Ehre der Sippe: Noch immer ist es Rodrigue [28],
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der sich durch die Ohrfeige, die sein Vater empfing, am stärksten gedemütigt fühlt, noch immer setzt Don Diègue sein Vertrauen auf ihn. Im vorliegenden Falle hatte Rodrigue alias Hochhuth viele Väter. Und für alle jene Protestanten, die das schlechte Gewissen drückte, war der Papst die Ohrfeige, der Affront - dieser Papst mit dem ruhigen Gewissen, dieser Papst, dessen Ruf durch sein Verhalten vor dem Krieg und während des Krieges nicht im geringsten beeinträchtigt worden war. Die Niederlage Luthers. Vertauschte Rollen: das Recht auf seiten Don Gormas'. Rodrigue hatte zwar sehr viele Väter, im übrigen aber sehr wenig Mut: Um den Degen zu ziehen, wartete er vorsichtigerweise, bis Don Gormas tot war.
Doch genug des Vergleichs.
Daß es Hochhuth mit seiner Formulierung "unser aller Schuld" vorläufig gelungen ist, die Schuld seiner eigenen Sippe auszuklammern, sie aufzulösen, zu ertränken in jener sogenannten allgemeinen Schuld und seiner Partei ein gutes Gewissen wiederzugeben, steht ebenso außer Zweifel wie seine persönliche naive Unschuld - ein Ausdruck, der hier übrigens in seinem doppelten Sinne zu verstehen ist, vorzugsweise jedoch in seiner abwertenden Bedeutung. Dennoch hat man den Eindruck, daß er vor allem das Ausmaß seines ungebührlichen Verhaltens abschwächen wollte, was man noch als positiv angesehen hätte, wäre es nicht zugleich die niedrigste Art, sich selbst zu rechtfertigen. Denn, so darf man sich fragen, gibt es eine gemeinere und unter Umständen verabscheuungswürdigere geistige Manipulation als zum Beispiel jene, daß der Politiker oder sein geistiger Lehrmeister, der Industriekapitän, einen Teil der Verantwortung für einen Krieg oder einen Friedensvertrag auf den kleinen Monteur in den Renault-Werken abwälzt? Wenn wir "alle schuldig sind" im Hinblick auf den Tod der Juden, warum sollten wir dann nicht auch alle schuld sein am Kriege?
Womit hat ein einziger unter uns es verdient, an den Pranger gestellt zu werden? Warum verdienen nur einige wenige Strafe, und das auch noch in härterem Maße? Warum gehört Hochhuth zu denjenigen, die am hartnäckigsten fordern, daß nur diese wenigen, in Frankfurt oder anderswo, bestraft werden? Es stellte ein-
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mal jemand die Behauptung auf: "Wir sind alle Mörder!" Hiermit wurde das gleiche Thema angeschlagen, jedoch in der Absicht, zu beweisen, daß es keinem unter uns ansteht, sich zum Richter aufzuwerfen. Ohne über den Wert dieses Ausspruches urteilen zu wollen, muß man zugeben, daß der, der diesen Satz aufstellte, immerhin ein ganz anderes geistiges Format besaß.
Von den Erklärungen und Rechtfertigungen Rolf Hochhuths, die des Festhaltens wert wären, bleibt nur noch der Ausspruch übrig, mit dem er sich als "ein Advokat der katholischen Kirche" hinstellt. Wir werden nicht näher darauf eingehen: Auch das Lächerliche hat seine Daseinsberechtigung, man darf sie ihm nicht verwehren.
Die Anhänger Hochhuths haben ganz offensichtlich versucht, sich der Debatte über den Kern des Problems zu entziehen. Zunächst einmal wäre zu sagen, daß keiner von ihnen die Argumente, die ihnen entgegengehalten wurden, je für falsch erklärte. Da sie die Beweise nicht in Abrede stellen konnten, akzeptierten sie diese Argumente als wahr, bezeichneten sie jedoch als unzureichend. Und für das Thema des nur allzu berühmten Gerstein-Berichtes, auf dem ihr Favorit seine Anklage aufgebaut hatte, begnügten sie sich mit der Versicherung, dies alles sei ja allgemein bekannt. Sodann flüchteten sie sich in Binsenwahrheiten über die Tradition des Theaters, die schon immer - angefangen von den griechischen Tragikern, auf dem Wege über Shakespeare, Corneille, Racine, Molière, Schiller, Victor Hugo und andere, bis hin zu Paul Claudel - darin bestanden habe, der Geschichte Persönlichkeiten zu entnehmen und sie auf die Bühne zu bringen. Hierbei brachten sie als Argument vor, daß Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth lediglich deshalb Anstoß errege, weil der Autor es sich erlaubt habe, einen Papst auf der Bühne zu zeigen, das heißt eine Persönlichkeit, die von zu vielen Menschen als hochheilig und unantastbar angesehen werde. Und, so argumentierten sie weiter, es gäbe schließlich keine wesentlichen Gründe, mit Pius XII. eine Ausnahme zu machen, die man weder Sokrates, Julius Cäsar, Richard
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III., Heinrich VIII., Cromwell, Johanna von Orléans noch selbst Alexander VI. Borgia, der ebenfalls Papst war, eingeräumt habe.
Einverstanden. Wir wollen sogar noch hinzufügen, daß die Dramatiker, die jene berühmten Persönlichkeiten auf die Bühne brachten, sich gegenüber der Geschichte ebensoviele Freiheiten herausnahmen wie Rolf Hochhuth und daß ihnen das trotzdem niemals jemand verübelte. Hierfür gibt es wenigstens zwei Gründe: Der eine liegt darin, daß sie uns - selbst im Falle des recht bedenkenlosen Aristophanes, der das politische Theater erfand, und selbst noch im Falle des plumpen Claudel - Meisterwerke des Geistes, der Kultur und der Kunst präsentierten, während sich bisher niemand fand, der zu behaupten gewagt hätte, daß Der Stellvertreter in dieser dreifachen Hinsicht etwas anderes als ein trauriges Erzeugnis sei. Der zweite Grund ist der, daß sie redliche Leute waren und den Ausgaben aller ihrer Werke eine Bemerkung voranschickten, in der sie ihre Quellen anführten und gleichzeitig deutliche Angaben darüber machten, welche Freiheiten sie sich aus Gründen der Inszenierung, ihrer Phantasie oder ihrer Überzeugungen gegenüber der Geschichte erlaubt hatten. Eben zu dem Zweck, den Autoren diese Freiheiten zu gestatten, die niemanden, weder in den Tatsachen noch in den Absichten, täuschen, schuf das Theater sich dann ja auch jene fiktiven Gestalten, die Zofen und anderen männlichen und weiblichen Vertrauten, die man unter der Bezeichnung "Nebenrollen" findet. Hochhuth hingegen hat die Ausgabe seines Stellvertreter mit einem "historischen Anhang" versehen und erklärt dazu, daß es "wenig üblich . . . [sei], ein Drama . . . [damit] zu belasten [29]", woraus ersichtlich wird, inwieweit er sich in dem, was auf diesem Gebiet üblich ist, auskennt. Er bemerkt weiter, der Anhang solle "beweisen, daß der Verfasser des Dramas sich die freie Entfaltung der Phantasie nur so weit erlaubt hat, als es nötig war, um das vorliegende historische Rohmaterial überhaupt zu einem Bühnenstück gestalten zu können [29]", und er habe sich "nur an beweisbare Tatsachen [30]" gehalten. Doch beim Lesen dieses Anhanges stellt man fest, daß außer den Sophismen,
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mit Hilfe deren er die Schuld Pius, XII. zu beweisen sucht, hinsichtlich derjenigen Tatsachen, gegen die der letztere sich hätte verwahren müssen, nur Zeugnisse aus zweiter oder dritter Hand darbietet, wobei in den meisten Fällen präzise Angaben fehlen oder, wenn ein Hinweis erfolgt, er in einer Form gegeben wird wie "einen Industriellen, dessen Name mir leider entfallen ist . . . [31]", "wenn ich nicht irre [31]", "möglich ist es auch [32]" etc. Überdies bringen alle diese Zeugnisse keine Beweise, sondern lediglich eine Überzeugung, die übrigens bei allen die gleiche ist und die in ihrer Quintessenz folgendermaßen aussieht: "Der SS-Offizier Kurt Gerstein, der mir diese Dinge erzählt hat" oder "der diese Dinge meinem Nachbarn erzählte, der sie dann mir weitererzählte, kann nicht gelogen haben." Es sind gewissermaßen "Beweise aus innerer Gewißheit". Und was für welche! Sie gestatten es Hochhuth, zu erklären: "1942, als er in der Nuntiatur erschien und hinausgeworfen wurde [33]", und dann zu unterstellen: "Gersteins Mut und Geschicklichkeit, die sein jahrelanges, nahezu selbstmörderisches Doppelspiel in der SS überhaupt ermöglicht haben, sprechen dafür [sic], daß er bei seinem Versuch, dem Nuntius Einzelheiten aus Treblinka zu berichten, auch bis zu Orsenigo selbst vorgedrungen ist. Die Gewalt seines Anliegens und Gersteins listige Entschlossenheit machen es unwahrscheinlich, daß er sich von einem subalternen Priester aus der Nuntiatur hinausweisen ließ [34]."
Dies heißt Erwin Piscator, der Regisseur des Stellvertreter, "wissenschaftlich erarbeitetes Material künstlerisch formuliert ausbreiten [35]", dies nennt Jacques Nobécourt "eine ständige Bezugnahme auf die Geschichte [36]". Besten Dank für solche Kunst, besten Dank für solche Wissenschaft, besten Dank für solche Geschichte!
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Wenn man bedenkt, daß nach der Darstellung Hochhuths das ganze Problem darin besteht, zu wissen, ob es dem SS-Obersturmführer Kurt Gerstein gelang oder nicht gelang, im August 1942 dem Vatikan Informationen über die Vorgänge zu übermitteln, die sich in Belzec und Treblinka - und nicht, wie Nobécourt und Hochhuth vorgeben, im Konzentrationslager Auschwitz - abgespielt haben sollen, dann ist es immerhin wichtig, über diesen SS-Offizier Kurt Gerstein so genau wie möglich unterrichtet zu werden. Es soll ein von ihm unterzeichnetes Dokument vorhanden sein, in dem es heißt, er sei "zum Verlassen der Botschaft seiner Heiligkeit aufgefordert" worden und er "habe dann alles dies Hunderten von Persönlichkeiten berichtet, u. a. dem Syndikus des katholischen Bischofs von Berlin, Herrn Dr. Winter, mit der ausdrücklichen Bitte um Weitergabe an den päpstlichen Stuhl [37]". Hieraus folgert Saul Friedländer, ein weiterer Generalstaatsanwalt im Fall Pius XII.: "Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß der Text nicht nach Rom geschickt worden ist." Und er fügt hinzu, selbst wenn das nicht geschehen sei, "darf man vermuten [sic], daß Ende 1942 dem Papst ein mit dem hier zitierten im wesentlichen übereinstimmender Text durch Bischof von Preysing übersandt worden ist [38]". Dies ist eine weitere Methode, geschichtliche Wahrheit "wissenschaftlich zu erarbeiten". Und der Mann, der so vorgeht, ist Geschichtsprofessor am Institut universitaire des Hautes Études internationales in Genf! Nicht einen Augenblick lang kommt es ihm in den Sinn - im Gegensatz zu denen, die noch ein wenig Urteilsvermögen haben und die sich die Mühe machten, das mit "Gerstein" unterzeichnete Schriftstück zu lesen -, daß, wenn Gerstein Dr. Winter wirklich das berichtete, was in dem besagten Dokument niedergelegt ist, dieser ihn nur für einen Irren halten konnte [39].
Wie dem auch sei, die "wissenschaftlich erarbeitete" Wahrheit,
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zu der sich Hochhuth schließlich bekennt und die er auf die Bühne bringt, ist folgende: Im August 1942 weist der päpstliche Nuntius in Berlin den SS-Offizier Kurt Gerstein ab, jedoch nachdem er ihn zuvor angehört hat. Ein junger Jesuit aus der Nuntiatur schenkt am folgenden Tage seinen Berichten Glauben und überbringt am 2. Februar 1943 die von ihm erhaltenen Informationen dem Vatikan. Zwecks größerer Sicherheit folgt ihm Gerstein dorthin, es gelingt ihm, sich Gehör zu verschaffen usw. Das Weitere läßt sich erraten: Alles wird dem Papst bekannt, und der Papst - schweigt!
Für die in dem Stück verfochtene These ist es nämlich von Bedeutung, daß der Papst von den Vorkommnissen wußte, und zwar bis ins kleinste. Es ist nicht ersichtlich, warum, denn die Frage, ob er bis ins kleinste davon wußte oder nicht, hätte angesichts der Auffassung, die er von seinem päpstlichen Auftrag hatte, an seinem Verhalten ohnehin nichts geändert. Denn, man kann es nicht oft genug wiederholen, diese Auffassung, die einzige, die in bezug auf sämtliche Sittenlehren akzeptierbar ist, bestand ja gerade darin, seine Handlungsweise nicht von dieser oder jener Gruppe von Opfern, von dieser oder jener Todesart, die sie erlitten, abhängig zu machen, sondern in seinem Handeln dem Krieg als solchem sowie den Möglichkeiten seiner Beendigung Rechnung zu tragen. Übrigens bestand seine Waffe im einen wie im anderen Fall lediglich in der diplomatischen Intervention, obgleich Nobécourt dies wohl für Pius X. [40], aber nicht für Pius XII. gelten läßt. Auf alle Fälle hat er von dieser Möglichkeit diplomatischer Intervention jedesmal Gebrauch gemacht, wenn er von irgendwelchen Dingen Kenntnis erhielt, ganz gleich, ob es sich hierbei um die Verfolgung der Juden oder um die Luftangriffe handelte. Das einzige, was man ihm vorwerfen könnte, ist, daß er dieser Intervention niemals eine Form gab, die eine Parteinahme zugunsten der einen oder anderen Seite der Kriegführenden bedeutet hätte. Aber gerade das gereicht ihm zur Ehre, denn wäre ein solches Verhalten für ein beliebiges Staatsoberhaupt auch durchaus berechtigt gewesen, für den Stellvertreter Christi war es das nicht. Ob er etwas wußte oder nicht, ist daher nur hinsichtlich der geschichtlichen Wahrheit von Interesse. Nun, er wußte nicht von den Dingen, die gewußt zu haben man ihm vorwirft, und Kardinal Tisserant [41], den man ver-
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geblich gegen Pius XII. auszuspielen suchte und den man auf Grund seiner Meinungsverschiedenheiten mit ihm [42] nicht verdächtigen kann, hat die Frage endgültig entschieden:
"Über Auschwitz", erklärte der Kardinal, "wurden wir erst nach der Ankunft der Alliierten in Deutschland unterrichtet [43]."
Diese Wahrheit, die man, wenn man ein Gefühl für Anstand hat, nicht gegen die eines Hochhuth, noch selbst eines Piscator, eines Jacques Nobécourt oder eines Saul Friedländer aufwiegen kann, macht es unerläßlich darzulegen, was es mit jenem SS-Offizier Kurt Gerstein und dem von ihm unterzeichneten Dokument genau gesehen auf sich hat.
Der SS-Mann Kurt Gerstein ist für mich ein alter Bekannter. Aus Sorge um Europa, das ohne Deutschland nicht denkbar ist, bin ich bemüht zu verhindern, daß die geschichtliche Wahrheit über die Konzentrationslager in den wilden Wogen des Deutschenhasses hinweggespült wird. Das Zeugnis jenes Geistlichen, dem es gelungen war, ganz Frankreich und sogar die Journalisten der ganzen Welt davon zu überzeugen, daß er Tausende und aber tausende von Menschen die Gaskammern in Buchenwald und Dora [44] betreten sah (wo es, wie ich selbst wußte, gar keine gab), hatte mich deshalb ebenso erregt wie am 31. Januar 1946 das mit "Gerstein"
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unterzeichnete Dokument. In diesem stand, daß man in den Konzentrationslagern des besetzten Polens die Juden in Schüben von 750 bis 800 Personen in Gaskammern mit einer Grundfläche von 20 qm (eine Fassung des Dokuments - es existieren nämlich zwei davon - spricht von 25 qm) und einer Höhe von 1,90 m systematisch erstickte. Wie es in dem Dokument weiter hieß, seien insgesamt 25 Millionen europäische Juden auf diese Weise erstickt worden. Auschwitz war lediglich zitiert; im Gegensatz zu Belzec und Treblinka war der SS-Offizier in diesem Lager nicht Augenzeuge, sondern hatte anhand von Rechnungen über Zyklon B, das er selbst dorthin geliefert hatte, entsprechende Folgerungen gezogen. Mit Verlaub gesagt, ich habe sogleich gedacht, daß ein Mann, der solche Ungeheuerlichkeiten zu äußern vermochte, entweder gar nicht existierte oder nur ein Irrer [45] sein konnte, daß diejenigen, die diese Dinge ernst nahmen, einen Fall für den Psychiater darstellten und daß diese Dinge selbst der Ausdruck einer bis ins Äußerste getriebenen Deutschfeindlichkeit waren. Da man ihnen jedoch trotz allem Glauben schenkte, wird man verstehen, daß ich mir einmal Klarheit verschaffen wollte. Ich gebe im folgenden einen kurzen Überblick über das, was ich in dieser Hinsicht ermittelt und an anderer Stelle in einem ausführlichen Bericht dargelegt habe, auf den ich den Leser, dem es um die reine Wahrheit geht, hinweisen möchte [46]:
1. Der Gerstein-Bericht liegt in zwei Fassungen vor, einer deutschen vom 4. Mai 1945 und einer französischen vom 26. April 1945 (was zur Genüge beweist, daß Pius XII. nicht im Jahre 1942
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- oder Anfang des Jahres 1943, wie im Stellvertreter gesagt wird - davon Kenntnis gehabt haben konnte). Diese beiden Fassungen gehen zwar von den gleichen Tatsachen aus, doch decken sie sich weder in ihrer äußeren Form noch in ihrem Text.
2. Weder die eine noch die andere Fassung wurde jemals irgendeinem Gerichtshof vollständig vorgelegt oder in irgendeiner Form offiziell veröffentlicht. Eine davon wurde am 30. Januar 1946 im Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg zitiert, jedoch ohne daß man erfuhr, um welche der beiden es sich handelte, und ohne daß eine weitere Angabe ihres Inhalts erfolgte. Da sie dem Gerichtshof, obwohl dieser im übrigen darauf drang [47], nicht vorgelegt wurden, bedeutete das, daß keine der beiden Fassungen als Beweismittel der Anklage zugelassen wurde. Aus Gründen der Redlichkeit muß präzisiert werden, daß Bruchstücke davon, deren Echtheit unmöglich nachzuprüfen ist, von anderen Gerichten in anderen Prozessen - insbesondere dem Prozeß, den man im Januar 1948 gegen die Herstellerfirma des Zyklon B anstrengte, sowie dem "Ärzteprozeß [47a]" im Januar 1947 - zugelassen wurden "mit der Begründung, daß dieses Dokument im Hauptkriegsverbrecherprozeß zugelassen gewesen sei", was keinesfalls zutrifft, und "daß man die Entscheidungen dieses Prozesses statutgemäß nicht in Frage stellen könnte [47a]". Mit derselben juristischen Begründung schließlich wurde das Dokument in seiner französischen Fassung auch 1961 beim Eichmann-Prozeß in Jerusalem zugelassen.
3. Der Gerstein-Bericht ist heute aus dem DépÙt central d'archives de la justice militaire franÁaise (Zentralarchiv des französischen Militärgerichtshofes) sowie "aus den Akten der Spruchkammer in Tübingen [48]", die im Jahre 1949 in dieser Sache zu entscheiden hatte, verschwunden. Ein ungemein günstiger Umstand, denn der
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Skandal um den Stellvertreter war mittlerweile so weit gediehen, daß die Veröffentlichung dieses Dokumentes notwendig und nahezu unvermeidlich wurde, wenn man in dieser Angelegenheit Einhelligkeit erreichen wollte: Es erhebt sich die Frage: Wer hatte ein Interesse daran, es verschwinden zu lassen? Es fällt auf, daß hier zum zweiten Mal in dem Streit um Pius XII. ein Dokument verlorengegangen ist: Bekanntlich ist die Akte Nr. 6 des Vatikans in den deutschen Archiven ebenfalls unauffindbar; dabei war es nicht nur ein einzelnes Schriftstück, sondern ein ganzes Bündel! Es wird heutzutage in den Archiven leicht gestohlen. Doch es hat nicht den Anschein, als kümmerte das die für die Bewahrung der Archivbestände verantwortlichen Stellen sehr: Es erfolgte nicht die geringste Nachforschung. Das Verschwinden der Vatikan-Akte Nr. 6 aus den deutschen Archiven ist sicherlich schwerwiegend, doch bis zu einem gewissen Grade wiedergutzumachen. Man verfügt schließlich immer noch über die Bestände der Engländer und Amerikaner, die, wie zu hoffen steht, nicht der Plünderung anheimgefallen sind wie die der Franzosen und Deutschen und die zweifellos alle notwendigen Nachprüfungen ermöglichen werden. Es verbleiben außerdem die Archive des Vatikans, doch unterliegen ihre Bestände einer einhundertjährigen Sperrfrist, wobei eventuelle Verzögerungen noch gar nicht eingerechnet sind. Gegenwärtig sind sie bis zum Jahre 1849 freigegeben. Diese Regelung bezieht sich, wohlgemerkt, auf die politischen Schriftstücke und nicht auf die Acta Apostolicae Sedis, die in lateinischer Sprache vernünftigerweise laufend veröffentlicht werden. Ich glaube behaupten zu können, daß man auf Grund der durch den Stellvertreter hervorgerufenen Polemiken für die Zeit des Nationalsozialismus eine Ausnahme machen wird, ja, daß man sogar schon daran arbeitet [49], daß aber die Besteigung des Thrones Petri durch denjenigen, den man schon heute "den guten Papst Johannes XXIII." nennt, weder dazu angetan war, die Dinge zu erleichtern, noch sie zu beschleunigen.
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Es gibt ferner noch die russischen Archive. Doch da man die Gepflogenheiten der Russen auf dem Gebiet der Geschichte kennt, darf man darauf nicht allzusehr zählen, in der nächsten Zeit zumindest nicht.
Das Verschwinden des Gerstein-Berichtes, um darauf zurückzukommen, ist weitaus schwerwiegender: Dieses Schriftstück wurde niemals zum Gegenstand irgendeines diplomatischen Schrittes, und wenn das Original seiner in zwei Sprachen [50] abgefaßten Angaben verschwunden ist, gibt es weiter keine Spur mehr. Folglich wird es niemals mehr möglich sein, die Echtheit dieses Dokumentes nachzuprüfen. Zwar verbleibt noch eine der beiden Versionen, nämlich die deutsche Fassung, die von dem deutschen Historiker Rothfels veröffentlicht wurde, doch wird diese Fassung, die auf Grund ihrer in den Fußnoten offen zugegebenen Änderungen gegenüber dem Original bereits sehr verdächtig ist, bei Nichtwiederauffinden des Originals nichts weiter als eine Fiktion sein. Es bleibt ferner die französische Fassung, die vor dem Tribunal von Jerusalem [51] der Öffentlichkeit bekannt wurde, doch wenn das Original verschwunden ist, bedeutet das, daß diese Fassung nicht vom Original genommen wurde und daß sie trotz des Beweiswertes, der ihr seitens des Gerichtshofes von Jerusalem beigemessen wurde, keinerlei historischen Wert besitzt: Die Hexenprozesse des Mittelalters sind voll von Zeugnissen dieser Art. Darüber hinaus sind da auch noch die Unterschiede gegenüber der von Rothfels publizierten deutschen Fassung.
4. Ein weiterer Punkt bleibt Kurt Gerstein selbst. Als er am 30. Januar 1946 vor dem Gerichtshof in Nürnberg erstmalig erwähnt wurde, war er bereits tot. Sein Todesdatum wird als bekannt angegeben, und zwar mit dem 25. Juli 1945. Doch weiß man weder, wo er starb, noch, was aus seinem Leichnam wurde [52]. Demzufolge wird dieses Datum selbst zweifelhaft. Nachstehend
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einige Angaben zu den Umständen, unter denen sein Tod erfolgte: Nach seiner Verhaftung durch einmarschierende französische Truppen in Rottweil soll er dem amerikanischen Geheimdienst übergeben und von ihm verhört worden sein. Danach soll er dem französischen Geheimdienst übergeben und von diesem zwecks weiterer Verhöre in ein Pariser Militärgefängnis gebracht worden sein. In welches, weiß man allerdings nicht, denn die Unterlage, auf die man sich stützt, besagt lediglich: "Prison Militaire de Paris [53]". Es ist seltsam und überrascht, daß nicht gesagt wird, in welches. In jenem unbekannten Militärgefängnis [54] soll man ihn eines Morgens erhängt vorgefunden haben. Danach nichts mehr: Nacht und Nebel. Wir befinden uns in einer Zeit, in der Dokumente, Menschen, ja sogar Leichen auf geheimnisvolle Weise verschwinden, und bald wird sich leichter rekonstruieren lassen, was zwanzig Jahrhunderte vor Christi Geburt bei den Eskimos oder den Hottentotten geschah, als das, was sich vergangene Woche in Paris zutrug. Was wurde aus dem SS-Offizier Kurt Gerstein nach dem 4. Mai 1945? Es ist nichts darüber bekannt, doch ist es nicht ausgeschlossen, daß es noch gelingen könnte, etwas darüber zu erfahren. Vielleicht würde es genügen, die beiden amerikanischen Offiziere, die ihn verhörten und deren Namen und Anschriften man kennt, als Zeugen vorzuladen. Ich betone, vielleicht! Denn es läßt sich immerhin ein Fall denken, bei dem diese Offiziere sich auf bloße Bestätigungen beschränken würden: der Fall nämlich, in dem der SS-Offizier Kurt Gerstein die Aussagen in dem Bericht, der seine Unterschrift trägt - falls es sich überhaupt um die seine handelt! -, nur unter Zwang, im Verlauf oder am Ende eines Verhöres vom Typ der "sanften Vernehmungen", gemacht hätte und ihnen in Rottweil selbst ganz schlicht und einfach unter den Händen weggestorben wäre. In diesem Falle wäre die Überführung in jenes unbekannte Pariser Militärgefängnis eine reine Erfindung gewesen, einzig und
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allein zu dem Zweck, das Verbrechen zu verschleiern, und das wäre auch der Grund, weshalb man den Namen jenes Gefängnisses nicht kennt.
In allen übrigen denkbaren Fällen werden sie aussagen. Von dem Punkt ausgehend, an dem sie Gerstein nach dem Verhör zurückließen, wird es möglich sein, Schritt für Schritt den Weg bis zu seinem Tode zu rekonstruieren, die Umstände zu ermitteln, unter denen sein Tod erfolgte, vielleicht sogar seinen Leichnam aufzufinden. Zugleich wird man dann auch wissen, wie es sich mit der Echtheit des ihm zugeschriebenen Berichtes verhält.
Bisher hat man sich wohl gehütet, jene beiden Offiziere zu befragen. Wenn man sich auch jetzt, nachdem der Bericht verschwunden ist, nicht dazu entschließt, dann bedeutet das, daß er niemals existiert hat.
Und trotz aller Fähigkeit Hochhuths und seiner Anhänger, die geschichtlichen Wahrheiten "wissenschaftlich zu erarbeiten", hat dann Der Stellvertreter kein Fundament mehr.
Infolgedessen wird auch verständlich, daß sie stets auswichen, sobald irgend jemand versuchte, sie an dieses Gebiet, nämlich die Geschichte selbst, heranzuführen.
In einer anderen Hinsicht jedoch zeigten die Anhänger Hochhuths große Ausführlichkeit, die bis an die Grenzen des Schicklichen ging, nämlich bei den Kronzeugen. Hier wurde man wirklich sehr verwöhnt, denn man begegnete Persönlichkeiten wie Albert Camus, FranÁois Mauriac, Albert Schweitzer, Thomas Mann und anderen.
Auf einer Konferenz am 28. November 1945 bei den Dominikanern hatte Albert Camus bezüglich Pius' XII. erklärt:
"Eine Stimme hätte ich in jenen schrecklichen Jahren gern gehört. Man sagt mir, sie habe gesprochen. Ich stelle jedoch fest, daß ihre Worte nicht bis zu mir gedrungen sind [55]."
Der Nobelpreisträger Albert Camus - eine Persönlichkeit also,
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vor der man vor Ehrfurcht in den Boden versinkt. Dennoch sei hier in aller Bescheidenheit darauf aufmerksam gemacht, daß nicht allzuviel übrigbliebe, müßte man alles das aus der Geschichte streichen, was Albert Camus nicht vor die Augen oder zu Ohren kam. So genommen, würde er selbst von einer recht beachtlichen Anzahl von Leuten aus der Geschichte gestrichen werden. Er war zweifelsohne ein sehr großer Philosoph, doch stellte er das mit derartigen Aussprüchen ganz gewiß nicht sonderlich unter Beweis.
Nicht weniger Ehrfurcht empfindet man vor dem überaus großen Schriftsteller und Nobelpreisträger FranÁois Mauriac, der im Geleitwort zu einem Buch Léon Poliakovs [56] folgendes schrieb:
"Wir hatten jedoch nicht den Trost, den Nachfolger des Galiläers Simon Petrus mit eindeutigem und klarem Wort, und nicht mit diplomatischen Anspielungen die Kreuzigung dieser unzähligen 'Brüder des Herrn' verurteilen zu hören. In der Zeit der Besetzung drang ich eines Tages in den verehrungswürdigen Kardinal Suhard, der im stillen so viel für die Verfolgten getan hatte: 'Eminenz, weisen Sie uns, für die Juden zu beten . . . ', und er hob statt jeder Antwort die Arme zum Himmel. Gewiß hatte die Besatzungsmacht Druckmittel, denen man nicht widerstehen konnte, und das Schweigen des Papstes und der Hierarchie war nichts anderes als entsetzliche Pflicht; es ging darum, schlimmeres Übel zu verhüten. Es bleibt, daß ein Verbrechen von solcher Weise zu einem nicht geringen Teil auf alle Zeugen zurückfällt, die geschwiegen haben, was immer die Gründe ihres Schweigens gewesen sein mögen."
Alexis Curvers hat in sehr geistreicher Weise die Abenteuer geschildert [57], die dieser Text zu bestehen hatte. Hochhuth hatte daraus zunächst nur den ersten Satz zitiert. Die dadurch entstandene Verfälschung des Sinnes war offensichtlich. Nachdem die Verleger von Pater Marlé [58], der die Sinnentstellung als erster bemerkte, auf frischer Tat ertappt worden waren, gaben sie schließlich in mehreren Auflagen den gesamten Text an. Ich bin jedoch
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im Besitz eines Exemplars einer deutschen Ausgabe, in der der Verleger die Korrektur nur auf Kosten einer Änderung des Umbruchs hätte vornehmen können und demzufolge sämtliche Mottos, das heißt zwei Druckformen, ganz einfach ausließ, so daß das Vorwort Erwin Piscators mitten in einem Absatz beginnt. Demgegenüber umfaßt die amerikanische Ausgabe, die den vollständigen Text FranÁois Mauriacs wiedergibt, zusätzlich noch einen Brief von Albert Schweitzer: Zum Ruhme Hochhuths fehlte wirklich nur noch dieser!
Um mit FranÁois Mauriac zu Ende zu kommen, sei im folgenden aufgezeigt, wie Alexis Curvers seine "Zeugenaussage" beurteilt:
"Zum großen Glück für Mauriac ordnete der Kardinal nicht die von diesem geforderten öffentlichen Gebete an; indessen gab er einen Protest heraus, was Mauriac nicht tat; er handelte 'im stillen', was Mauriac nicht hindert, ihn im gleichen Atemzuge als verehrungswürdig und für das Verbrechen verantwortlich zu bezeichnen.
Trotz der Druckmittel der Besatzungsmacht, denen man sich nicht widersetzen konnte, trotz der entsetzlichen Pflicht des Schweigens und trotz des schlimmeren Übels, das es zu verhüten galt, forderte Mauriac von Papst, Hierarchie und allen Zeugen einen Protestschrei, den er selbst nicht im entferntesten ausstieß, aber der zwanzig Jahre später zu einem geradezu mit Besessenheit vorgetragenen Thema, zu dem Leitsatz im Feldzug gegen Pius XII. wurde, diesem Feldzug, der in jenen vier Sätzen Mauriacs bereits vollständig enthalten ist."
Man könnte es nicht besser ausdrücken. Es muß jedoch hinzugefügt werden, daß FranÁois Mauriac zur Zeit der Ereignisse sich weitaus mehr Gedanken darum machte, was in Vichy gesprochen wurde und welche Dispositionen Oberleutnant Heller von der deutschen Propaganda-Staffel für ihn traf, als darum, was im Vatikan gesagt wurde. Hier offenbart sich eine Eigenschaft des "nahezu zeitlosen Klanges [59]" einer Stimme: Sie überdeckt alle anderen.
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Aus dem Brief, den Albert Schweitzer am 30. Juni 1963 aus Lambarene an den deutschen Verleger Rolf Hochhuths richtete, sollen nur die drei wesentlichen Gedanken herausgegriffen werden:
1. "Ich habe das Versagen, das damals (in der Zeit der Judenverfolgung) stattfand, lebhaft miterlebt und finde, daß wir uns mit diesem großen Problem des Ablaufs der Geschichte beschäftigen müssen."
Wir erfahren hier, daß Albert Schweitzer diese Zeit "lebhaft miterlebt" hat, also ein aktiver Zeuge war. Gegen wen? Gegen Hitler selbstverständlich. Zwanzig Jahre später ist das immer nützlich zu wissen.
2. "Versagt hat ja nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die protestantische. Die katholische hat die größere Schuld, weil sie eine organisierte, internationale Größe war, die etwas unternehmen konnte, während die protestantische eine unorganisierte, machtlose nationale Größe war."
Albert Schweitzer ist Protestant, und daß er für seine Kirche spricht, setzt niemanden in Erstaunen. Er sei jedoch darauf hingewiesen, daß die protestantische Kirche in Deutschland mit 40 bis 45 Millionen Mitgliedern eine weitaus größere Macht darstellte als die katholische Kirche mit 20 bis 25 Millionen und daß sich ihre Geistlichen 1933 nicht besonders hervortaten, als es darum ging, Hitler an der Machtergreifung zu hindern, eher im Gegenteil, während der katholische Episkopat gegen ihn stimmen ließ [60].
3. "Es hat . . . eine Bedeutung, daß das Drama 'Der Stellvertreter' erschien. Es ist nicht nur die Verurteilung einer geschichtlichen Persönlichkeit, die die große Verantwortung des Verschweigens auf sich lud, sondern es ist auch eine ernste Mahnung an unsere Kultur, der Duldung der Humanitätslosigkeit, mit der wir es nicht ernst nehmen, entsagen zu wollen."
Ein historisches Urteil? Die Vorstellung, daß die Geschichte Urteile fällt, ist in den heutigen traurigen Zeiten sicherlich ziemlich verbreitet. Nicht weniger sicher ist es, daß das Urteil, das in diesen Worten von Albert Schweitzer gefällt wird und das sich nicht scheut, einen Rolf Hochhuth mit der Geschichte zu identifizieren,
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noch nicht einmal mittelmäßig genannt werden kann. Der gemeinsame Tenor dieser drei Gedanken kann niemandem mehr entgehen: Der erste Punkt stellt mit dem Hinweis auf ihn selbst als aktiven Zeugen eine Werbung in eigener Sache dar. Der zweite ist eine Werbung für seine Kirche, die zweifellos "auch versagt" hat, jedoch in weit geringerem Maße als die katholische Kirche, und die man außerdem in vielerlei Hinsicht entschuldigen kann. Der dritte schließlich ist eine diskrete Erinnerung an sein Werk in Lambarene, das er mittels einer sehr geschickten Werbung in hervorragender Weise dahingehend zu nutzen wußte, daß er persönlich in den Augen einer geistig zerrütteten Welt als Inbegriff der Humanität erschien, ein Werk jedoch, das einer beachtlichen Anzahl redlich denkender Menschen [61] mehr und mehr fast ausschließlich kommerziell ausgerichtet zu sein scheint.
Es genügt im übrigen, Les Mots [62] zu lesen, jenes Meisterwerk Jean-Paul Sartres, der in weiblicher Linie von den Schweitzers abstammt und sie daher gut kennt: Nach der Lektüre dieses Werkes hegt man keine Zweifel mehr daran, daß dieser Sinn für Reklame, der von Morvan Lebesque in einer Reportage [63] aus Lambarene bestätigt wurde, in der Familie Schweitzer erblich ist.
Bei Thomas Mann liegt der Fall ein wenig anders. Dieser deutsche Schriftsteller, der im Jahre 1901 (im Alter von 26 Jahren) durch einen bemerkenswerten gesellschaftskritischen Roman, Die Buddenbrooks, berühmt wurde, hatte 1914 die Aufmerksamkeit der intellektuellen Kreise Frankreichs wegen des Einflusses auf sich gezogen, den er in den intellektuellen Kreisen Deutschlands zugunsten des Ersten Weltkrieges ausgeübt hatte [64]. Man muß annehmen, daß der Krieg ihm ein Bedürfnis war: Von 1933 an stellte er sich in den Dienst des Zweiten Weltkrieges. Seine philosophischen Beweggründe jedoch hatten in einem Vierteljahrhundert eine völlige Wandlung erfahren, denn von einem Anhänger des Pangermanismus war er zu einem Gegner des Nationalsozialismus ge-
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worden. Die Niederwerfung des Nationalsozialismus allerdings hatte er vorsichtshalber uns überlassen: Er selbst hatte nämlich bei den ersten Anzeichen der Gefahr, die dieser für ihn bedeutete, nichts Eiligeres zu tun gehabt, als schleunigst seine kostbare Person in den Vereinigten Staaten in Sicherheit zu bringen. Kurz gesagt - ein sehr großer Schriftsteller (auch er ist Nobelpreisträger), aber ein ganz gewöhnlicher Feigling! Im Gegensatz zu seinen Mitwürdenträgern von der Schwedischen Akademie, die sich darauf beschränkten, nachträglich allgemeine Redensarten über die Entsetzlichkeit von Dingen von sich zu geben, von denen sie nicht die geringste Ahnung hatten, äußerte er sich zu den Ereignissen, während sie sich abspielten, und zwar aus der vollen Kenntnis der Tatbestände heraus, für die er sich verbürgte: Denn - dort drüben war er dem Geschehen in Europa nur um so näher und sein allerunmittelbarster Zeuge. Aus diesem Grunde war er in der Lage, uns während der acht Minuten Sendezeit, die ihm monatlich bei Radio BBC zur Verfügung standen, mit überaus großer Genauigkeit über die kleinsten Vorkommnisse in Polen zu unterrichten, und daher war er auch der erste, der im November 1941 auf die dortigen Massenmorde an Juden und Polen und später, im Januar 1942, auf die Vergasung holländischer Juden hinwies [65].
Es ist nicht bekannt, woher Thomas Mann seine Informationen erhielt. Möglicherweise verfügte er über dieselben Quellen wie ein gewisser Ralf Feigelson, von dem wir eine Übersicht besitzen, in der sämtliche Nachrichten aus Polen datenmäßig aufgeführt sind:
"Mit Beginn der ersten Massenmorde in Osteuropa hatten der
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jüdische und polnische Widerstand die Weltöffentlichkeit alarmiert. Ende 1941 wurde London durch die Widerstandsbewegung von Lodz über die Vorkommnisse in Chelmno unterrichtet. Am 16. März, 31. August und 15. November 1942 wurden drei Berichte aus Warschau abgesandt. Im April 1943 stieß das Getto von Bialystock einen SOS-Ruf aus. Diese Notschreie, die nicht ungehört bleiben [66] . . . "
Meines Wissens wurde niemals auch nur die geringste Spur einer für London bestimmten Information über die Geschehnisse in Chelmno "Ende 1941" aufgefunden, auf Grund deren man behaupten könnte, daß London ihr Bedeutung beigemessen habe. Es ist hingegen möglich, daß ein am 8. August 1942 vom Vertreter des Jüdischen Weltkongresses in Genf, Riegner, an die Botschaft der Vereinigten Staaten in Bern gerichtetes Schreibens [67] auf dem Bericht aus Warschau vom 16. März fußt. Es erhebt sich jetzt lediglich die Frage, wann der Vatikan informiert wurde und wie er reagierte. Mit Sicherheit läßt sich sagen, daß ihm erstmalig am 26. September 1942 durch ein Schreiben des Sonderbeauftragten Präsident Roosevelts beim Heiligen Stuhl, Myron Taylor, an Staatssekretär Msgr. Maglione [68] genaue Fakten zur Kenntnis gebracht wurden. Das Schreiben behandelt die Liquidierung des Warschauer Gettos, "Massenexekutionen" in Belzec, Massaker, Deportationen nach Litauen, Lublin oder Theresienstadt, und zwar in Transporten von je vierzig Personen pro Waggon usw. Wohl wird darin gesagt, daß die "Leichen zur Fettherstellung und die Knochen zur Düngerherstellung verwendet" werden, doch Gaskammern werden nicht erwähnt. Die Informationen seien am 30. August 1942 seitens des Genfer Büros der Jewish Agency for Palestine übermittelt worden, das angibt, sie "von zwei durchaus glaubwürdigen Augenzeugen (Ariern), von denen der eine am 14. August aus Polen eintraf", erhalten zu haben. Jedoch wird keiner der beiden Zeugen namentlich angeführt.
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Die Antwort Msgr. Magliones erfolgte am 10. Oktober 1942. Nach Aussage des Hauptmitarbeiters Myron Taylors, Tittmann, hatte sie folgenden Inhalt:
"Nachdem die Note [Msgr. Magliones] Botschafter Taylor dafür gedankt hat, daß er den Heiligen Stuhl auf die Frage aufmerksam machte, erklärt sie, daß ebenfalls Berichte aus anderer Quelle über harte Maßnahmen gegen Nichtarier zum Heiligen Stuhl gelangt sind, daß es aber bis zum gegenwärtigen Augenblick nicht möglich war, diese auf ihre Genauigkeit hin zu überprüfen [69] . . . "
Wie verständlich ist es doch, daß seitens des Heiligen Stuhles das Bedürfnis bestand, die Zuverlässigkeit dieser Informationen zu überprüfen! Und wie verständlich ist es auch, daß Pius XII. am 30. Dezember 1942 in einer Unterredung mit dem obengenannten Harold Tittmann die Äußerung von sich gab, "er fürchte, die Berichte der Alliierten über die Grausamkeiten seien fundiert", wenn auch "seiner Ansicht nach ein wenig Übertreibung zu Propagandazwecken im Spiele sei"!
Zu diesem Zeitpunkt war bereits die gemeinsame Erklärung der Alliierten vom 18. Dezember 1942 veröffentlicht worden, in der sie zum Schicksal der nach Osten deportierten Juden Europas Stellung nahmen. In der Erklärung ist die Rede davon, daß man dabei sei, "die oft wiederholte Absicht Hitlers zu verwirklichen, die jüdische Bevölkerung in Europa auszurotten", daß der Abtransport der Juden "unter abstoßend grauenhaften und brutalen Bedingungen" erfolge, daß "die Arbeitsfähigen in Arbeitslagern langsam zu Tode geschunden", "die Schwachen dem Kälte- und Hungertod ausgesetzt" würden und daß "die Zahl der Opfer . . . auf viele Hunderttausende . . . geschätzt [70]" werde, doch Gaskammern werden auch in diesem Falle nicht erwähnt. Da Pius XII. durch Myron Taylor bekannt war, aus welch zweifelhaften Quellen die Informationen stammten, auf die in der Erklärung Bezug genom-
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men wurde [71], mußte er zwangsläufig das Bedürfnis verspüren, sie hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit zu überprüfen.
Was Thomas Mann von Januar 1942 an über die Vergasungen berichtet hatte, war völlig unbeachtet geblieben. Wie es scheint, kann das erste Mal, bei dem diese Dinge so zur Sprache gebracht wurden, daß man ihnen seitens der Regierungen und diplomatischen Kreise der Alliierten Glaubwürdigkeit beimaß, auf November 1943 datiert werden. Zu diesem Zeitpunkt nämlich erschien in London das Buch eines jüdischen Professors der Rechtswissenschaft der Universität Warschau, der 1939 dorthin geflüchtet war, das Werk Axis Rule in Occupied Europe von Rafael Lemkin. Freilich wurde das Buch nur mit großem Vorbehalt aufgenommen, denn man muß zugeben, daß die Vorstellung jener Millionen systematisch in den Gaskammern umgebrachter Juden nur schwer glaubhaft war, um so mehr als die Anklage durch einen Mann erhoben wurde, der als Zeuge nicht annehmbarer war als Thomas Mann. Wie dem auch sei, es scheint keine Hinweise dafür zu geben, daß London daraufhin irgendwelche diplomatischen Interventionen unternommen hat.
Es gibt ferner den Bericht des Präsidenten des Komitees zur Rettung der Juden in Budapest, Dr. Rudolf Kastner. Der Bericht erwähnt Massenmorde an osteuropäischen Juden, von denen Kastner gegen Ende 1942 erfuhr, sowie Gaskammern, von deren Existenz er im Sommer 1943 Kenntnis erhielt. Kastner ist ein unmittelbarer Zeuge für das Geschehen in Ungarn und über einen von ihm geschaffenen Informationsdienst ein mittelbarer Zeuge für die Vorgänge in der Slowakei, in Böhmen und Mähren, Polen, Rumänien und Österreich. Der Einmarsch der deutschen Truppen in Ungarn erfolgte erst am 19. März 1944. Bis zu diesem Zeitpunkt stand Kastner in ungehindertem Nachrichtenaustausch mit einer parallel arbeitenden jüdischen Organisation in Konstantinopel, der früheren Hauptstadt der Türkei, eines neutralen Landes also, in dem die Juden niemals behelligt wurden. Es hat nicht den Anschein, als hätten die Deutschen nach der Besetzung Ungarns die
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Verbindungen zwischen den Budapester Juden und denen Konstantinopels unterbunden. Im Gegenteil [72]. So informierte Kastner also von Ende des Jahres 1942 an bis zur Invasion Ungarns durch die russischen Truppen die jüdische Organisation in Konstantinopel über alles, was er wußte oder zu wissen glaubte. Was allerdings danach aus den übermittelten Informationen wurde, ist nicht bekannt. Als Joel Brand, der von Eichmann zu den Alliierten entsandt wurde, um über den Tausch von einer Million Juden gegen zehntausend Lastkraftwagen zu verhandeln, am 18. Mai 1944 in Konstantinopel eintraf, lautete die erste Frage seiner dortigen jüdischen Briefpartner an ihn: " . . . Ist es wahr, daß die Deportationen begonnen haben [73]?" Bald wurde ihm klar, daß die türkischen Juden nur sehr lose Beziehungen zur britischen und amerikanischen Botschaft besaßen. Als er ihnen nahelegte, ein Telegramm zu schicken, erhielt er zur Antwort: " . . . die Sache läßt sich nicht so übers Knie brechen . . . wir sind nicht sicher, daß unsere Telegramme . . . ankommen. Wir wissen nicht, ob sie nicht verstümmelt ankommen [74]."
Er berichtete ihnen sodann, was sich abspielte, fand damit jedoch keinen Glauben. Als es ihm schließlich gelang, mit Lord Moyne, dem britischen Beauftragten für Palästina, Kontakt aufzunehmen, ließ dieser ihn als Betrüger inhaftieren [75]. Kurzum, der Kastner-Bericht wurde erst im Laufe des Sommers 1945 von seinem zu jener Zeit in die Schweiz geflüchteten Verfasser niedergeschrieben; am 13. Dezember 1945 fand er vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg [76] erstmalig offiziell Berücksichtigung, und erst 1961, zur Zeit des Eichmann-Prozesses [77], wurde er in deutscher Sprache und in einer vom Original sehr weit entfernten Fassung vom Kindler-Verlag München veröffentlicht.
Nur schwerlich läßt sich die Ansicht vertreten, daß man von Pius XII. hätte fordern können, besser informiert zu sein als die
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Alliierten. Demgegenüber wird man erwidern, daß er aber doch zumindest den Alliierten hätte Glauben schenken und ihre Informationen in der Form hätte akzeptieren können, in der sie sie ihm zukommen ließen, was insbesondere für das Schreiben Myron Taylors vom 26. September 1942 sowie für die Resolution der Alliierten vom 18. Dezember 1942 [78] gilt. Doch - warum sollte er hinsichtlich dieser Informationen schließlich nicht dieselbe Zurückhaltung an den Tag legen wie die Alliierten selbst gegenüber ihren Auskunftgebern?
Sicherlich, überprüfen mußte er sie. Aber welche Mittel standen dem Papst hierfür zur Verfügung? Seine Nuntien hatte er, weiter nichts! Jedoch: In Polen besaß er keinen, da er sich geweigert hatte, diesen Staat in den von Hitler reduzierten Grenzen anzuerkennen. In der Slowakei, in Ungarn, in Ankara usw. verfügte er freilich über Nuntien. Tatsächlich hat er dann auch jedesmal, wenn diese ihm von irgendwelchen Erpressungen Kenntnis gaben, sich darüber informiert und ihnen Weisungen im Sinne eines diplomatischen Protestes erteilt. Nun, dem Leser ist bereits bekannt, welches Schicksal sämtlichen Protesten des Vatikans widerfuhr, die sich "schubladenweise" in Ribbentrops Amtszimmer anhäuften. Joel Brand berichtet, daß der Papst in den Jahren 1941, 1942 und 1943 in der Slowakei und von Mai bis Juni 1944 in Ungarn wiederholt intervenierte, und zwar sowohl direkt als auch auf dem Wege über seine Nuntien [79]. Im folgenden sehen wir, welchen Ausgang eine Intervention des Nuntius in Berlin, Msgr. Orsenigo, bei Hitler selbst nahm:
"In allerhöchstem Auftrag bin ich vor einigen Tagen nach Berchtesgaden geflogen. Ich wurde vom Führer und Kanzler Hitler empfangen, aber sobald ich das Thema Juden und Judentum . . . angeschnitten hatte, drehte sich Hitler ab, ging ans Fenster und trommelte mit den Fingern gegen die Scheibe. Sie können sich vorstellen, wie peinlich es mir war, im Rücken meines Gesprächspartners mein Vorhaben vorzutragen. Ich tat es trotzdem. Dann drehte sich plötzlich Hitler um, ging an einen Tisch, wo ein Glas
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Wasser stand, faßte es und schleuderte es wütend auf den Boden. Mit dieser hochdiplomatischen . . . Geste durfte ich meine Mission als beendet und gleichzeitig leider als abgelehnt betrachten [80]."
An folgenden Fakten, die man Pius XII. zum Vorwurf macht, ist nicht zu rütteln: daß seine Interventionen sich nur auf Tatsachen gründeten, die von seinen eigenen Informationsdiensten überprüft worden waren, daß sie stets auf dem diplomatischen Wege erfolgten und in einem dementsprechenden Stil abgefaßt waren (doch Nobécourt selbst bemerkt hinsichtlich Pius' X., daß ein Papst keine anderen Möglichkeiten habe [81] - also warum Pius XII. absprechen, was man Pius X. durchaus zugestand?) und daß sie stets den Charakter von "Protesten gegen jegliche Grausamkeiten, von welcher Seite sie auch begangen sein mochten", gewahrt haben - von Protesten jener Art, wie sie sich beispielsweise wegen der Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung an die Adresse der Engländer und Amerikaner richteten. Dies stellte die einzige Form des Protestes dar, die mit seinem apostolischen Auftrag, "ein Vater der gesamten Menschheit zu sein", vereinbar war. Man kann seine Situation nur - wenn auch unvollkommen - mit der Lage jener Sabinerin vergleichen, die sich zwischen ihrem Bruder und ihrem Gatten hin- und hergerissen sieht, als diese auf Geheiß der Alten beider Lager sich kämpfend gegenüberstehen.
Der Papst wandte sich gegen den Krieg insgesamt. Es war jedoch nicht seine Aufgabe, zugunsten des einen und zum Schaden des anderen der beiden feindlichen Lager gegen einzelne Folgen des Krieges Stellung zu beziehen, und - es sei hier noch einmal gesagt - gerade diese Einstellung gereicht ihm zur Ehre.
Die Orientierung darüber, was Pius XII. wußte und wann er es erfuhr, sollte jedoch nur die Möglichkeit schaffen, die "Kronzeugen" der Herren Hochhuth und Genossen richtig einzuschätzen. Darüber hinaus sollte sie deutlich machen, daß man ein allgemein anerkanntes Talent und zugleich moralisch ein Versager sein kann. Ausgenommen hiervon ist selbstverständlich Dr. Albert Schweit-
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zer, dessen "Konsekration" nicht auf seinen literarischen Fähigkeiten, sondern lediglich auf einem geschickt in den Dienst einer ausgeprägt kommerziellen Denkweise gestellten Exhibitionismus beruht.
Besondere Erwähnung verdient einer der zahlreichen Ankläger dieses Prozesses, die sich im Anklagestand so ablösen, daß schon der nächste dasteht, wenn sein Vorgänger seine gesamten Beweisgründe erschöpft hat, gleichsam als wolle er dessen Schwächen verdecken: Es ist der allerletzte Ankläger, der auf dem Plan erscheint, der schon mehrfach erwähnte Saul Friedländer. Er wurde in Prag geboren, ist Bürger des Staates Israel und gelangte schon recht lange vor Erscheinen seines Buches Pius XII. und das Dritte Reich [82] in den Vorteil einer für einen Autor beispiellosen Werbekampagne, die den Eindruck vermittelte, er ginge an das Studium der deutschen Unterlagen zum Fall Stellvertreter heran wie ein junger Wolf an die Schafe und er werde mit allen aufräumen, die an der Wohlbegründetheit der Hochhuthschen These Zweifel hegten - man werde schon sehen!
Man sah dann schließlich folgendes:
1. Ein Buch von 179 Seiten im Oktavformat, das ungefähr zu zwei Dritteln aus Kommentaren des Autors, Dokumenten nichtdeutscher Provenienz (von der Jewish Agency for Palestine, aus israelischen, englischen und amerikanischen Archiven), Entlehnungen von anderen Autoren (Poliakov, Nobécourt usw.) sowie einem Nachwort von Alfred Grosser besteht. Hieraus muß man schließen, daß jenes Bündel von Vatikan-Akten in den deutschen Archiven, das auf knapp 75 kleinen Seiten Platz findet, wahrhaftig
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sehr dürftig ist, und ferner, daß die Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Dritten Reich sehr locker waren. Freilich gibt Friedländer an, er habe nur fünf Ordner mit Akten vorgefunden und der fünfte habe auf einen sechsten hingewiesen, der jedoch verschwunden sei. Und wenn nun dieser sechste einen siebten ankündigte, der siebte wiederum einen achten usw.? Dieses Verschwinden von Dokumenten, deren Anzahl nicht abgeschätzt werden kann, zwingt den Autor, seine Nachforschungen nicht weiter als bis zum 16. Oktober 1943 zu führen. Aus freien Stücken dagegen fängt er erst am 3. März 1939 an. Die Beziehungen zwischen Pius XII. und dem Dritten Reich begannen indessen bereits am 30. Januar 1933 - zu einer Zeit also, als er noch der Kardinalstaatssekretär Pacelli war - und setzten sich bis in den April 1945 hinein fort. Dies bedeutet, daß die Forschungen Friedländers sich nur auf viereinhalb von insgesamt zwölf Jahren erstrecken. Die Untersuchung ist also zeitlich eingeschränkt, dazu aber auch noch in ihrem Aspekt einseitig, denn Friedländer stellt uns Pius XII. nicht nach den Vatikan-Akten des Reichsaußenministeriums dar, sondern lediglich anhand der Korrespondenz des deutschen Botschafters beim Vatikan mit dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Hierbei gibt er jedoch nur die Berichte des Botschafters selbst oder seiner Mitarbeiter, hingegen niemals die Texte der Instruktionen, die als Anlaß dazu dienten. Während das Bestreben der modernen Historiker mehr und mehr dahin geht, die Fakten in ihren historischen Zusammenhang hinsichtlich Zeit und Raum zu stellen, um so ein Höchstmaß an Objektivität zu erreichen, erblickt man bei Friedländer die Neigung, die Fakten so weit wie möglich aus diesem Zusammenhang herauszureißen.
2. Da die Untersuchungen erst beim 3. März 1939 beginnen, gestattet es die zeitliche Beschränkung seiner Forschung, die Beziehungen Pius' XII. mit dem Dritten Reich für den gesamten Zeitraum vom 30. Januar 1933 bis 3. März 1939 mit Stillschweigen zu übergehen. Sehen wir doch, wozu das führt:
Am 3. März 1939 verfaßte Graf Du Moulin, der Leiter des Referats für Angelegenheiten des Vatikans im Berliner Auswärtigen Amt, eine Charakteristik des am Vortage gewählten Papstes. In dieser Aufzeichnung heißt es: "Abgesprochen wird ihm . . . eine
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Mitwirkung an der Gewaltpolitik Pius' XI. . . . Mit aller Entschiedenheit setzte er sich dem Drängen der Intransigenten entgegen und trat gleichzeitig für Verständigung und Versöhnung ein [83]." Am gleichen Tage beglückwünschten sich aber die französischen Zeitungen Le Populaire (sozialistisch) und L'Humanité (kommunistisch) zur Wahl eines antifaschistischen und antinazistischen Papstes [84]. Die deutsche Pressekampagne anläßlich der Frankreichreise Kardinal Pacellis im Jahre 1937 sowie den Ausspruch im Angriff [85], der Zeitschrift Goebbels': "Pius XI. ist zur Hälfte Jude, Pacelli ist es ganz", hatte Du Moulin in seiner Darstellung völlig unberücksichtigt gelassen. Es ist andererseits bekannt, daß der wirkliche Verfasser der Enzyklika Mit brennender Sorge vom 14. März 1937, die eine schonungslose Verdammung des Nationalsozialismus darstellte, Kardinal Pacelli, der spätere Pius XII., war, obwohl die Enzyklika von Pius XI. unterzeichnet wurde. Von dieser Tatsache, die Du Moulin ebenfalls ausgelassen hatte, weiß man durch Msgr. Paganuzzi, einen der engsten Mitarbeiter Pius' XI. und Pius' XII., der in der italienischen Wochenzeitschrift Vita darüber folgendes erklärte:
"Als die Veröffentlichung der berühmten Verurteilung des Nationalsozialismus unmittelbar bevorstand, empfing Pius XI. gemeinsam mit Kardinal Pacelli zwei deutsche Kardinäle in Privataudienz: Faulhaber und - ich weiß nicht mehr - Schultz aus Köln oder Bertram aus Breslau.
Der Papst gab ihnen den endgültigen Text der Enzyklika zu lesen und fragte sie, was sie davon hielten und was sie dazu zu sagen hätten. Die beiden Kardinäle beglückwünschten den Papst zu der begründeten Aufdeckung der Irrtümer des Nationalsozialismus sowie zu der detaillierten Ablehnung der Anschauungen, die zum Sittengesetz, zum Naturrecht und zum bestehenden Gesetz in Widerspruch stünden. Sie betonten hierbei, daß eben diese nationalsozialistischen Anschauungen für das mißliche Verhältnis
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verantwortlich seien, das nicht nur zwischen der Kirche und dem Reich, sondern auch zwischen der Kirche und der Gesamtheit der deutschen Katholiken bestehe.
Der alte Papst war über die Komplimente und die Zustimmung der beiden deutschen Kardinäle offensichtlich erfreut. Schließlich deutete er mit dem Finger auf Kardinal Pacelli, und nach einer bedeutungsvollen Pause erklärte er (Pius XI.) langsam: 'Danken Sie ihm . . . Es ist alles sein Werk . . . Er ist es jetzt, der alles macht [86].' "
Und der unwiderlegbare Beweis hierfür wurde durch La France catholique erbracht, die die Photokopie von einem Teil eines Korrekturbogens dieser Enzyklika veröffentlichte [87], auf dem keine typographischen Korrekturen, sondern Autorenkorrekturen von der Hand Kardinal Pacellis erscheinen.
Durch Pater Leiber schließlich weiß man, daß sämtliche Proteste des Vatikans gegen die wiederholten Verletzungen des Konkordats [88], das vom Dritten Reich mit dem Vatikan abgeschlossen worden war und das bereits am Tage nach seiner Unterzeichnung sowie später noch unzählige Male verletzt wurde, aus der Feder des Staatssekretärs Pacelli stammen, der als Vater des Konkordatsrechts - es war von ihm geschaffen worden - im übrigen als einziger imstande war, diese Proteste zu formulieren. Durch La Documentation catholique, die diese Angaben aus den Acta Apostolicae Sedis übernimmt, weiß man ferner, daß es seiner Initiative zu verdanken war, daß die Suprema Sacra Congregazione del Sant'Offizio Bücher verurteilte wie Der Mythus des 20. Jahrhunderts von
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Alfred Rosenberg [89], Die deutsche Nationalkirche von Ernst Bergmann [90] (ein Werk über das gleiche Thema wie das vorige, nämlich den Mythus der Rasse und des Blutes), Die Einwanderung Israels in Kanaan von Abt Friedrich Schmidtke, Professor an der theologischen Fakultät der Universität Breslau [91], und andere, außerdem Entscheidungen der Reichsregierung wie die Sterilisation von Erbkranken [92] und die Tötung (Euthanasie) der unheilbar Kranken, die eine schwere Belastung für die Gesellschaft darstellen [93]. Friedländers Methode läßt es zu, all dies mit Stillschweigen zu übergehen und uns einen Pius XII. zu zeigen, der mit der wahren historischen Gestalt nicht mehr gemein hat als der Pius XII. Hochhuths. Sie gestattet es ihm sogar, zu schreiben: "Nur das Archiv des Vatikans kann Auskunft darüber geben, ob die Predigten des Bischofs Graf Galen von Münster, der im August 1941 öffentlich gegen die Tötung von Geisteskranken protestierte und Hitler drängte, diese Aktion abzubrechen, auf eine Weisung des Papstes zurückgingen oder der persönlichen Initiative des Bischofs zu danken waren [94]."
Dies beweist, daß er diese Predigten noch nicht einmal gelesen hat, denn sie beziehen sich unmißverständlich auf den Beschluß der Suprema Sacra Congregazione del Sant'Offizio vom 2. Dezember 1940, der den Wert einer "päpstlichen Weisung" besitzt und in diesem Fall sogar eine persönliche Weisung des Papstes darstellt, da er unter seinem Pontifikat gefaßt wurde.
Die gleiche Methode erlaubt ihm schließlich die Behauptung: "Möglicherweise erinnert man sich daran, daß der frühere Nuntius in München und Berlin der Initiator des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Dritten Reich gewesen ist [95] . . . ", wobei er noch nicht einmal bemerkt, daß er selbst ein Dokument
Die vollständigen Texte dieser Verurteilungen, die sämtlich kategorisch und unwiderruflich sind, finden sich unter den nebenstehenden Daten in La Documentation catholique, 5, rue Bayard, Paris, oder in lateinischer Sprache in den Acta Apostolicae Sedis, Bd. 30.
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anführt, in dem gesagt ist, daß "das Reichskonkordat aus einem deutschen Wunsch entstanden sei [96]".
3. Die Beschränkung der Untersuchung auf die Berichte eines Botschafters ermöglicht Bemerkungen wie diese hier: Zur gleichen Zeit, als Tittmann von der diplomatischen Vertretung Roosevelts am Vatikan sich mit den Antworten des Papstes auf seine Vorstellungen zur Weihnachtsbotschaft 1942 einverstanden erklärte, wie auch insbesondere mit den Worten, daß diese Botschaft "vom amerikanischen Volk gut aufgenommen werden müsse [97]", beglückwünschte sich der deutsche Botschafter von Bergen - der seinen Posten am Vatikan bis zum 4. Juli 1943 innehatte - gegenüber seiner Regierung, daß eben dieser Papst dem Ersuchen der Angelsachsen hinsichtlich einer alleinigen Verurteilung der nationalsozialistischen Verbrechen nicht nachgäbe. Kurz gesagt, den Berichten der beiden Botschafter zufolge müßte jedermann mit dieser Weihnachtsbotschaft 1942 zufrieden gewesen sein! Es ist jedoch wohlbekannt, daß dies keineswegs der Fall war: In Wirklichkeit war jeder unzufrieden. Die Deutschen waren es, weil die Weihnachtsbotschaft zu deutlich war - doch ihr Botschafter bewies ihnen, daß das nichts zu bedeuten habe, indem er hervorhob, mit welcher Herzlichkeit er vom Papst empfangen worden sei, oder indem er auf Informationen aus maßgeblichen Quellen hinwies, auf Grund deren man versichern dürfe, "mit seinem Herzen . . . stehe Pius XII. auf seiten der Achsenmächte [98]". Die Amerikaner hingegen waren unzufrieden, weil die Weihnachtsbotschaft nicht deutlich genug war - doch ihr Botschafter erklärte ihnen, daß sie trotz allem eindeutig sei, wodurch zu verstehen gegeben wurde, daß sie zu keinerlei Zweifeln Anlaß gäbe, daß man auf dem richtigen Wege sei und daß man schon zum Ziele kommen werde.
Gegenüber Berichten von Botschaftern muß man vorsichtig sein. Jeder Historiker weiß, daß es einem Botschafter vor allem darum
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zu tun ist, seinen Einfluß auf die Regierung, bei der er akkreditiert ist, hervorzuheben. Er weiß ferner, daß die Darstellung, die ein Botschafter von einer Angelegenheit gibt, die sich auf die Außenpolitik seiner eigenen Regierung bezieht, sowie seine Darstellung der Reaktionen, die die Außenpolitik seiner Regierung bei der Regierung seines Amtssitzes hervorruft, nur Wert besitzen, wenn man sie mit den Berichten der anderen Botschaften dieses Ortes über dieselbe Angelegenheit und dieselben Reaktionen vergleicht oder mit den ausgetauschten diplomatischen Noten, die die Folge einer erfolgreichen Tätigkeit des Botschafters sind. Die diplomatische Mission Bergens und Weizsäckers war ein völliger Mißerfolg, und beide waren daher nur um so mehr geneigt, den Mißerfolg der Botschafter der Alliierten herauszustellen und ihn aus den Sympathien des Papstes für die Achsenmächte zu erklären, die auf ihrer eigenen Persönlichkeit und Tätigkeit beruhten.
Doch worin bestand die diplomatische Mission eines Botschafters der Reichsregierung beim Heiligen Stuhl? Hierüber sind wir durch den Bericht über ein Gespräch, das Ribbentrop persönlich am 11. März 1940 im Vatikan mit Pius XII. und anschließend mit dessen Staatssekretär, Msgr. Maglione, führte, sehr genau unterrichtet: "Der Führer ist der Ansicht", sagte Ribbentrop, "daß eine grundsätzliche Einigung zwischen Nationalsozialismus und katholischer Kirche durchaus möglich sei. Es habe aber keinen Zweck, das Verhältnis zwischen beiden durch Anschneiden von Einzelfragen dieser oder jener Art oder durch provisorische Vereinbarungen regeln zu wollen. Vielmehr müsse es einmal zu einer umfassenden, sozusagen säkularen Klärung des Verhältnisses kommen, die dann eine wirklich dauerhafte Grundlage für eine harmonische Zusammenarbeit der Faktoren bilde . . . Außerdem sei zu bedenken, daß die Verständigung zwischen Nationalsozialismus und katholischer Kirche von einer Kardinalvoraussetzung abhänge, davon nämlich, daß die katholische Geistlichkeit in Deutschland auf jede wie immer geartete Form politischer Betätigung verzichte und sich ausschließlich auf die ihr allein zukommende seelsorgerische Tätigkeit beschränke. Die Erkenntnis der Notwendigkeit einer solchen radikalen Scheidung könne aber heute bei den katholischen Geistlichen in Deutschland noch nicht als herrschend ange-
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sehen werden . . . Die katholische Geistlichkeit müsse sich erst fortschreitend von der Erkenntnis durchdringen lassen, daß mit dem Nationalsozialismus eine ganz neue Form des gesamten staatlichen und völkischen Lebens in die Welt getreten sei [99]."
Der Fall ist eindeutig: Es geht um eine Revision des Konkordats, das dem deutschen Klerus (insbesondere durch seinen Artikel 31 über die Jugendorganisationen) eine gewisse politische Bewegungsfreiheit beläßt, die Hitler unerträglich ist. Zwar erklärt Pius XII. sich einverstanden hinsichtlich der "erwähnten konkreten Tatsachen", doch geht er nicht näher darauf ein und "sucht . . . das Gespräch auf bestimmte Einzelprobleme und Beschwerden der Kurie zu bringen". Der Reichsaußenminister bricht jedoch dieses Thema ab und betont "erneut die Notwendigkeit einer . . . grundsätzlichen und umfassenden Klärung des Gesamtverhältnisses zwischen Staat und Kirche".
Die Aufgabe des Botschafters von Bergen und seines Nachfolgers bestand demnach darin, Pius XII. wenn nicht zu einem diplomatischen Notenwechsel mit dem Ziele einer Änderung des Konkordats, so doch zumindest zu einer Erklärung zu veranlassen, die der katholischen Geistlichkeit in Deutschland den Gedanken eines Verzichts auf die Ausübung ihres politischen Einflusses sowie die Vorstellung nahegelegt hätte, daß mit dem Nationalsozialismus eine ganz neue Form des gesamten staatlichen und völkischen Lebens in die Welt getreten sei. Mitten im Kriege kam das einer Stellungnahme zugunsten der Achsenmächte gleich. Da es Bergen nicht gelang, diesen Auftrag auszuführen, wurde er in dem Augenblick, als der Führer und Ribbentrop die Überzeugung gewannen, daß er keinerlei Aussicht auf Erfolg mehr hatte, durch Weizsäcker ersetzt.
Dies hinderte ihn nicht, die Wirkung, die er im Rahmen seiner Amtsgeschäfte entfaltet hatte, bis zum Äußersten hervorzuheben. An dem Tage, an dem er beauftragt wurde, das Agrément für seinen Nachfolger einzuholen, richtete er an sein Ministerium einen Brief, in dem er die Verwirrung im Vatikan schilderte und
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darauf hinwies, daß er auf Grund der "besonders gelagerten Beziehungen", die er dort angeknüpft hatte - er hatte diesen Posten am Vatikan seit 1920 inne! -, der einzige sei, der dort Erfolg haben könnte, und daß ein solcher Wechsel zu einem solchen Zeitpunkt unmöglich wäre [100].
Sein Nachfolger Weizsäcker blieb nicht lange genug auf seinem Posten, um Hitler seinen Mißerfolg deutlich werden zu lassen.
Man muß im übrigen nicht nur gegenüber Berichten von Botschaftern vorsichtig sein, sondern auch gegenüber der gesamten diplomatischen Ausdrucksweise, die nämlich nicht nur für Botschafter, sondern auch für Staatsoberhäupter charakteristisch ist. Hierfür ein Beispiel: Pius XI., den man wegen seiner über jeden Zweifel erhabenen antinationalsozialistischen Einstellung zu Pius XII. in Gegensatz stellt, begrüßte den in der Angelegenheit des Konkordats gekommenen von Papen bei seiner Ankunft im Vatikan mit den Worten, "wie 'beglückt' er sei, 'in Hitler eine Persönlichkeit an der Spitze der deutschen Regierung zu sehen, die den kompromißlosen Kampf gegen Kommunismus und Nihilismus auf ihre Fahnen geschrieben' habe [101]". Und Max Gallo [102] führt von ihm eine recht beträchtliche Anzahl ähnlicher, an Mussolini gerichteter Aussprüche an. Es handelt sich hierbei um Äußerungen, die lediglich den Wert von Höflichkeitsformeln besitzen - zweifellos bedauerliche Äußerungen, doch Worte, die zu den guten Sitten gerechnet werden wie die Begrüßungsworte der Gastgeberin beim Empfang ihrer Gäste [103].
Die gesamte Anhängerschaft des Stellvertreter sieht darin indessen kein Hindernis, das Andenken von Pius XI. zu beweih-
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räuchern und das von Pius XII., der weder Hitler noch Mussolini, geschweige denn ihren Vertretern gegenüber, jemals stärkere und vielleicht noch nicht einmal gleichstarke Äußerungen tat, der öffentlichen Verachtung preiszugeben.
4. Schließlich bleibt noch die Darstellungsweise zu erwähnen, in der Friedländer sein Material präsentiert. Er gibt zu, daß es sehr unvollständig ist, räumt ein, daß die Berichte von Botschaftern verdächtig sind, daß ihm gewisse Unterlagen für die Beurteilung fehlen usw. Er ist jedoch nichtsdestoweniger der Ansicht, daß die von ihm zitierten Dokumente jedes für sich genommen sehr bedeutsam sind und in ihrer Gesamtheit "einen nützlichen Beitrag" für die Untersuchung des Themas darstellen oder "einen unbestreitbaren historischen Wert" für das Verständnis der Ereignisse besitzen [104].
Denken wir nur daran, wie in der Zusammenfassung des Werkes die "Vorliebe [Pius' XII.] für Deutschland . . . , an der die Natur des nationalsozialistischen Regimes nichts änderte", hervorgehoben wird. Als ob nicht auch Frankreich - trotz "Väterchen Combes [105]" zu Beginn dieses Jahrhunderts - für Pius X. "die älteste Tochter der Kirche" geblieben wäre! Der Ausdruck "Vorliebe für Deutschland" und viele andere mit der gleichen Sinngebung Wer-
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den jedesmal in einer Weise vorgetragen, daß der Leser hierfür in Gedanken "für den Nationalsozialismus" einsetzt. Ein kleiner Verstoß gegen seine Pflichten als Autor.
Oder denken wir daran, in welchem Maße die Aufmerksamkeit auf das Schreiben gelenkt wird, mit dem Pius XII. Hitler von seiner Wahl unterrichtet. An dieser Stelle zitiert Friedländer Msgr. Giovannetti [106]: "In seinem Umfang and den zum Ausdruck kommenden Empfindungen hat er [dieser Brief] nicht seinesgleichen unter den anderen damals vom Vatikan versandten amtlichen Schreiben." Dieser Kommentar "suggeriert" eine besondere Sympathie für Hitler. Doch wie hätte dieser Brief auch anders als abweichend von den anderen amtlichen Schreiben sein können? Mit welchem anderen Staat hatte der Vatikan derart schwierige Probleme zu regeln wie mit Deutschland? Man braucht nur bei Msgr. Giovannetti selbst nachzulesen, um festzustellen, daß seine Bemerkung in diesem Sinne gemeint war.
Eine Methode, Texte zu zitieren: "In Norwegen gibt es nur 2000 Katholiken; daher muß der Heilige Stuhl, auch wenn er in moralischer Hinsicht ein strenges Urteil fällt [über die Invasion Norwegens durch die deutschen Truppen], in praktischer Hinsicht an die dreißig Millionen deutscher Katholiken denken [107]." Geht man auf das Werk von Abt Paul Duclos zurück, der diesen Text als ein Zitat aus dem Osservatore Romano anführt, so stellt man fest, daß der Text auch nicht aus dieser letztgenannten Quelle, sondern von einem anderen Autor, G.-L. Jaray [108], stammt, der ihn ohne Quellenangabe anführt. Man stellt ferner fest, daß Duclos den Text als "zynisch" bezeichnet and hinzugefügt hat, daß er, falls
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er auf den Osservatore Romano zurückginge, nur "das Werk eines Redaktionsassistenten sein könne and der Zensur der Zeitung entgangen sei". Doch Friedländer hat sich wohl gehütet, den ungekürzten Wortlaut zu zitieren.
Ein weiterer kleiner Verstoß: Es ist bekannt, daß Friedländer, was die Verurteilung der Euthanasie durch den Bischof Graf Galen von Münster betrifft, nicht weiß, ob sie "der persönlichen Initiative des Bischofs zu danken" war oder "auf eine Weisung des Papstes" zurückging [109], and es ist ebenfalls bekannt, daß er nur deshalb nicht weiß, daß diese Verurteilung gemäß den Weisungen des Papstes erfolgte, weil er entweder die maßgeblichen Texte nicht herangezogen hat oder weil er in der Absicht, dem Leser etwas zu suggerieren, tat, als hätte er sie nicht herangezogen. Doch als der Erzbischof Constantini in der Basilika von Concordia (Provinz Venedig) eine Ansprache hielt, in der er sagte: "Wir wünschen von ganzem Herzen, daß diese Schlacht [gemeint ist der Kampf der deutschen and italienischen Soldaten an der russischen Front] uns den abschließenden Sieg and den Untergang des . . . Bolschewismus bringen möge", wobei er "den Segen Gottes auf [diejenigen herabrief], die in dieser entscheidenden Stunde das Ideal unserer Freiheit gegen die rote Barbarei verteidigen' [110]", berichtete die deutsche Vatikanbotschaft nach Berlin, daß "sie [diese Ansprache] unmöglich ohne Einverständnis des Heiligen Stuhls gehalten worden sei [111]" - wofür im übrigen nicht der geringste Beleg gegeben wird -, and Friedländer schließt sich dieser Ansicht an, indem er folgert, daß "Menshausens . . . Bericht anscheinend [sic] recht plausibel [sic] die Haltung Pius' XII. beschreibt [112]".
Das gleiche Verfahren wird beim Osservatore Romano angewandt: Wenn diese Zeitung über die Kriegführung zufällig eine Meldung bringt, die Friedländer anfechtbar erscheint, so versäumt er niemals zu bemerken, daß dieses Blatt die Meinung des Papstes widerspiegele. Doch wenn diese Zeitung ein nach Ermessen des
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Papstes ausreichendes Kommuniqué über einen Vorfall veröffentlicht, so versäumt Friedländer es ebensowenig, darauf hinzuweisen, daß der Osservatore Romano gesprochen, der Papst hingegen geschwiegen habe, wodurch dem Leser die Vorstellung vermittelt wird, daß das Blatt in diesem Falle nicht die Meinung des Papstes widerspiegele.
Man muß von den Tatsachen ausgehen: Am 14. März 1937 verurteilte der Vatikan den Nationalsozialismus (Enzyklika Mit brennender Sorge) und am 19. desselben Monats den Bolschewismus (Enzyklika Divini Redemptoris). Da diese beiden Verurteilungen in der Folgezeit keinerlei Änderungen erfuhren, in den Acta Apostolicae Sedis zumindest nichts derartiges berichtet wird, darf angenommen werden, daß sie immer noch in demselben Sinne gültig sind, in dem sie abgefaßt wurden. Hinsichtlich der Verurteilung des Nationalsozialismus ist diese Ansicht noch um so mehr berechtigt, als sie unter Pius XII. wie schon unter Pius XI. mehrmals wiederholt wurde [112] was bei der Verurteilung des Bolschewismus nicht der Fall war. Nun präsentiert Friedländer jedoch seine Unterlagen derart, daß er in den daran anschließenden Kommentaren deutlich das Gegenteil aussagt, nämlich daß Pius XII. zwar die durch Pius XI. ausgesprochene Verurteilung des Bolschewismus aus Furcht vor diesem unvermindert aufrechterhalten, jedoch die Verurteilung des Nationalsozialismus - wenn nicht theoretisch, so doch praktisch - unaufhörlich zurückgenommen habe, da er ihn als das einzige halbwegs wirksame Bollwerk gegen die Ausbreitung des Bolschewismus betrachtet habe.
In seinem Text findet man Widersprüche wie diesen: " . . . nimmt Pius XII. niemals offen gegen die Sowjetunion Stellung [113]." Doch, sagt Friedländer, seit dem Kriegseintritt Deutschlands gegen Rußland "beunruhigt Pius XII. vor allem eine mögliche Ausdehnung des Kommunismus infolge des Krieges [114]". Oder er bemerkt: "Vom Frühjahr 1943 an scheint [sic] die Furcht vor der Bolschewisierung Europas bei den politischen Überlegungen des Heiligen Stuhles den Ausschlag zu geben [113]." Oder an anderer Stelle hören wir:
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"Auf der anderen Seite fürchtete Pius XII. nichts mehr [auch nicht den Nationalsozialismus also. P. Rassinier] als eine Bolschewisierung Europas und hegte anscheinend [sic] die Hoffnung, ein mit den westlichen Alliierten . . . versöhntes Hitlerdeutschland könnte zum wichtigsten Bollwerk gegen jedes Vordringen der Sowjetunion nach Westen werden [115]."
Wenn diese These ihre Wahrscheinlichkeit aus den Berichten der deutschen Botschafter beim Vatikan, Bergen und Weizsäcker, herleitet, so werden deren Berichte leider weder durch irgendeinen Text noch durch irgendwelche Handlungen Pius' XII. erhärtet.
Friedländer findet trotzdem etwas, um seine These zu stützen. So zum Beispiel jene Ansprache des Papstes am 18. Oktober 1939 beim Empfang des neuen diplomatischen Vertreters Litauens beim Heiligen Stuhl:
"Aber gerade die Pflicht dieses Unseres Amtes gestattet Uns nicht, die Augen zu schließen, wenn ausgerechnet für das Heil der Seelen neue unermeßliche Gefahren heraufsteigen, wenn über das Antlitz (des christlichen) Europa in allen seinen Grundlinien sich täglich drohender und näher der unheilvolle Schatten des Denkens und Wirkens der Feinde Gottes breitet [116]."
Die Interpretation Friedländers hierzu lautet: "Msgr. Giovannetti zitiert diese Äußerungen und schreibt, der Papst habe damit auf die 'furchtbare Bedrohung durch den gottlosen Kommunismus' angespielt und es 'als seine Hirtenpflicht' betrachtet, 'davor zu warnen' [117]."
Liest man nun aber bei Giovannetti nach, so stellt man fest, daß er diese Äußerung dem Zeitpunkt zuordnet, als Polen gerade zwischen Deutschland und Rußland aufgeteilt worden war und die baltischen Staaten sich nunmehr direkt bedroht sahen. In dieser Situation stellt jener "unheilvolle Schatten des Denkens und Wirkens der Feinde Gottes, der sich täglich drohender und näher über das Antlitz Europas breitet", den des Nationalsozialismus und des Bolschewismus dar. Da für das Baltikum, wozu Litauen gehört, an
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das der Papst sich über die Person des litauischen Botschafters wendet, bis dahin von Bolschewismus keine Rede gewesen war, spielt Pius XII. nicht an auf die furchtbare Bedrohung durch den gottlosen Kommunismus, wie Friedländer behauptet, sondern, wie Giovannetti sagt, er "erweiterte das Thema und sprach von . . . der furchtbaren Bedrohung durch den gottlosen Kommunismus usw. [118]". Ein feiner Unterschied ist immerhin da. Denn wenn die Verurteilung auf den Kommunismus "erweitert" wird, dann zielt sie ebenso auch auf den Nationalsozialismus ab, der ja auch ein "Feind Gottes" ist. Woraus man wieder einmal sieht, daß die Sorge, die Texte so zu zitieren, daß Wortlaut und Bedeutung gewahrt bleiben, Friedländer nicht gerade schlaflose Nächte bereitet.
Tatsächlich stehen ausnahmslos alle Ansprachen, die Pius XII. während des gesamten Krieges hielt, im Einklang mit den beiden von Pius XI. unterzeichneten Enzykliken Mit brennender Sorge und Divini Redemptoris, sowie der Enzyklika Summi Pontificatus, mit der er am 20. Oktober 1939 sein Pontifikat einleitete und in der er die Themen der beiden erstgenannten Enzykliken wieder aufgriff. Alle Reden verurteilen gleichzeitig sowohl Nationalsozialismus als auch Kommunismus als "Feinde Gottes". Alle nehmen davon Abstand, in den Streit der Kriegführenden einzugreifen. Alle verurteilen "die Grausamkeiten des Krieges, von welcher Seite sie auch begangen sein mögen". Alle verkünden im Namen des "Heils der christlichen Kultur" die Notwendigkeit der "Rückkehr zu den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des wahrhaften Friedens".
Die deutschen Botschafter beim Vatikan, die mit Befriedigung feststellten, daß Pius XII. sich niemals bereit fand, Deutschland allein zu verurteilen - ebensowenig wie er jemals eine einseitige Verurteilung der Angelsachsen aussprach -, interpretierten diese Ausdrucksweise jedesmal als einen Sympathiebeweis für Deutschland, der ihrem persönlichen Wirken zuzuschreiben sei. Und Friedländer folgte ihnen hierin jedesmal getreulich auf dem Fuße, indem er präzisierte, daß diese Sympathie nicht nur einem Deutschland im allgemeinen, sondern einem Deutschland gegolten habe, das,
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weil nationalsozialistisch, ein Bollwerk gegen den Bolschewismus geworden sei. In Wirklichkeit beweist gerade der Tenor der gesamten päpstlichen Ansprachen, wie zum Beispiel der der obenerwähnten Begrüßungsansprache an den neuen Botschafter Litauens, daß, wenn Pius XII., der Nationalsozialismus und Bolschewismus zugleich als "Feinde Gottes" und als "Gefahr für die christliche Kultur" verurteilte, überhaupt irgend etwas fürchtete, dann das, was Weizsäcker in dem einzigen zitierenswerten aller von Friedländer angeführten Dokumente zum Ausdruck brachte, nämlich, daß "Deutschland unter der Wucht des Geschehens im Osten sich schließlich doch den Russen in die Arme werfen könnte", wobei Weizsäcker noch hinzufügte, daß "die Behauptung, die deutsche Regierung und die russische Regierung seien schon miteinander in Fühlung . . . [im Vatikan] unausrottbar [sei] [119]".
Es war also die durch Nationalsozialismus und Bolschewismus gemeinsam heraufgeführte Zerrüttung der christlichen Kultur, das heißt, Europas und der gesamten Welt. Und das war nun allerdings eine ebenso begründete Befürchtung des "Stellvertreters Christi" wie seine Sorge um Krieg und Frieden.
5. Wir werden, namentlich bei der Analyse der Haltung Pius' XII. gegenüber dem Krieg, noch auf einige Argumente Friedländers zurückkommen, die sich auf die Interpretation dieser Haltung beziehen. Einstweilen genügte es, dem Leser eine Vorstellung von der Fragwürdigkeit seiner Grundthese zu vermitteln, nach der Pius XII. das nationalsozialistische Deutschland als ein Bollwerk der Kultur gegen den Bolschewismus betrachtete und demzufolge nichts tat, um es zu schwächen, hingegen alles, um eine Umkehrung der bestehenden Bündnisse zu bewirken. Wie wir noch zeigen werden, ist es offensichtlich, daß er, nachdem es ihm nicht gelungen war, die Welt vor dem Krieg zu bewahren, alles tat, um ihn abzukürzen, und zwar alles ausschließlich mit diesem Ziel. Ein Wort sei an dieser Stelle trotzdem noch hinzugefügt: Wenn Friedländer wirklich glaubt, neue und noch unveröffentlichte Unterlagen beigesteuert zu haben, die zum Verständnis der Ereignisse "dienlich"
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sein können, dann macht er sich große Illusionen. Denn man brauchte nur Alberto Giovannetti (Der Vatikan und der Krieg), Paul Duclos (Le Vatican et la Seconde Guerre mondiale), FranÁois Charles-Roux (Huit ans au Vatican), Camille Cianfarra (La Guerre et le Vatican) und Michele Maccarrone (Il Nationalsocialismo e la Santa Sede) gelesen zu haben, wo die Dokumente zwar nicht im vollständigen Text, aber doch zumindest dem Inhalt nach und in weitaus objektiverer und genauerer Weise wiedergegeben werden, um nicht nur alles das zu wissen, was in dem uns von Friedländer vorgelegten Material ausgesagt wird, sondern noch weitaus mehr.
Von Ausnahmen abgesehen, war die Verteidigung in dieser Polemik weder gehaltvoller noch brillanter als die Anklage. Der Grund hierfür ist folgender: Da sie in ihrer Gesamtheit von dem Verhalten Pius' XII. nahezu überhaupt nichts begriffen hatte (und selbst, wenn einmal das Gegenteil der Fall war), verfügte sie weder über einen Kampfplatz noch über Munition und mußte es sich daher gefallen lassen, auf den sorgfältig vorbereiteten Kampfplatz geführt zu werden, den die Anklage für ihre Niederlage ausgewählt hatte. So stand sie da, im offenen Gelände und ohne Waffen, zum Kampf gegen einen sicher verschanzten und bis an die Zähne bewaffneten Gegner - der überdies das Verhalten Pius' XII., das moralisch so tödlich für ihn war, sehr wohl verstanden hatte. Kurz, der gute Glaube ohne die notwendige Sachkenntnis gegen die wohlvorbereitete Böswilligkeit.
Allerdings hatte Pius XII., als er starb, seinen geistlichen Erben eine Art Festung von Leitgedanken hinterlassen und durch die Weiterverfolgung des von Leo XIII., Pius X., Benedikt XV. und Pius XI. eingeschlagenen Weges persönlich nicht wenig dazu beigetragen, sie gleichsam uneinnehmbar zu machen: Noch niemals, ob man nun Bedauern oder Freude darüber empfindet, hatte die römische Kirche eine solche Ausstrahlungskraft erreicht. Sie verdankte dies in gleichem Maße einer bis ins Äußerste gesteigerten Empfindsamkeit für die Probleme der menschlichen Existenz, von der sie seit Leo XIII. unablässig Zeugnis abgelegt hatte, wie auch auf
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dem Gebiet der internationalen Beziehungen einer Politik der Versöhnung, die sie seit Pius X. im Lichte eines unerschütterlichen Dienstes für den Frieden erscheinen ließ. Als Johannes XXIII. im Jahre 1958 sein Pontifikat antrat, trugen die Völker in Erinnerung, daß es Pius X. selbst mit übermenschlichen Anstrengungen nicht vermocht hatte, den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu verhindern, daß es Benedikt XV. nicht gelungen war, die zwischenstaatlichen Beziehungen in den Jahren 1916/17 wiederherzustellen, und daß er, nachdem man ihn vom Abschluß des Versailler Vertrages ferngehalten hatte, an der Abfassung dieses Textes, der den Grund zum Zweiten Weltkrieg legte, in keiner Weise teilgenommen hatte, daß Pius XI. und Pius XII. niemals aufgehört hatten, im Hinblick auf die Gerechtigkeit unter den Völkern in der allerdiskretesten Weise eine Revision dieses Vertragswerkes nahezulegen, und daß es Pius XII. weder gelungen war, den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und seine spätere Ausbreitung über die gesamte Erde zu verhindern, noch ihn abzukürzen. Kurz, zu der großen Aufgeschlossenheit der Kirche gegenüber den sozialen Problemen kam beim Tode Pius' XII. noch die Tatsache hinzu, daß die römische Kirche unter den Mächten, die die Welt regieren, die einzige war, der man weder am einen noch am anderen der beiden Weltkriege irgendwelche Verantwortung beimessen konnte. Und im Falle des Zweiten Weltkrieges kam das ganze Verdienst für diese Nichtverantwortlichkeit, den Glanz, der dadurch auf die Kirche zurückfiel, und den Gewinn, den sie daraus zog, Pius XII. zu. Zu einem pronazistischen Papst wurde er dennoch in den Augen derjenigen, die, nachdem sie Hitler in Deutschland zur Macht verholfen hatten (und Pius XII. gehörte nicht zu ihnen, nicht im entferntesten), anschließend kein anderes Mittel als den Krieg sahen, um ihn wieder von dort zu vertreiben. (Man darf sich sogar fragen, ob sie nicht Hitler an die Macht brachten, um Gelegenheit zu erhalten, gegen Deutschland Krieg zu führen und es noch vollständiger zu zerschmettern als in Versailles.) Ebenso sahen ihn die konkurrierenden religiösen Gemeinschaften, insbesondere die protestantischen und die jüdischen, genauso wie (aus den gleichen Gründen) Benedikt XV. in den Augen Clemenceaus zu einem "Papst der Deutschen" geworden war.
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Hier lag das ganze Problem von Hochhuths Stellvertreter. Aus jenen Höhen, in die sich Pius XII. offenbar mühelos emporgeschwungen hatte und von denen aus er über Krieg und Frieden so häufig Äußerungen tat, die ihn als einen wahren Stellvertreter Christi [120] auswiesen und die zweifellos eines Tages wie "Bergpredigten" anmuten werden, ließen sich seine Verteidiger in eine Auseinandersetzung hineinziehen, in der es nicht um die Kriegsgreuel an sich ging, was noch nicht einmal einen solchen Abstieg bedeutet hätte, sondern einzig und allein um die Nazi-Greueltaten, und zwar nur, soweit die Juden davon betroffen waren. Als ob ein Krieg nur grausam wäre und nicht vor allem Fragen der Gerechtigkeit aufwürfe. Als ob es Kriege ohne Grausamkeiten beiderseits der Feuerlinie geben könnte. Als ob die Genfer und Haager Konventionen etwas anderes wären als eine Kriegslist, mit der diejenigen, die die Fäden des Spiels in den Händen halten, die Masse der Gutgläubigen überzeugen wollen, daß es Möglichkeiten gäbe, den Krieg zu humanisieren, und daß daher die Frage einer Ächtung des Krieges belanglos sei. Als ob schließlich die nichtjüdischen Opfer unter den fünfzig Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges, deren Anzahl zehn- bis zwanzigmal so groß ist wie die der Juden und die unter ganz genauso grausamen Umständen ums Leben kamen - selbst unter dem Feuer der Alliierten! -, nicht im geringsten interessierten.
Wie um alles in der Welt konnte ein solcher Sturz überhaupt geschehen? Im Grunde ist die Antwort ziemlich einfach, und da man die Wahrheit gelegentlich sogar seinen Freunden verdankt, werden die Verteidiger Pius' XII. es mir verzeihen, daß ich sie
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ihnen so unverblümt sage, wie es meine Art ist: In den finsteren Stunden des Jahres 1939, von April bis September, als dieser frischgewählte Papst seine ganze Kraft aufbot, um den künftigen Alliierten in dem Krieg gegen Deutschland zu beweisen, daß sämtliche europäische Probleme noch durch Verhandlungen nach Art derjenigen, die in München im vorhergegangenen September so erfolgreich verlaufen war, und gemäß den Grundsätzen der Gerechtigkeit geregelt werden könnten, waren die meisten von ihnen, obwohl sie in Pius XII. zugleich den Menschen und das Amt verehrten, bereits davon überzeugt, daß es keine andere Möglichkeit mehr gab, mit Hitler "Schluß zu machen", als zur tätlichen Auseinandersetzung zu schreiten. Im Jahre 1963 jetzt das Problem auf das Terrain zu tragen, auf dem Pius XII. gestanden hatte, bedeutete für jene anzuerkennen, daß sie dem Hirten nicht gefolgt waren und daß sie sich getäuscht hatten. Nun, das ist menschlich; man gibt nicht leicht zu, daß man sich geirrt hat, selbst die Heiligen tun es nicht gerne. Die ganze Vergangenheit der Menschheit ist immer noch so im Bewußtsein verankert, daß man es den Leuten nicht leicht klarmachen kann, daß der Krieg stets vermeidbar ist: Ein großer Teil derjenigen, die der Stellvertreter vor den Kopf stieß und in die Schranken forderte, um das Andenken Pius' XII. zu verteidigen, die in allerbestem Glauben für ihn eintraten und dabei nicht einmal gewahr wurden, daß sie mit seinem Denken nichts gemein haben, ist trotz der fünfzig Millionen Toten, trotz der Milliarden und aber Milliarden von Schäden, trotz eines Friedens, der nach dem letzten Kriege unsicherer ist als vorher, überzeugt, daß dieser Krieg doch sehr vorteilhafte Ergebnisse hatte und daß
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er zweifellos . . . Kurz, ich bin bereit, eine Wette einzugehen: Es erscheint nicht zweifelhaft, daß, wenn das Verhältnis zwischen Ost und West sich so weit verschlechterte wie 1939 zwischen den angelsächsischen Mächten und Deutschland, Paul VI. an beide Seiten die gleiche Sprache richten würde wie sein Vorgänger und daß man ihm ebensowenig Gehör schenken oder folgen würde. Daraus resultiert, daß nach jenem nächsten Krieg die Verteidiger eines in gleicher Weise angeklagten Paul VI. sich in eben der gleichen Weise in Verlegenheit gebracht fühlen würden.
Für die Verteidiger Pius' XII. - hier brauchen wir uns nicht mit Hypothesen auseinanderzusetzen, da wir über eine Fülle von Fakten verfügen - gibt es zwar vielleicht eine Entschuldigung: Seine erste Enzyklika, Summi Pontificatus, wurde erst am 20. Oktober 1939 veröffentlicht, zu einem Zeitpunkt also, an dem das Unheil bereits geschehen war. Schwerer wiegt jedoch die Tatsache, daß dieses Unheil durchaus noch wieder gutzumachen gewesen wäre. Er sagte zu ihnen: "Da heißt es nicht mehr Heide oder Jude . . . " und weiter beschwörend: "Ehrwürdige Brüder, die Stunde, in der dieses Unser erstes Rundschreiben zu euch hinausgeht, ist in mehr als einer Hinsicht wahrhaft eine Stunde der Finsternis (Luk. 22, 53) . . . " und "Schon sind Völker in den mörderischen Strudel des Krieges hineingezogen, und vielleicht stehen sie erst am Anfang der Leiden (Matth. 24, 8); und doch sind bereits in Tausenden von Familien Tod . . . , Trauer und Elend bitterer Hausgast geworden. Das Blut ungezählter Menschen, auch von Nichtkämpfern, erhebt erschütternde Klage, . . . [121]." Aber sie hörten nicht auf ihn, auch nicht im folgenden Jahr, als er von Juli bis Oktober versuchte, die Brücken zwischen den Kriegführenden wiederherzustellen.
Zu jener Zeit war ihr Papst nicht mehr Pius XII., sondern der klägliche Churchill, und sein Weihbischof der nicht weniger klägliche Roosevelt.
Alles in allem waren die Verteidiger Pius' XII. wegen ihrer früheren Einstellung zum Kriege ebenso gehemmt, wie seine Ankläger aus entgegengesetzten Gründen darauf versessen waren, die
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ihre zu rechtfertigen, und darum vermied man es auf beiden Seiten, dem Problem auf den Grund zu gehen.
Die Verteidiger Pius' XII. hatten seine Leitidee, die Idee von der Verteidigung des Friedens, nicht verstanden oder nicht aufgegriffen. Deshalb blieb ihnen als Argument nur die Beweisführung, daß der Papst nahezu nichts von den nazistischen Greueln gewußt und, wann immer er davon Kenntnis erhielt, dagegen protestiert habe, soweit es ihm irgend möglich war, wobei die Grenze seines Handelns nur von der Sorge bestimmt gewesen sei, das Los der Betroffenen nicht zu verschlimmern.
Auf diesem Gebiet konnten sie angesichts gewissenloser Gegner, deren redlichstes Argument noch die Heranziehung der Texte war, nur die Unterlegenen sein. Infolgedessen hatten die Gegner Pius' XII. leichtes Spiel mit der Behauptung, daß er niemals aufgehört habe, dem nationalsozialistischen Deutschland seine Sympathie zu bekunden, und daß er sich nur auf Grund dieser Sympathie im Jahre 1939 gegen den Krieg ausgesprochen habe und keinesfalls aus Pazifismus, was seine Friedensbemühungen unlauter erscheinen lasse.
Die Kriegstreiber sind einfallslos: 1914 hatten die Vorfahren der Kriegshetzer von 1939 dieses Verfahren bereits gegen Pius X. angewendet, dessen Bemühungen um den Frieden von ihnen als ein ausschließlicher Sympathiebeweis für Franz Joseph ausgelegt wurden (weil dieser im Jahre 1930 seine Wahl zum Papst begünstigt hatte, indem er sich derjenigen des Kardinals Rampolla widersetzte), und 1917 gegen Benedikt XV. (den "Papst der Deutschen" Clemenceaus). Doch die Verteidiger Pius' XII. ließen sich auf das Thema der nazistischen Greuel festnageln und begaben sich damit der Möglichkeit, von diesem Argument Gebrauch zu machen. Und mit dem Hinweis auf ihren Papst, der nichts davon gewußt oder der, soweit er davon gewußt habe, sich nicht anders habe verhalten können, wenn er nicht das Schlimmste heraufbeschwören wollte, führten sie keinen stärkeren Gegenschlag, als wenn sie mit Pfeilen auf Atombomben geantwortet hätten.
Es soll hier noch einmal gesagt werden: Es ist wahr, daß Pius XII. nichts gewußt hat. Doch da dies nicht das Problem darstellte, war es ein sehr dürftiges Argument. Es ist ebenfalls wahr, daß er stets
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bemüht war, das Schlimmste zu vermeiden, und daß darin der Grund für seine "Zurückhaltung" - das Wort stammt von ihm selbst - lag, doch machte man ihm gerade das zum Vorwurf. Alfred Grosser [122], Mentor Saul Friedländers, ging sogar so weit, zu sagen: "Man muß zuweilen den Mut haben, das Notwendige dem Nützlichen vorzuziehen." In den Augen der Feinde Pius' XII. hat dieses Wort, das sie wohlweislich nicht in seinem richtigen Zusammenhang wiedergeben, den Charakter eines Geständnisses. Die "Zurückhaltung" des Papstes erklärt sich aus der Sorge, das über die Menschheit hereingebrochene Unheil nicht noch zu verschlimmern, sowie aus der Sorge, der Vater aller Menschen zu bleiben. In diesem Falle bedeutete der Spielraum zwischen dem "Nützlichen" und dem "Notwendigen" zweifellos soviel wie zu entscheiden, ob er die ungefähr 40 bis 50 Millionen Katholiken in den von den deutschen Truppen besetzten Gebieten Europas den Repressalien Hitlers ausliefern sollte oder nicht, ohne dadurch das Los der Juden in irgendeiner Weise, wenn nicht zum Schlechteren, zu ändern. Er hätte sich auch zur völligen Stummheit verdammt: Um des Papstes Stimme unhörbar zu machen, brauchte Mussolini lediglich den Osservatore Romano zu verbieten und Radio Vatikan den elektrischen Strom zu entziehen [123]. Woraus man sieht, daß es nicht einmal nötig gewesen wäre, ihn zu deportieren: Durch Weizsäcker wissen wir, daß dies erwogen wurde. Wir wissen aber auch [124], daß Pius XII. eine solche Eventualität keineswegs fürchtete, wie von jedermann, einschließlich seiner Ankläger, zugegeben wird, obwohl sie versuchten, ihm diese Furcht zu unterstellen. Es hätte ferner bedeutet, sich der Möglichkeit jeglicher späterer Bemühung zu berauben, und zwar sowohl zugunsten der Juden selbst - von denen er manch einen rettete [125]! - als auch hinsichtlich der Wiederherstellung der internationalen Beziehungen, auf die er weiterhin hoffte. Sich deportieren oder unter Ausschluß jeder Verbindung mit der Außenwelt im Vatikan einschließen zu lassen, hätte geheißen, das Steuer des "Schiffes Petri" fah-
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ren und dieses mit seinen an die 500 Millionen Passagieren auf den stürmischen Ozean einer dem Wahnsinn verfallenen Welt hinaustreiben zu lassen . . .
Es mag noch hingehen, daß Alfred Grosser, obgleich Professor an der École des Hautes Études in Paris, sich nicht darüber im klaren ist, daß er sich mit seiner Formel von der Entscheidung zugunsten des "Notwendigen" anstelle des "Nützlichen" zugleich lächerlich und verabscheuenswürdig macht. Lächerlich deshalb, weil er einen Papst zur Abdankung auffordert, und verabscheuenswürdig, weil man, selbst ohne Hoffnung auf Rettung der Juden, trotzdem 40 bis 50 Millionen Katholiken hätte opfern müssen. Bei derartigen Leuten muß man auf alles gefaßt sein. Doch das Folgende übersteigt das Begriffsvermögen: Die Verteidiger Pius' XII. haben noch nicht einmal bemerkt, daß der merkwürdige Jesuit Riccardo des Herrn Rolf Hochhuth durch sein Verständnis dafür, daß Gerstein vor der Öffentlichkeit schweigt, um nicht seine Familie den Repressalien der Gestapo auszusetzen [126], die Benutzung dieses Argumentes völlig unmöglich machte. Ganz zu schweigen von der Anmaßung, daß das Leben jener zwei Dutzend deutscher Prote-
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stanten, die den Namen Gerstein tragen, für die Zukunft der Welt wertvoller sei als das von 40 bis 50 Millionen Katholiken!
Ich weiß wohl, was die Verteidiger Pius' XII. am meisten zurückhielt, die Debatte zu eröffnen: Wurde sie nämlich in ihrem tatsächlichen Ausmaß geführt, so mußte sie zwangsläufig auf die Frage der Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg hinauslaufen. Das zentrale Thema dieser Auseinandersetzung wäre in diesem Fall jener Standpunkt geworden, der in einer Information des deutschen Geheimdienstes formuliert wurde und der die Haltung des Papstes vor dem Kriege wie auch während des ganzen Krieges erklärt: "Der Papst nimmt . . . eine ganz klare Haltung im Streit der beiden kämpfenden Parteien ein; er verurteilt den Angriff Deutschlands und seine antikatholische Politik, aber mißbilligt gleichzeitig auch die Bestrebungen der reichen Völker England und Frankreich, die nicht bereit waren, einen Teil der von ihnen zufällig erworbenen kolonialen Reichtümer den verarmten Völkern Deutschland und Italien zu überlassen [127] . . . " Mit anderen Worten: Er verurteilte den Versailler Vertrag. Dazu gehört auch - wenn man das Andenken Pius' XII. verteidigen wollte - die rühmende Hervorhebung seiner wiederholten Stellungnahmen für die Notwendigkeit, diesen Vertrag den Geboten der Gerechtigkeit unter den Völkern anzupassen, da nur durch seine Revision der Krieg vermieden werden könne. Dazu gehören ferner seine Stellungnahmen gegen die britische und französische Kriegserklärung an Deutschland und, nach Kriegsausbruch, gegen die Ausweitung des Konfliktes, ganz gleich, ob sie nun von Mussolini, Churchill oder Roosevelt verursacht wurde. Er war einzig und allein besorgt, die "ersehnte Stunde einer Auferstehung nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und eines wahren Friedens [128]" zurückkehren zu sehen. Zum Verständnis der geschichtlichen Rolle des Papstes ge-
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hört auch, daß er zugleich den "Angriff Deutschlands" und die "Bestrebungen der reichen Völker England und Frankreich" verurteilte, wie aus dem obenzitierten Text deutlich hervorgeht. Dies brachte die Verteidiger Pius' XII. ganz besonders in Verlegenheit, denn es bedeutet die Verwerfung jener heutzutage so beliebten These von der einseitigen Verantwortlichkeit Deutschlands oder gar Hitlers an der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges - sie hat durch den Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg Gesetzeskraft erlangt - zugunsten der These der geteilten Verantwortlichkeiten. An dieser Stelle fürchteten die Verteidiger Pius' XII., der Sympathie für den Nationalsozialismus oder des Neonazismus bezichtigt zu werden. (Ich spreche dabei nicht von Dummköpfen vom Typ des Pater Riquet, die 1939 aus übrigens wenig edlen Gründen bedingungslose Kriegshetzer waren und sich voller Bewunderung für das, was sie gewesen waren und sich rühmen, geblieben zu sein, nun unablässig im Spiegel betrachten.) Dies habe, wie sie nicht zu Unrecht sagten, unter den gegenwärtigen Umständen und obwohl viele Leute hinsichtlich der meisten "Propagandawahrheiten" über die "Alleinschuld Deutschlands am Kriege", mit denen man sie förmlich überschüttet habe, ihre Meinung geändert hätten, alle Aussicht, in der Öffentlichkeit vollen Glauben zu finden. Nicht daß sie Feiglinge wären - nein, aus taktischen Gründen. "Da wir ihnen so keinerlei Anlaß geboten haben, uns in den Schmutz zu ziehen", erklärte mir einer von ihnen, und zwar kein unbedeutender, "ist unser Ansehen für den wahren Kampf unversehrt geblieben. Es ist uns klar, daß wir die Schlacht, wenn die Stunde gekommen ist, auf diesem Gebiet werden schlagen müssen . . . " So oder fast so lauteten seine Worte. Ich beschränkte mich auf die Erwiderung, daß es besser gewesen wäre, das Ansehen des Papstes unversehrt zu lassen. Und zwar nicht, weil er Papst war, ergänzte ich - denn ich bin Atheist und deshalb daran nicht im geringsten interessiert -, sondern weil er Pazifist war und weil daher in seiner Person nicht nur alle Katholiken, sondern auch alle Pazifisten verletzt worden waren, und dies ist es wohl wert, ins Wasser zu springen, um sein Andenken zu retten. Ohne jedes Risiko übrigens, setzte ich erläuternd hinzu, da sich hier in diesem Wasser eine unversenkbare Boje in der Gestalt der
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geschichtlichen Wahrheit befindet. Und die Meinung der Schwachköpfe, durch die man Gefahr läuft, unpopulär zu werden. Im Dienste der geschichtlichen Wahrheit ist die Unpopularität stets nur augenblicklich: "Die triumphierende Lüge, die vergeht", sagte Jaurès. Die vergeht! Und unter diesem Gesichtspunkt gesehen - wie viele Vorteile bietet nicht demgegenüber das für den Augenblick abgegebene Zeugnis?
Alle diese Überlegungen, die darauf abzielten, das wirkliche Ausmaß des Problems festzustellen, machen es unnötig, auf die Argumente der Verteidigung im einzelnen einzugehen. So ist es zum Beispiel unwesentlich, anzumerken, daß man durch den Versuch, die Aufführungen des Stellvertreter durch Demonstrationen am Theatereingang oder durch Werfen von Stinkbomben im Theater zu verhindern, nichts weiter zu erreichen vermochte, als Rémy Roure die Gelegenheit zu geben, mit der Entgegnung "Stinkbomben sind keine Antwort auf die Frage [129]" einen mühelosen Erfolg für sich zu verbuchen.
Und wenn Pater Riquet uns sagt, daß Pius XII. am 18. März 1945 einen Friedensappell erlassen und an alle, die seinerzeit mitgerissen worden waren, die inständige Bitte gerichtet habe, "dem Götzendienst des absoluten Nationalismus, dem Hochmut der Rasse und des Blutes sowie dem Verlangen nach Hegemonie" zu entsagen, und Himmler als Antwort darauf den Lagerkommandanten eine Mitteilung gesandt habe, in der es hieß: "Kein Häftling darf dem Feind lebend in die Hände fallen, alle sind zu liquidieren [130], so kann man ihn nur darauf aufmerksam machen, daß Himmler niemals eine solche Mitteilung geschickt hat [131]. Man stellt nicht einer Lüge eine andere entgegen, denn Lügen sind keine Nägel, bei denen man den einen mit einem anderen austreiben kann. Und was ihn selbst betrifft, kann man nur fragen: Riquet oder Loriquet [131a]? Kurz, Pater Riquet erwies der Verteidigung Pius' XII. damit einen Bärendienst.
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Und wenn schließlich die deutsche Bundesregierung "unter tiefem Bedauern über die Angriffe gegen Pius XII." verkündet, sie "wisse, wie sehr sie dem Papst für seine Hilfe zu Dank verpflichtet sei, die er dem deutschen Volke beim Zusammenbruch des Naziregimes zugunsten der Aussöhnung Deutschlands mit den anderen Ländern habe angedeihen lassen [132]", so ist das lediglich eine Dankbarkeitsbezeigung ohne historischen Wert und für die Verteidigung Pius' XII. ein weiterer Bärendienst.
Selbst der so häufig zitierte Brief, den Paul VI., damals noch Kardinal Montini, an die englische katholische Zeitschrift The Tablet [133] richtete, streift das wirkliche Problem nur:
"Eine Verurteilung und ein Protest vor aller Welt, den nicht ausgesprochen zu haben man dem Papst vorwirft, wären nicht nur unnütz, sondern sogar schädlich gewesen . . . Gesetzt den Fall, Pius XII. hätte das getan, was ihm Hochhuth vorwirft, nicht getan zu haben, dann hätte das zu derartigen Repressalien und Zerstörungen geführt, daß der gleiche Hochhuth . . . nach Kriegsende ein anderes Drama hätte schreiben können, viel realistischer und viel interessanter als jenes, das er . . . in Szene gesetzt hat, nämlich das Drama des 'Stellvertreters', dem wegen politischem Exhibitionismus oder psychologischer Unachtsamkeit die Schuld zufallen würde, in der schon so sehr gequälten Welt eine noch viel weitere Zerstörung ausgelöst zu haben, weniger zum eigenen Schaden als zum Schaden unzähliger unschuldiger Opfer [134]."
Trotzdem muß man gelten lassen, daß dieser Text, wenn er das wahre Problem auch nur streift, es doch gleichwohl stellt, insbesondere in seinem letzten Satz: Jedermann versteht, daß es hier um den Charakter geht, den der Krieg in der Steigerung von Re-
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pressalie zu Repressalie auf beiden Seiten angenommen hätte, und daß Pius XII. statt des beschwichtigenden Elementes, das er stets sein wollte, zu einem Element der Aufreizung geworden wäre.
Die beste Darlegung des Problems und folglich die beste Antwort auf die Verleumdungskampagne gegen Pius XII. erfolgte durch die deutschen Bischöfe anläßlich der Plenarkonferenz in Hofheim/Taunus vom 4. bis 6. März 1963:
"Papst Pius XII. erfüllte seine Aufgabe als oberster Hirte der Kirche mit bewunderungswürdiger Verantwortung und Gerechtigkeit in einer Zeit, die durch den Zweiten Weltkrieg und das in vielen Völkern sich daran anschließende Chaos besonders schwierig und spannungsreich war.
So erinnern wir uns in Dankbarkeit, daß sich Papst Pius XII. mit aller Kraft bemüht hat, den Ausbruch des Krieges zu verhindern, und daß er während des Krieges alles tat, um dem Blutvergießen unter den Völkern ein Ende zu setzen.
In hervorragendem Maß gehört diesem Papst der Dank der Menschheit, daß er seine Stimme gegen furchtbare Unmenschlichkeiten, insbesondere gegen die Unterdrückung und Vernichtung von Menschen und Völkern erhob, wie sie während des Krieges und nach dem Kriege erfolgten. Wenn die Stimme Pius XII. bei den Verantwortlichen kein Gehör fand, so fällt die Schuld auf sie zurück [135]."
Leider blieb diese Darstellung ohne Echo. Niemand unterzog sich der Aufgabe zu beweisen, daß sich Pius XII. "mit aller Kraft
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bemüht hat, den Ausbruch des Krieges zu verhindern, und daß er während des Krieges alles tat, um dem Blutvergießen unter den Völkern ein Ende zu setzen".
Und daß dies der wahre Grund war, weshalb man ihn in so gehässiger Weise angegriffen hat.
Das wird im folgenden unsere Aufgabe sein.
Im Anhang [136] haben wir die wichtigsten anderen Argumente der Verteidigung aufgeführt, angesichts ihrer geringen Bedeutung jedoch lediglich als Notiz.
Fußnoten:
[2] Jacques Nobécourt, Le Vicaire et l'histoire, S. 9
[3] Rolf Hochhuth, Der Stellvertreter, S. 83
[4] Die Genehmigung für eine römische Aufführung des Stellvertreter durch den italienischen Staat würde bedeuten, daß dieser zuvor das Konkordat von 1929 aufkündigen müßte, durch das ihm die Erteilung einer solchen Genehmigung gegen die Meinung des Papstes untersagt ist. Angesichts der engen Bindung des italienischen Volkes - auch der Kommunisten, wie es das Beispiel des Don Camillo von Guareschi zeigt - an die katholische Kirche wird man verstehen, daß keine Regierung, auch nicht die am stärksten nach links orientierte, leichtfertig einen solchen Schritt wagen wird.
Es muß hinzugefügt werden, daß der Papst wohl eine Aufführung in Rom, jedoch nicht in anderen Städten verhindern kann. Seit dem Erscheinen der französischen Ausgabe dieses Buches fand eine Aufführung in Süditalien statt, jedoch nur eine, denn der Skandal war so groß, die Bevölkerung so verletzt, daß man von weiteren Aufführungen Abstand nahm.
[5] Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Amtlicher Text in deutscher Sprache, Bd. X, S. 162
[6] Ebd., S. 163
[7] Ebd., S. 133
[8] Ebd., S. 159
[9] Nobécourt, Le Vicaire . . . , S. 71-76
[10] Hauptfigur des Romans Les Misérables von Victor Hugo. (Anm. d. Übers.)
[10a] Hochhuth, Der Spiegel, französische Ausgabe, v. 26. April 1963, und Nouveau Candide v. 19. Dezember 1963
[10b] Der Spiegel, französische Ausgabe, v. 26. April 1963
[11] Nobécourt, Le Vicaire . . . , S. 11
[12] Ansprache an das Kardinalskollegium am 2. Juni 1943. (Zitiert nach Walter Adolph, Verfälschte Geschichte, Antwort an Rolf Hochhuth, Berlin 1963, S. 76 - Anm. d. Übers.)
[13] Snobissimo
[14] Guy Le Clec'h, Figaro littéraire v. 18. Dezember 1963
[15] Der Spiegel v. 24. April 1963, S. 96
[16] Nobécourt, Le Vicaire . . . , S. 34
[17] Le Monde v. 19. Dezember 1968
[18] Weihnachtsbotschaft 1939
[19] Weihnachtsbotschaft 1942. (Zitiert nach W. Adolph, Verfälschte Geschichte, S. 73 - Anm. d. Übers.)
[20] Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2. Juni 1943. (Zitiert nach W. Adolph, Verfälschte Geschichte, S. 75 f. - Anm. d. Übers.)
[21] Dokument CCXVIII-78 des Centre de Documentation juive contemporaine. Hochhuth, der dieses Schriftstück in seinem historischen Anhang (Der Stellvertreter, S. 259 f.) zitiert, erwähnt hierzu folgendes: "Im Herbst 1942 hat Donati dem Papst durch Vermittlung des Ordensgenerals der Kapuziner eine Note über die Situation der Juden in Südfrankreich überreichen lassen und um päpstliche Hilfe gebeten. Sie blieb völlig aus." Aus dem Telegramm Nr. 232 vom 14. September 1942 des deutschen Botschafters beim Heiligen Stuhl, von Bergen, erfahren wir hingegen: "Der vom Heiligen Stuhl bei der französischen Regierung unternommene Schritt zwecks Milderung der Maßnahmen gegen die Juden ist bisher ohne Ergebnis geblieben. Im Vatikan ist man nach wie vor durch die dort eingehenden Nachrichten sehr beeindruckt." (Zitiert nach Saul Friedländer, Pius XII. und das Dritte Reich, S. 84 f.) Die Anklage Hochhuths schreckte offenbar vor nichts zurück!
[22] Die Äußerung erfolgte vor dem Konsistorium am 22. Januar 1915. Sie wurde gegenüber dem Journalisten Louis Latapie anläßlich eines Interviews wiederholt und von der Zeitung La Liberté in der Ausgabe vom 22. Juni 1915 abgedruckt.
[23] Ebd.
[24] Foreign Relations of the United States 1943 II, S. 911 ff. (Zitiert nach Friedländer, Pius XII., S. 97 - Anm. d. Übers.)
[25] In seinem bereits angeführten Werk Pius XII. und das Dritte Reich
[26] Schreiben an Msgr. von Preysing, Bischof von Berlin. (Zitiert nach Adolph, Verfälschte Geschichte, S. 40 und 42 - Anm. d. Übers.)
[27] Im Dezember 1939 baten die polnischen Geistlichen sowohl der von den Deutschen als auch der von den Russen besetzten Gebietsteile den Papst inständig darum, die Sendungen von Radio Vatikan einzustellen, da diese einzig und allein zur Folge hätten, ihr Los zu verschlimmern. Im Juni 1942 hatte ein für den Gebrauch der Gläubigen frei vervielfältigtes päpstliches Dokument zum gleichen Ergebnis für die Juden und Halbjuden in Holland geführt.
[28] Im folgenden wird ein Vergleich zu Pierre Corneilles klassischer Tragödie Le Cid (1636) angestellt.
Im Verlauf einer Auseinandersetzung versetzt Don Gomez, Comte de Gormas, dem greisen Don Diègue eine Ohrfeige. Don Rodrigue, Titelheld des Dramas und Sohn Don Diègues, symbolisiert Tapferkeit, Treue, Ehre, Pflicht gegenüber seiner Familie: Die seinem Vater angetane Schmach ist auch die seine. Um seines Vaters und gleichzeitig seine eigene Ehre wiederherzustellen, fordert er den Beleidiger Gormas zum Zweikampf und tötet ihn. (Anm. d. Übers.)
[29] Hochhuth, Stellvertreter, S. 229
[30] Ebd., S. 259
[31] Ebd., S. 232
[32] Ebd., S. 233
[33] Ebd., S. 16
[34] Ebd., S. 232
[35] Ebd., S. 9
[36] Nobécourt, Le Vicaire . . . , S. 10
[37] Augenzeugenbericht zu den Massenvergasungen, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1. Jg. (1953), S. 192 f. (Deutsche Fassung des Gerstein-Berichts)
[38] Friedländer, Pius XII., S. 93
[39] Vgl. P. Rassinier, Das Drama der Juden Europas, S. 110 ff.
[40] Nobécourt, Le Vicaire . . . , S. 120
[41] In seinem Schreiben vom 11. Juni 1940 teilt er dem Erzbischof von Paris, Kardinal Suhard, mit, daß er "seit Anfang Dezember 1939" den Heiligen Vater nachdrücklich darum gebeten habe, "eine Enzyklika über die Pflicht des einzelnen, der Stimme des Gewissens zu folgen, zu veröffentlichen". Pius XII. lehnte ab. Nichts ist natürlicher als das, denn am 20. Oktober 1939, das heißt kaum mehr als einen Monat vorher, hatte er die Inauguralenzyklika seines Pontifikats veröffentlicht, in der dieses Thema angesprochen wurde. Das Schreiben Kardinal Tisserants wurde am 26. März 1964 von der gesamten Presse groß herausgestellt.
[42] Nobécourt, Le Monde v. 26. März 1964
[43] Le Nouveau Candide v. 2. April 1964. Der Kardinal fügte hinzu, er selbst habe während seines Versuchs, Pius XII. von der Notwendigkeit einer Enzyklika über "die Stimme des Gewissens" zu überzeugen, "keineswegs an die Juden oder an den Nationalsozialismus, sondern an den Islam gedacht". Dies durchkreuzte alle daran geknüpften Erwartungen und machte es unmöglich, sein Schreiben an Kardinal Suhard gegen "das Schweigen" Pius' XII. zu verwenden. Schach und matt! Doch die Verteidiger des Stellvertreter taten, als ob nichts gewesen wäre.
[44] Siehe P. Rassinier, Die Lüge des Odysseus, S. 153 f.
[45] Wenn der SS-Offizier Kurt Gerstein dies dem Syndikus des katholischen Bischofs von Berlin, Herrn Dr. Winter, wirklich berichtet hat (s. o. S. 42), dann kann man nur allzu gut verstehen, daß dieser es niemals an den apostolischen Nuntius in Berlin und dieser wiederum es nicht an den Papst weitergab! Und wenn es sich um die gleichen Dinge handelt, die der Mitarbeiter des Sonderbeauftragten Präsident Roosevelts am Vatikan, Tittmann, Ende Dezember 1942 dem Papst mitteilte, dann ist es ebenso verständlich, daß dieser ihm zur Antwort gab, "er fürchte, die Berichte der Alliierten über die Grausamkeiten seien fundiert", wenn auch "seiner Ansicht nach ein wenig Übertreibung zu Propagandazwecken im Spiele sei". (Vollständig zitierter Text des Telegramms s. o. S. 35.) Es muß dabei sogar betont werden, daß Pius XII. sich in seiner Ausdrucksweise sehr maßvoll zeigte.
[46] Rassinier, Drama der Juden und La Voix de la Paix, Juni 1964
[47] Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof (Nürnberg 1948) VI, S. 370 f. und 400 f. Als der französische Ankläger Dubost in der Verhandlung am Morgen des 30. Januar 1946 das Dokument vorlegte, lehnte der Vorsitzende es als Beweisunterlage glatt ab. Während der Verhandlung am Nachmittag weigerte sich dann Dubost, es vorzulegen!
[47a] Rückübersetzung (Anm. d. Übers.)
[48] Léon Poliakov, L'Arche, 1. Januar 1964, und La Terre retrouvée, 1. April 1964
[49] Diese Bemerkung wurde geschrieben, bevor der Vatikan offiziell diese Absicht bekanntgab. Nunmehr ist in Rom der erste Band der diplomatischen Akten des Vatikans erschienen. Darin wird die These der hier vorliegenden Arbeit bestätigt.
[50] Ja sogar in drei Sprachen, da dem Anschein nach ein oder zwei angefügte Blätter auf englisch abgefaßt waren.
[51] Attendu (Urteilsbegründung) 124 im Eichmann-Prozeß (nach Poliakov, Le Procès de Jérusalem, S. 224 f.)
[52] Mitteilung der Commission Oecuménique pour l'Aide Spirituelle aux Prisonniers de Guerre, Genf, vom 10. März 1949 (nach Rothfels, Vierteljahreshefte 1. Jg. [1953], S. 185)
[53] Ebd., S. 185
[54] Poliakov erklärt, im "Cherche-Midi", doch gibt er seine Quellen nicht an. Poliakov ist bekannt für seine Manie, Texte zu präzisieren oder zu verbessern (vgl. seine erste Version des Gerstein-Berichtes in Le Bréviaire de la haine, S. 224 f.)
[55] Zitiert nach L'Express v. 19. Dezember 1963, S. 27
[56] Le Bréviaire de la haine, (Text zitiert nach Hochhuth, Stellvertreter, S. 6 - Anm. d. Übers.)
[57] Le Pape outragé
[58] Figaro littéraire v. 19. Dezember 1963
[59] Le Figaro v. 3. Juli 1940. Es handelt sich um die Stimme Marschall Pétains.
[60] S. u. S. 173 ff.
[61] G. McKnight, Le Dr Schweitzer
[62] (Die deutsche Ausgabe erschien bei Rowohlt unter dem Titel Die Wörter. - Anm. d. Übers.)
[63] Canard enchaÓné v. 7. Oktober 1964
[64] Vgl. Stefan Zweig, Die Welt von gestern
[65] Um es dem Leser zu ermöglichen, die Zuverlässigkeit dieser Meldungen, die von Hochhuth mit entschieden unübertroffener Fähigkeit, die geschichtlichen Wahrheiten "wissenschaftlich zu erarbeiten", aufgegriffen werden (vgl. Der Stellvertreter, Historische Streiflichter, S. 246 f.), in der richtigen Weise einzuschätzen, wollen wir unsererseits darauf hinweisen, daß der jüdische Ankläger in Nürnberg Robert Kempner den ersten für Polen bestimmten Transport von Juden auf den 28. März 1942 datiert (Eichmann und Komplizen, Europa Verlag, Stuttgart, S. 185) und daß Joseph Billig vom Centre de Documentation juive contemporaine in Paris hierfür den 27. nennt (La Condition des Juifs en France, Revue d'Histoire de la Deuxième Guerre mondiale, Oktober 1956). Es sei noch hinzugefügt, daß der Beschluß zur Deportation der Juden in den Osten auf der berühmten Konferenz in Berlin-Wannsee am 20. Januar 1942 gefaßt wurde.
[66] Le Monde v. 21. Januar 1964
[67] Friedländer, Pius XII., S. 86
[68] Ebd., S. 89 f.
Ferner in U.S. Department of State Bulletin, Bd. VII (Washington
1942)
(Friedländer, a. a. O., S. 90 - Anm. d. Übers.)
[69] Ebd., S. 91
[70] Friedländer,
Pius XII., S. 91 f.
Ferner in U. S. Department of State Bulletin, Bd. VII (Washington
1942) S. 1009 (Zitiert nach Friedländer, a. a. O., S. 92
- Anm. d. Übers.)
[71] Vgl. oben S. 56 f.
[72] Der Kastner-Bericht über Eichmanns Menschenhandel in Ungarn, sowie Alex Weißberg, Die Geschichte von Joel Brand
[73] Weißberg, Joel Brand, S. 152
[74] Ebd., S. 157
[75] Ebd., S. 163 ff.
[76] Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher (Nürnberg 1947) III, S. 560 f.
[77] S. P. Rassinier, Zum Fall Eichmann: Was ist Wahrheit? oder Die unbelehrbaren Sieger
[78] Vgl. oben S. 58
[79] Weißberg, Joel Brand
[80] Erklärung Msgr. Orsenigos gegenüber Professor Edoardo Senatra wenige Tage nach einer Intervention im November 1943. Die Erklärung wurde wiedergegeben im Petrus Blatt, dem Organ der Diözese Berlin, vom 7. April 1963.
[81] Nobécourt, Le Vicaire, S.120
[82] Deutsche Ausgabe von Pie XII et le IIIe Reich, erschienen bei Rowohlt 1965. Dieses Buch stellt im übrigen nur eine Paraphrase des bei McGraw-Hill (New York 1964) erschienenen Werkes von Guenter Lewy, The Catholic Church and Nazi Germany, dar. Da dieses letztgenannte Werk noch nicht in französischer Übersetzung vorliegt, wurde eine Bezugnahme darauf vom Autor als nicht zweckmäßig erachtet. Im übrigen bedeuten die Bemerkungen zu dem Werk von Friedländer gleichzeitig auch eine Stellungnahme zu dem des Verlages McGraw-Hill.
[83] Note Du Moulins an Ribbentrop vom 3. März 1939, zitiert bei Friedländer, Pius XII., S. 17 f.
[84] Vgl. Anhang I
[85] 3. Juni 1937, zitiert nach Le Monde et la Vie, Januar 1964 (Rückübers. - Anm. d. Übers.)
[86] Zitiert nach L'Homme nouveau v. 19. April 1964
[87] 4. Dezember 1964
[88] Pater Leiber zählte bis Ende 1937 "mehr als 55" solcher Proteste (Stimmen der Zeit, März 1962, und Revue des Questions allemandes, Juli-August 1963). Die bedeutendsten davon wurden durch Michele Maccarrone veröffentlicht (Il Nationalsocialismo e la Santa Sede, Rom 1947). Noch während der Drucklegung dieses Buches erscheint in Deutschland ein Werk, in dem 111 dieser Proteste in vollem Wortlaut wiedergegeben werden: Der Notenwechsel zwischen dem Hl. Stuhl und der deutschen Reichsregierung von Dieter Albrecht. Indem Friedländer seine Forschungen mit dem 3. März 1939 beginnen läßt, verzichtet er ganz einfach darauf, diese Noten zu erwähnen. Man kann die Redlichkeit eines solchen Vorgehens nur bewundern.
[89] Verurteilt am 9. 2. 1934
[90] Verurteilt am 14. 2. 1934
[91] Verurteilt am 14. 3. 1934
[92] Verurteilt am 21. 2. 1940
[93] Verurteilt am 2. 12. 1940
[94] Friedländer, Pius XII., S. 57.
[95] Ebd., S. 18.
[96] Ebd., S. 127. Telegramm Weizsäckers vom 5. Juli 1943, in dem dieser über die Privataudienz berichtet, die ihm anläßlich der Überreichung seines Beglaubigungsschreibens gewährt wurde.
[97] Vgl. oben S. 36
[98] Brief Menshausens an das Reichsaußenministerium, zitiert bei Friedländer, Pius XII., S. 66.
[99] Zitiert bei Friedländer, Pius XII., S. 41 ff., nach Akten zur deutschen auswärtigen Politik D VIII S. 704 ff.
[100] Brief Bergens an das Reichsaußenministerium vom 6. April 1943, zitiert bei Friedländer, Pius XII., S. 12.
[101] Zitiert bei Hochhuth, Stellvertreter, S. 235.
[102] L'Italie de Mussolini
[103] Ähnliche Äußerungen verzeichnet man von nahezu allen Politikern bei der Erfüllung ihrer Repräsentationspflichten. Nachstehend einige Beispiele:
"Wir glauben an die Redlichkeit und Aufrichtigkeit Hitlers." (Lord Beaverbrook, Daily Express v. 31. Oktober 1938.)
"Diejenigen, die mit Hitler in der Öffentlichkeit zusammenkamen, ob in dienstlichen Angelegenheiten oder aus gesellschaftlichen Gründen, hielten ihn für äußerst sachverständig, gelassen und wohlinformiert, und manch einer war beeindruckt durch seine angenehmen Umgangsformen, sein entwaffnendes Lächeln und seine persönliche Anziehungskraft." (Winston Churchill, Great Contemporaries, 1939, S. 268.)
" . . . Der Führer ist ein großer Menschenführer, und aus diesem Grunde bewundere ich ihn." (Churchill, ebd., S. 296.)
"Der römische Geist, der durch Mussolini, den größten lebenden Gesetzgeber, verkörpert wird, hat zahlreichen Nationen gezeigt, daß man dem Druck des Sozialismus widerstehen kann, und den Weg vorgezeichnet, den eine Nation gehen kann, wenn sie mutig geführt wird." (Churchill in Queen's Hall, auf dem Kongreß der antisozialistischen Liga, 18. Februar 1933.)
"Der Faschismus ist eine heilsame Reaktion gegen den Bolschewismus." (Lord Curzon beim Empfang Mussolinis in Lausanne am 20. Oktober 1922.)
"Ich empfinde für Mussolini größte Achtung und größte Bewunderung. Er ist ein Mann von überaus großer Charakterstärke und beachtlichem Scharfsinn. Sein persönliches Verhalten ist von großem Charme und vollendeter Schlichtheit geprägt." (Chamberlain nach seiner Begegnung mit Mussolini in Livorno am 30. September 1926. Zitiert bei Max Gallo, L'Italie de Mussolini, S. 255.)
[104] Friedländer, Pius XII., S. 14 und 16
[105] Émile Combes, ehemaliger Ministerpräsident (1902 bis 1905), leidenschaftlicher Verfechter einer antiklerikalen Politik. (Anm. d. Übers.)
[106] Alberto Giovannetti, Der Vatikan und der Krieg, S. 36
[107] Text, der dem Osservatore Romano zugeschrieben and nach Abt Paul Duclos, Le Vatican et la Seconde Guerre mondiale, S. 58 f. zitiert wird. Friedländer, der diese Stelle im Anschluß an die Proteste des Papstes gegen die Invasion Belgiens, Hollands and Luxemburgs anführt, will darauf aufmerksam machen, daß die Invasion Norwegens keinerlei Protest seitens des Heiligen Stuhles auslöste, was ihm die Möglichkeit gibt, die folgende Frage zu stellen (wenn er auch mittels einer in solchen Fällen üblichen Floskel, vor einer derartigen Schlußfolgerung "zurückscheut"): "Verurteilt der Papst Gewalt and Aggression nur dann . . . wenn die Opfer katholisch sind?" (Friedländer, Pius XII., S. 47). Man sieht, was hier dem Leser eingeredet werden soll.
[108] Messages de guerre
[109] Vgl. oben Anm. 93
[110] Brief Menshausens, eines Mitarbeiters Bergens im Auswärtigen Amt, vom 23. Januar 1941, zitiert bei Friedländer, Pius XII., S. 62-65
[111] Ebd., S. 66
[112] Vgl. oben S. 65 ff.
[113] Friedländer, Pius XII., S. 124
[114] Ebd., S. 58 f.
[115] Ebd., S. 163
[116] Ebd., S. 44
[117] Ebd., S. 45
[118] Giovannetti, Der Vatikan, S. 143
[119] Telegramm Weizsäckers an Berlin vom 24. September 1943. Zitiert bei Friedländer, Pius XII., S. 136
[120] Die Erfahrung scheint zu lehren, daß die Sprache eines Stellvertreters Christi dem gesunden Menschenverstand nicht ohne weiteres eingeht. Das Beispiel dafür wurde uns soeben von Papst Paul VI. geliefert, der sichtlich den Spuren Pius' XII. folgt, obwohl der Strom, gegen den er anschwimmen muß, unleugbar die Kraft eines Wildwassers besitzt. Als er am 6. Januar 1965 das diplomatische Korps empfing, das gekommen war, um ihm seine Neujahrswünsche zu entbieten, sprach Paul VI. in seiner Antwort an den Doyen über das Thema des Friedens, und nachdem er das Problem der Entwicklungsländer angeführt hatte, schloß er seine Ausführungen mit der Erwähnung der "geistigen und sittlichen Grundsätze, auf denen sich die Zivilisation von morgen aufbauen kann". Am Tage nach dieser Rede gab Le Figaro seinem Artikel mit Recht die Überschrift "Neuer Friedensappell Pauls VI.": "Papst Paul VI. erließ heute morgen, als er die beim Vatikan akkreditierten Mitglieder des diplomatischen Korps, die gekommen waren, um ihm ihre Glückwünsche zum Jahreswechsel zu entbieten, in Audienz empfing, einen neuen Aufruf zum Frieden. Der Papst verbarg nicht seine Besorgnis über die gegenwärtige Situation. Obgleich er keine der derzeitigen Krisen erwähnte, ist es klar, daß er auf die Ereignisse in Vietnam und im Kongo sowie auf den Streit zwischen Indonesien und Malaysia anspielte. Paul VI. wies ebenfalls erneut auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen den Nationen und der Hilfe für die noch in der Entwicklung befindlichen Völker hin."
Doch am gleichen Tage erschien in Le Monde die Überschrift: "Paul VI. weist anläßlich des Empfanges des diplomatischen Korps auf die Rechte der Entwicklungsländer hin."
[121] Zitiert nach Papst Pius XII., Reden und Enzykliken, hg. von P. Wilhelm Jussen. Hamburg 1946. S. 151 und 172. (Anm. d. Übers.)
[122] Radiosendung vom 27. November 1964 über Pius XII. und das Dritte Reich.
[123] Ein solcher Plan bestand. Vgl. Duclos, Le Vatican, S. 123
[124] Dino Alfieri, Deux dictateurs face à face, S. 30, zitiert bei Friedländer, Pius XII., S. 47
[125] Zwei moralisch und finanziell durch den Vatikan unterstützte kirchliche Organisationen waren den Juden, die sich mit ihnen in Verbindung setzen konnten, behilflich, Italien zu verlassen, indem sie ihnen Geld und ausländische Pässe besorgten. Es handelt sich hierbei um die Organisationen Oeuvre de Saint-Raphael und Delasem, die übrigens direkt mit den jüdischen Organisationen der Vereinigten Staaten zusammenarbeiteten. Darüber hinaus wurden den Juden die römischen Klöster als Zufluchtsstätten geöffnet. (Vgl. Pater Leiber, Stimmen der Zeit, März 1961.)
[126] Vgl. Hochhuth, Stellvertreter, S. 69. Als Riccardo von Gerstein verlangt, er solle nach London gehen und dort über BBC von allem berichten, was er wußte, entgegnet Gerstein "leidenschaftlich": "Herrgott - ahnen Sie nur, was Sie da verlangen: Ich tue alles - aber dies kann ich nicht tun. Eine Rede von mir am Radio London - und in Deutschland wird meine Familie ausgerottet."
Hierauf Riccardo: "O bitte, das - das habe ich nicht gewußt!"
Der Dialog geht folgendermaßen weiter: Gerstein: "Die würden nicht nur meine Frau ermorden, meine Kinder - noch meine Brüder würden sie im Lager zu Tode quälen."
Und Riccardo bittet demütig: "Verzeihn Sie mir . . . "
Aber es versteht sich von selbst, daß Pius XII. ein "Verbrecher" ist, weil er für 40 bis 50 Millionen Katholiken die gleiche Sorge hegte.
[127] Inf. III vom 18. 7. 1941, Archiv AA, StS: V. Zitiert bei Friedländer, Pius XII., S. 68
[128] Summi Pontificatus (Zitiert nach Der Papst an die Deutschen, Pius XII. als Apostolischer Nuntius und als Papst in seinen deutschsprachigen Reden und Sendschreiben von 1917 bis 1956, hg. von B. Wuestenberg und J. Zabkar. Frankfurt am Main 1956. S. 94 - Anm. d. Übers.). Das Thema wurde in allen Weihnachtsbotschaften während des Krieges und in allen Ansprachen vom 2. Juni vor dem Kardinalskollegium wiederaufgenommen.
[129] Le Figaro v. 28. Dezember 1963
[130] Le Figaro v. 3. Januar 1964
[131] Le Figaro littéraire v. 4. Juni 1960, unter dem Namen von Jacques Sabille, sowie Les Mains du miracle von Joseph Kessel, der sich dabei auf den Leibarzt Himmlers, Dr. Kersten, beruft.
[131a] Jean Loriquet, französischer Jesuit (1767-1845), Verfasser historischer Werke, in denen er die historischen Fakten völlig verfälschte. So nannte er z. B. Napoleon I. den "Marquis Bonaparte, lieutenant des armées de Louis XVIII". Er wurde zum Gespött der französischen Historiker. Seitdem bezeichnet man einen Historiker, der es mit der geschichtlichen Wahrheit nicht genau nimmt, als einen "Loriquet". (Erläuterung d. Verf. für die deutsche Ausgabe)
[132] Osservatore Romano v. 5. Mai 1963
[133] 11. Mai 1963
[134] Zitiert nach Adolph, Verfälschte Geschichte, S. 112. (Anm. d. Übers.)
[135] Katholische Nachrichten Agentur, Informationsdienst, vom 7. März 1963. Der Objektivität halber muß gesagt werden, daß einer der Konferenzteilnehmer, der Erzbischof von München, Msgr. Döpfner, sich am 8. März 1964 in einer langen Ansprache davon distanzierte und einräumte:
"Es ist im Urteil historischer Rückschau durchaus die Meinung denkbar, daß Pius XII. hätte schärfer protestieren sollen." Hierbei wird nur auf die Verbrechen des Nationalsozialismus angespielt, wie aus dem Textzusammenhang klar hervorgeht. Und die einzige Milderung hierzu, die im Grunde gar keine ist: "Jedenfalls dürfte die absolute Lauterkeit seiner Motive und auch die echte Angemessenheit seiner Gründe nicht angezweifelt werden."
Jacques Nobécourt machte sich eilends daran, den ersten dieser beiden Sätze seinem Buch Le Vicaire et l'histoire als Motto voranzustellen und ihn so zu den Anklageakten zu nehmen. Wirklich sehr ärgerlich für den Erzbischof!
[136] Anhang III