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"lch bin der Auffassung, daß derzeit Henri Roques der Mensch ist, der sich im Fall Gerstein am besten auskennt. Auch wenn ich seine Schlußfolgerungen nicht immer teile, so bin ich doch der Meinung, daß von nun an alle Forscher seinen Untersuchungen Rechnung tragen müssen. In zahlreichen Punkten bin ich übrigens seiner Meinung."
Alain Decaux in "Histoire en question"
(In Frage gestellte Geschichte,Kapitel Obersturmführer Gerstein, S. 309ff.,1983)
[7]
In Frankreich gehen die Uhren anders -. Das hat nicht nur der Wahlausgang am 16. März 1986 bewiesen.
Die Zeitgeschichtsschreibung hat es in Frankreich etwas leichter als hierzulande, obwohl natürlich der Druck interessierter Kreise vor allem im nachhinein sehr wirksam ist.
Was den Untersuchungen von Professor Faurisson widerfuhr, scheint nun auch der Doktorarbeit von Henri Roques zu drohen: man will ihn wegen Geschichtsfälschung anklagen. Der Hochschulminister der Regierung Chirac, Alain Devaquet, macht Geschichte: Zum ersten (!) Mal in der Geschichte der französischen Universität hat er eine Doktorarbeit für null und nichtig erklärt.
Es handelt sich um die Arbeit von Henri Roques (Die "Geständnisse" des Kurt Gerstein - eine vergleichende textkritische Untersuchung der verschiedenen Fassungen).
Gleichzeitig wurde Prof. Jean-Claude Rivière, der Doktorvater, unter Beibehaltung seiner Bezüge bis auf weiteres des Dienstes enthoben. Devaquet hat einen Ausschuß eingesetzt, der die Einhaltung der Vorschriften überprüfen soll. Sind keine Beanstandungen festzustellen, gäbe es keine Moglichkeit, Henri Roques den Doktorgrad vorzuenthalten. In der Begründung des Devaquet-Schrittes heißt es u. a.: "Der Prüfungsausschuß verkorpert die französische Universität schlechthin. Alle Doktorarbeiten berühren die Verantwortung wie auch das Ansehen der französischen Universität."
Laut "Liberation" vom 3. Juli will der Chirac-Minister mit diesen Maßnahmen das wissenschaftliche Ansehen, das durch den Fall Roques zu Schaden gekommen sei, retten.
[8] In Zukunft sollen für ein "Universitäts-Doktorat" (doctorat d'université), für das jede Hochschule ihre eigenen Normen festlegt, unter folgenden Bedingungen, die denen einer "thèse d'Etat" (Doktorarbeit am Abschluß eines wissenschaftlichen Studiums) entsprechen, durchgeführt werden:
1. Öffentlicher Hinweis in der Universität;
2. Inhaltsangabe sowie mündlicher Termin sind auszuhängen;
3. Der Prüfungsausschuß wird von drei auf fünf Personen erhöht;
4. Die Zahl der Beisitzer wird von drei auf fünf Personen erhöht.
Doch wie schon der Ausgang des Verfahrens gegen Robert Faurisson beweist, sind die französischen Gerichte im Gegensatz zu denen hierzulande bisher nicht bereit, den Historikern die Arbeit abzunehmen und sozusagen von Amts wegen eine offizielle Geschichtsauslegung mittels Urteil festzusetzen.
Wie Faurisson so ist auch Henri Roques ein geistiger Schüler des unvergessenen Paul Rassinier, des Vaters der revisionistischen französischen Geschichtsschreibung des Zweiten Weltkrieges. Wie Faurisson kommt Henri Roques aus einer wissenschaftlichen Richtung, die hierzulande kaum bekannt ist und kaum gepflegt wird: der vergleichenden Textkritik sowie der Textkritik schlechthin.
Henri Roques hat in seiner Doktorarbeit (doctorat d'université) ein heißes Eisen aufgegriffen. Er hat sich an ein Schlusseldokument der Vertreter der NS-Massentötungen herangewagt: an den sog. Gerstein-Bericht. In Anlehnung an eine Wendung aus der Doktorarbeit der Historikerin Olga Wormser-Migot zieht Roques es vor, die Gerstein-Texte als "Geständnisse" zu bezeichnen.
Aus deutscher Sicht ist beachtlich, daß sich ein Nichtdeutscher an ein solches Thema heranwagt und daß es in Frankreich noch möglich ist, darüber nicht nur eine Doktorarbeit zu schreiben, sondern sogar ein Hochschulgremium zu
[9] finden, das eine solche Arbeit annimmt und mit "sehr gut" bewertet.
Daß nun nach fast einem Jahr die "französische Öffentlichkeit" aufheult, ist für denjenigen verständlich, der einige Ahnung von den politischen Machtstrukturen wie auch den Medien in Frankreich hat.
Mit der Veröffentlichung der Untersuchungen von Roques folgt unser Haus einem altgewohnten Brauch der sechziger Jahre, als wir auch ein Werk von Paul Rassinier verlegt und Ende der siebziger Jahre die Eichmann-Erinnerungen publiziert haben.
Die deutsche Veröffentlichung folgt aus verschiedenen Gründen sprachlicher wie allgemeinverständlicher Art nicht genau dem Aufbau der Doktorarbeit. -- Es werden nur zwei Textfassungen aus ihr wiedergegeben, allerdings die beiden bekanntesten und wesentlichsten. Auch die vergleichenden Untersuchungen und Schautafeln fallen weg, da sie den Rahmen für eine Veröffentlichung, die vor allem interessierte Nichthistoriker anspricht, sprengen wurde.
Möge die deutsche Veröffentlichung der Untersuchungen von Roques dazu beitragen, ein weiteres Stück Zeitgeschichtsschreibung wieder mit der geschichtlichen Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen!
Druffel-V erlag im August 1986
[10]
8. Mai 1945! Was bedeutet dieses Datum? Fur die Amerikaner und Russen ist der 8. Mai der Tag des Sieges über NS-Deutschland. Für die Deutschen ist es der Tag der bedingungslosen Kapitulation ihres Vaterlandes. Man kann verstehen, daß viele Deutsche wie die übrigen Europäer das Ende des Krieges, d. h. das Ende der Leiden, das Ende des apokalyptischen Chaos, in das sie gestürzt wurden, mit Erleichterung aufgenommen haben. Aber es ist ein Skandal, den Leuten einzureden, es sei für die Deutschen eine "Befreiung" gewesen!
Am 8. Mai war ich 24 Jahre alt und schon Familienvater. Ich hatte damals die feste Überzeugung, daß dieses Datum nicht nur die Niederlage Deutschlands, sondern eine Niederlage für ganz Europa bedeutete.
Während des Krieges hatte ich viel Glück. Da ich 1939 zu jung war, wurde ich nicht eingezogen. Von Juni 1940 bis September 1944 lebte ich im besetzten Frankreich. Ich habe die Ereignisse aufmerksam verfolgt und die Gewißheit erlangt, daß die Europaer ein gemeinsames Schicksal haben. -- Mit Waffen kam ich in dieser Zeit nicht in Berührung, und ich bin auch der Zwangsarbeit fast völlig entgangen. Die Frage des Widerstandes stellte sich für mich nicht, da ich die durchweg kommunistische Ideologie des linken Widerstandes genauso ablehnte wie die nationalistische Engstirnigkeit des rechten Widerstandes. Ich war auch nicht wie gewisse Franzosen meines Alters bereit, in den Dienst des augenblicklichen Siegers über mein Vaterland zu treten, da mir deren Alldeutschtum mit der Schaffung eines Europa gleichwertiger Brudervölker unvereinbar schien.
[11] Nach dem Kriege habe ich mich in verschiedenen politischen Kreisen Betätigt, deren Hauptziel die Aussöhnung unter den Europäern, vor allem jedoch die deutsch-französische Aussöhnung war.
Meine Tätigkeit war bescheiden, da die Gruppierungen, denen ich angehörte, nur über geringe Finanzmittel verfügten und auch keinen Zugang zu den Medien hatten. Jetzt, im Jahre 1986, interessieren sich die öffentlichen Medien stark für meine politische Vergangenheit und wollen mir daraus einen Vorwurf machen.
1955 war ich einer der Mitbegründer einer politischen Kleingruppe, der "Phalange française" (französische Falange). Das war in den letzten Jahren der 4. Republik, die schon dem Untergang geweiht war, da sie nicht in der Lage war, eine Lösung für das Algerienproblem zu finden. Die Zeitung "Le Monde" hat in der Ausgabe vom 21. Juni 1986 an das Hauptziel der "Phalange française" erinnert, so wie es im »Le Journal Officiel, dem französischen Staatsanzeiger, vom 15. November 1955 abgedruckt war. Dort heißt es: "Eintreten für die Schaffung eines populistischen und brüderlich vereinigten Europa."
Wie könnte ich 30 Jahre später dieses Ideal, das auch noch heute mein Ideal ist, verleugnen? Heute strebe ich jedoch seine Verwirklichung mit anderen Mitteln an. Wie alle denkenden Menschen habe auch ich mich in diesen 30 Jahren geistig weiterentwickelt. Wenn meine nunmehrigen Widersacher dies nicht wahrhaben wollen, so beweist dies nur ihre böse Absicht.
1958/1963 habe ich für eine in Belgien erscheinende Zeitschrift in französischer Sprache "L'Europe réelle" (Das wirkliche Europa) -- sie hatte nur eine geringe Auflage --, einige Artikel geschrieben. War der Name dieser Zeitschrift, "L'Europe réelle", nicht großartig? Wie andere so kämpfe auch ich seit 40 Jahren für dieses wirkliche Europa. Zukünftig werden alle wahren Europäer für dieses Ziel kämpfen.
Man kann gewisse Auffassungen dieser Zeitschrift, die es übrigens seit langem nicht mehr gibt, ablehnen. Diese Zeit-
[12] schrift hat jedoch das Verdienst, mir in den Jahren 1962-1963 an das genaue Datum kann ich mit nicht mehr erinnern ihre Spalten für einen Artikel, auf den ich noch heute stolz bin, geöffnet zu haben. Die Überschrift dieses Artikels lautete: "Paul Rassinier, ein unabhängiger Geist unserer Zeit."
Viele Deutsche haben Bücher von Paul Rassinier gelesen und ehren das Andenken an diesen redlichen Geschichtsforscher, für den Haß fremd war. - Von 1962 bis zu Rassiniers Tod 1967 war ich sein Freund.
Rassinier, der vor dem Kriege Pazifist und Befürworter einer deutsch-französischen Verstandigung war, setzte 1950 mit der Veröffentlichung des Buches "Le Mensonge d'Ulysse" einen bedeutenden Meilenstein; dieses Buch wurde unter dem Titel "Die Lüge des Odysseus" auch ins Deutsche übersetzt.
Als politischer Aktivist der außerparlamentarischen Linken war Rassinier in der Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs im Widerstand tatig. Rassinier rief jedoch nie zum bewaffneten Kampf gegen die deutschen Soldaten auf. In dieser Zeit lebt Rassinier in seiner Heimatstadt Belfort in unmittelbarer Nachbarschaft zum Elsaß und zur Schweiz. Die Widerstandsgruppe, der Rassinier angehörte, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Flucht französischer Kriegsgefangener zu ermöglichen und Zivilisten, vor allem Juden, zu helfen, die Schweiz zu erreichen.
Rassinier wurde vom SD (Sicherheitsdienst) festgenommen, gefoltert und dann deportiert. Er lernt die Lager Buchenwald und Dora kennen. 1945 kehrt er auf einer Tragbahre nach Frankreich zurück. Obwohl gesundheitlich schwer angeschlagen, opfert er die letzten Jahre seines Lebens dem Schreiben non-konformistischer Bücher, die als Thema die Deportation und die Ursachen des Zweiten Weltkrieges haben. Seine zahlreichen Gegner haben sein Vorgehen als Geschichtsforscher nicht verstanden. Sie haben ihn beschuldigt zu versuchen, den Nazismus reinzuwaschen, und dies, obwohl Rassinier von seiner ganzen Grundhaltung her ein Gegner des NS-Systems [13] war. Um den Inhalt von Rassiniers Veröffentlichungen zu erklären, hat man oft die Psychoanalyse (!) zu Hilfe genommen. Man hat in Rassinier »ein Opfer des KZ-Lebens sehen wollen, das von seinen Butteln fasziniert war und daher den Versuch machte, diese zu verteidigen. Die Gegner Rassiniers selbst sind ein Fall für die Psychoanalytiker. Sie haben einfach nicht begreifen wollen, daß diesen Geschichtsforscher und großen Europäer allein die geistige Redlichkeit veranlaßte, dem Besiegten von 1945 in bester Absicht die Hand zu reichen.
Ich sehe mich als Schüler Rassiniers. Ihm zu Ehren habe ich die Universitäts-Doktorarbeit über "Die Geständnisse des Kurt Gerstein" verfaßt und mündlich begründet.
Der "Augenzeugenbericht" des SS-Offiziers, der behauptet, am 18 August 1942 im polnischen Lager Belzec der Vergasung von Juden durch Abgase aus einem Dieselmotor beigewohnt zu haben, ist überaus verdächtig. Ich zeige die Schwachstellen in meiner Arbeit deutlich auf. Ich gebe keinerlei Urteil über andere Zeugenaussagen ab, da ich diese keiner kritischen Untersuchung unterzogen habe.
Ich versuche, ein Beweisstück (und zwar ein sehr wesentliches) für das Vorhandensein von Gaskammern auszuschalten. Es wäre abwegig, aus meiner Doktorarbeit die Schlußfolgerung zu ziehen, ich hätte zu beweisen versucht, daß es in den polnischen KZs keine Vergasung gegeben hat.
Ich überlasse es den revisionistischen Forschern, z. B. Wilhelm Stäglich in Deutschland (West), Arthur Butz in den USA, Robert Faurisson in Frankreich, das Problem der Gaskammern allgemein zu untersuchen. Die Verantwortung für die Forschungsergebnisse trägt jeder selbst.
Im Falle des "Gerstein-Berichts" weisen die offiziellen, d. h. die konformistischen Forscher, stets auf die Aussage von Prof. Dr. med. Wilhelm Pfannenstiel hin, der den Rang eines SS-Obersturmführers hatte und Gerstein auf seiner Reise nach Polen begleitete. Dazu habe ich ebenfalls einiges zu sagen. Desgleichen zu den Aussagen den schwedischen Diplomaten [14] von Otter, den Gerstein im August 1942 im Zug Warschau-Berlin traf. -- Ich habe entsprechende Unterlagen zusammengetragen. Sie werden ebenfalls ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht .
Ich habe das Thema "Gerstein-Bericht" gewählt, um der Wahrheit einen Dienst zu erweisen. Denn gerade in diesem Bereich der Zeitgeschichte braucht die geschichtliche Wahrheit viele Helfer. Es gibt in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges, insbesondere im Bereich Deportation und Völkermord an den Juden, noch viel zu viele Grau- und Tabuzonen.
Der geschichtlichen Wahrheit zu dienen, heißt auch Europa, unserem Europa, zu dienen. Dieses Europa muß geeint, stark und unabhängig von Washington und Moskau sein.
Meine Widersacher wollen den Sinn meines Wirkens mit allen Mitteln ins Gegenteil verkehren. Sie klagen mich an, den Nationalsozialismus reinwaschen zu wollen. Sie haben noch immer nicht begriffen, oder wollen es nicht begreifen, daß der Nationalsozialismus 1945 mit seinem Führer Adolf Hitler untergegangen ist!
Ich bin der festen Überzeugung, daß die Gemeinschaft der Europäer nur dann eine Zukunft hat, wenn die verschiedenen europäischen Volker gleich behandelt werden. Mehr als 40 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges darf es weder Sieger noch Besiegte geben. Man kann sogar so weit gehen und behaupten, daß es nur Besiegte gegeben hat, nämlich die Europäer.
Jean Pierre-Bloch, der Vorsitzende der französischen LICRA (Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus), hat Folgendes geschrieben: "Henry Roques ist genauso ein Doktor wie Josef Göbbels " Inzwischen kann er sich vor Freude die Hande reiben, denn wegen verwaltungsmäßiger Unregelmäßigkeiten -- was wenig überzeugend wirkt wurde mir am 2. Juli 1986 der Doktortitel wieder aberkannt. Ich bin also weniger ein Doktor im Stile von Josef Göbbels als vielmehr ein Doktor mit dem Schicksal von Wilhelm Stäglich, [15] dem die Universität Göttingen in skandalöser Art und Weise wegen seines Buches "Der Auschwitz-Mythos" den Doktortitel aberkannt hat.
Was kümmert mich der Doktortitel! Ich fuhre meinen politischen Kampf nicht, um geehrt zu werden.
Ich wollte meinen Beitrag leisten, den Europäern, allen voran den Deutschen, das Schuldbewußtsein zu nehmen. Gerade die Deutschen stempelt man zu den Hauptschuldigen von Massenverbrechen, die den Rahmen des bisher Dagewesenen sprengen.
Wenn ich mit meiner Doktorarbeit einen Beitrag zur Erreichung dieses Zieles habe leisten können, dann habe ich meine Zeit nicht umsonst geopfert.
Colombes, im August 1986
Henri Roques
[16]
11. August 1905 -- Geburt in Munster in Westfalen
Vater: Landgerichtspräsident; gestorben 1954
Mutter: geb. Schmemann; gestorben 1931
1911-1919 -- Der Vater macht Dienst in Saarbrücken; Kurt besucht dort Volksschule und Gymnasium
1919-1921 - Der Vater wird von den Franzosen ausgewiesen; er erhalt einen Posten in Halberstadt, Reg.-Bezirk Magdeburg; Kurt geht dort aufs Gymnasium
1921-1925 -- Kurt besucht das Gymnasium in Neuruppin in der Mark Brandenburg; Abitur 1925
1925 -- Mitglied beim CVJM und im Bibelkreis für hohere Schulen
1925-1931 -- Praktikant im Bergbau, dann Studium in Marburg, Berlin und Aachen
Juni 1931-- Examen als Dipl.-Ingenieur an der TH Berlin-Charlottenburg, Fachrichtung Bergbau und Chemie
1931-1935 -- praktische Tätigkeit im Bergbau
2. Mai 1933 -- Eintritt in die NSDAP
Oktober 1933 -- Einsatz in der SA
30 Januar 1935 -- Wegen Störung einer Parteifeier im Stadttheater zu Hagen in Westfalen (Aufführung des Dramas "Wittekind") in der Öffentlichkeit verprügelt und dabei verletzt [17]
November 1935 -- Examen als Bergassessor
November 1935 -- Verlobung mit Elfriede Bensch, einer Pfarrerstochter
Mai 1936 bis September 1937 -- Staatsbeamter bei der Saargruben-Verwaltung in Saarbrücken
24 September 1937 -- Erste Verhaftung - Mit den Einladungen zum "Tag des Bergmannes" verschickt Gerstein Flugblätter, in denen von Eisenbahnabteilen die Rede ist, die für tollwütige Hunde und für Leute mit ansteckenden Krankheiten reserviert sind. Die auf den Plan gerufene Polizei durchsucht seine Wohnung und findet religiöse Druckschriften zum Versand an Personlichkeiten im ganzen Reichsgebiet.
Gerstein wird in der zweiten Oktoberhälfte wieder freigelassen.
15. Oktober 1936 -- Ausschluß aus der NSDAP wegen staatsfeindlicher Betätigung; Dienstenthebung
Dezember 1936 -- Beginn des Medizinstudiums in Tübingen
9. Februar 1937 -- Gerstein verliert seine Stelle als Bergassessor
Mai 1937 -- Redeverbot im gesamten Reichsgebiet
31. August und 2 November 1937 -- Standesamtliche und kirchliche Trauung mit Elfriede Bensch
14. Juli bis 28. August 1938 -- Zweite Verhaftung und Einlieferung in das KL Welzheim
September 1938 -- Anklage wegen Hochverrats (Teilnahme an einem geplanten Umsturz von Königstreuen) [18]
Oktober 1938 -- Einstellung des Verfahrens
Juli 1939-Juni 1940 -- Gerstein arbeitet bei der Wintershall AG in Merkers/Rhön
25. Oktober 1939 --Geburt seines Sohnes Arnulf
seit Oktober 1940 -- Gerstein arbeitet in der Fa. Limon Fluhme in Dusseldorf; an dieser Firma besitzt die Familie Gerstein Anteile
Marz 1941 bis Mai 1941 -- Freiwilliger Eintritt in die SS; militärische Ausbildung in Hamburg, Arnheim in Holland und in Oranienburg
Juni 1941 -- Zuweisung zum Sanitatswesen der Waffen-SS, Abteilung Hygiene
September 1941 -- Geburt seiner Tochter Adelheid
1. November 1941 -- Gerstein wird zum Untersturmführer F ernannt
Januar 1942 -- Gerstein wird zum Leiter der Abteilung Gesundheitstechnik ernannt
8. Juni 1942 -- Gerstein erhält den Befehl, ein Konzentrationslager in Polen (Belzec) mit Blausäure (Zyklon B) zu versorgen
August 1942 -- Gerstein trifft den SS-General Globocnik in Lublin; er besucht die KL Belzec und Treblinka
20 August 1942 -- Gerstein trifft im Zug Warschau-Berlin den schwedischen Diplomaten von Otter
Dezember 1942 -- Geburt seines zweiten Sohnes Olaf
20. April 1943 -- Gerstein wird zum Obersturmfuhrer F ernannt
Zwischen September 1942 und Marz 1945 ist wenig Genaues über die Tatigkeit Gersteins innerhalb der SS bekannt.
Ende Marz 1945 -- Gerstein verläßt seinen Posten in Berlin; er begibt sich zu seiner Familie nach Tübingen [19]
April 1945 -- Auf einem Zettel, der sich beim LKA in Bielefeld befindet, liest man:
Donnerstag, 18.: gefahren
Freitag, 19.: Ulm
Samstag, 20.: 11 Uhr morgens - auf dem Rand steht Metzingen
Sonntag, 21: nach Metzingen
Montag, 22: von Metzingen nach Rottweil -- auf dem Rand das französische Wort "prison" = Gefangnis
Gerstein flieht vor den deutschen Truppen und ergibt sich der 1. Französischen Armee
26. April bis 6. Mai 1945 -- Gerstein ist Gefangener im Hotel "Mohren" in Rottweil; als "besonderer" Gefangener genießt er Vorrechte. Hier verfaßt er seine "Geständnisse".
5. Mai 1945 -- Gerstein trifft im "Mohren" zwei alliierte Untersuchungsoffiziere und übergibt ihnen sein französisches Schreibmaschinen-"Gestandnis" vom 26. April 1945 (T2), einige Rechnungen der Fa. Degesch sowie einen kurzen Hinweis in englischer Sprache.
26. Mai 1945 -- Gerstein wird nach Langenargen bei Konstanz und dann von O.R.C.G.-Offizieren nach Paris verbracht (O.R.C.G. = Organe de Recherche des Crimes de Guerre = Amt zur Untersuchung von Kriegsverbrechen)
Gerstein verbleibt bis zum 5. Juli im O.R.C.G.-Sitz (48, rue de Villejust, Paris 16)
26. Juni 1945 -- Gerstein wird durch Hauptmann [20] (Capitain) Beckhardt im O R.C G -Gebaude verhört
5. Juli 1945 -- Gerstein wird ins Militargefangnis Cherche-Midi eingeliefert und des Mordes sowie der Beihilfe zum Mord beschuldigt
13 und 19. Juli 1945 -- Gerstein wird von Hauptmann Mattéi, Untersuchungsrichter am 2 Militärgerichtshof in Paris, verhört
20. Juli 1945 -- Gerstein sitzt in Einzelhaft
25. Juli 1945 -- Gerstein wird in seiner Zelle erhangt aufgefunden
31. Juli 1945 -- Prof. Piedelièvre vom Gerichtsmedizinischen Institut nimmt die Leichenoffnung vor; er erkennt auf Selbstmord
3. August 1945 -- Gerstein wird auf dem Friedhof Thiais beerdigt
7. August 1945 -- Baron Lagerfelt, der als Diplomat in London Dienst macht, macht aufgrund eines Briefes seines Freundes von Otter das Foreign Office (Außenministerium) auf Gerstein aufmerksam
9. Oktober 1945 -- Prof Ch. Sannié, Leiter des Erkennungsdienstes beim Polizeiprasidium in Paris, bestätigt folgendes: a) er habe 13 von Gerstein hinterlassene Dokumente viermal vervielfaltigt; b) ein 14. Dokument, das ihm vom Untersuchungsrichter zugeschickt worden sei, sei nie bei ihm angekommen
10.November 1945 - Die Militärjustiz laßt Prof. Charles Gros, dem französischen Vertreter beim Londoner Ausschuß für Kriegsverbrechen, die gesamten Gerstein-Akten zukommen. Sie sind möglicherweise anschlieSend nach Warschau geschickt worden, [21] um von den Polen ausgewertet werden zu können. Sie bleiben fast 26 Jahre verschwunden
Januar 1946 -- Man findet das maschinengeschriebene Geständnis in französischer Sprache vom 26 April 1945 (T2) unter der Bezeichnung PS-1553 in den Archivunterlagen des Nurnberger Prozesses.
Die Amerikaner übergehen dieses Dokument, das zum Sensationsdokument des Prozesses hätte werden können. Auf Drängen der Franzosen wurden nur die dem "Geständnis" beigefugten Zyklon-B Rechnungen beigezogen.
Juni 1948 -- Frau Gerstein erfährt zum ersten Mal vom Tod ihres Mannes. Sie erhielt vorher weder Hinweise über die Umstände seines Todes noch über den Ort des Grabes
1950 -- Die Tubinger Entnazifizierungskammer lehnt es ab, Gerstein zu rehabilitieren
1951 -- Léon Poliakov veröffentlicht sein Buch "Le Bréviaire de la Haine" (Brevier des Hasses); das Vorwort stammt von François Mauriac. Darin findet sich ein Auszug aus PS-1553 (T2); er enthalt viele grobe Fehler und Entstellungen.
April 1953 - In Deutschland veröffentlicht Hans Rothfels in den "Vierteljahresheften zur Zeitgeschichte" den Text des deutsch abgefaßten "Geständnisses" vom 4. Mai 1945 (T3). Er weist den Leser darauf hin, daß er Kurzungen vorgenommen hat und daß er die acht Halbseiten Ergänzungen wegläßt, weil es sich seiner Auffassung
[22] nach nicht um Augenzeugenschilderungen handelt.
1955 -- Léon Poliakov übernimmt den Rothfels-Text vom April 1953 in seinem Buch "Das 3. Reich und die Juden". Die französische Übersetzung mit dem Titel "Le 3e Reich et les Juifs" erscheint 1959. Die Übersetzung enthät Entstellungen des Ausgangstextes, wobei es sich kaum um Übersetzungsfehler handeln durfte.
1960 -- 2. Auflage des Poliakov-Buches "Le Bréviaire de la Haine". Die Teilwiedergabe von PS-1553 (T2) ist noch ungenauer als 1951. Die Auflagen von 1974 und 1979 stimmen mit der von 1960 überein.
1961 -- Das Gerstein-"Geständnis" in der Fassung PS-1553 (T2) wird im Eichmann-Prozeß beigezogen
1962 - Paul Rassinier veröffentlicht sein Buch "Ulysse trahi par les siens" (Der Verrat an Odysseus). Er erwähnt zum erstenmal das Gerstein-"Geständnis" (T2), das ihn unwahrscheinlich dünkt.
1962 -- Der deutsche Protestant Rolf Hochhuth schreibt sein Theaterstuck "Der Stellvertreter", in dem er Gerstein eine wichtige Rolle zubilligt und ihn benutzt, um die Pius XII. während des Krieges unterstellte Haltung anzugreifen.
1962 -- Paul Rassinier veröffentlicht sein Buch "Le véritable procès Eichmann ou les vainqueurs incorrigibles" (dtsch. Was ist Wahrheit). Zum erstenmal greifte [23] Léon Poliakov wegen dessen Bearbeitung der Gerstein-"Geständnisse" an.
1964 -- In seinem Buch "Pie Xll et le 3e Reich" (Pius XII. und das 3. Reich) benutzt Saul Friedländer seinerseits das Gerstein Zeugnis gegen den Vatikan.
1964 -- In seinem Buch "Le Drame des Juifs européens" (dtsch. Das Drama der Juden Europas) vergleicht Paul Rassinier zwei verschiedene Wiedergaben von PS-1553 (T2) durch Léon Poliakov.
1964 -- Helmut Franz veröffentlicht in deutscher Sprache ein Buch über seinen Freund Gerstein
1965 -- In seinem Buch "L'opération Vicaire" (Operation Stellvertreter) erklärt Paul Rassinier erneut, daß die Gerstein-Erzählung unglaubwürdig ist.
1965 -- Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg und spätere Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger läßt Gerstein rehabilitieren.
1967 -- Saul Friedländer veröffentlicht sein Buch "Kurt Gerstein ou l'ambiguité du Bien" (Kurt Gerstein oder die Zweideutigkeit des Guten)
1969 -- Pierre Joffroy veröffentlicht sein Buch "L'espion de Dieu -- La Passion de Kurt Gerstein" (Der Spion Gottes/Die Leidensgeschichte des Kurt Gerstein)
3. August 1971 -- Der französische Außenminister schickt der Direktion der Militärjustiz die Gerstein-Akten zu, die man nun nach ihrem Verschwinden im November 1945 wieder aufgefunden hat. Die Akten sind un[24]vollständig: Zwei versiegelte Umschläge, welche die nach dem Tod Gersteins gefundenen Unterlagen enthalten, bleiben verschwunden, ohne daß man dafür eine Erklärung hat.
21. Februar 1979 -- Die Zeitung "Le Monde" veröffentlicht eine Erklärung zur Hitlerschen Vernichtungspolitik, die von 34 Historikern unterzeichnet ist. Die Verfasser dieser Erklärung, Léon Poliakov und Pierre Vidal-Naquet, haben einen Auszug aus dem Gerstein-Zeugnis in der Fassung PS-1553 (T2) in die erwähnte Erklärung eingebaut. - Dies im Zusammenhang mit dem "Fall Robert Faurisson".
8. Marz 1979 -- L. Poliakov und P. Vidal-Naquet antworten Lesern in "Le Monde". Diese hatten in Briefen ihre Verwunderung zum Ausdruck gebracht, daß dem Gerstein-"Bericht" zufolge in der Gaskammer von Belzec 700--800 Menschen auf einer Flache von 25 qm zusammengepfercht gewesen sein sollen. Die beiden Historiker erinnern daran, daß sie die Gerstein-Erzählung für "unstrittig im wesentlichen" halten. Über gewisse Einzelheiten (!) könne man jedoch reden. Darüber hinaus vertreten sie die Meinung, daß sich die Irrtümer des SS-Offiziers durch zwei Gründe leicht erklären lassen:
1. Genauigkeit in Sachen Zahlen sei nicht Gersteins hervorstechendste Eigenschaft gewesen (bei einem Ingenieur muß so eine Erklärung verwundern).
[25] 2. Sein Besuch im Lager Belzec im August 1942 habe ihn derart durcheinandergebracht, daß er auch noch im April/ Mai 1945 nicht ganz bei Sinnen gewesen sei.
September 1982 -- In der Reihe "Que sais-je?" (Was weiß ich?) veröffentlicht François de Fontette "L'Histoire de l'antisémitisme" (Geschichte des Antisemitismus). Er veröffentlicht 43,5 Zeilen des Gerstein-"Berichts" in der Fassung vom 4. Mai 1945 (T2). In der Mitte laßt eine Lucke von 35 Zeilen sogar den Vergasungsvorgang aus.
1983 -- In Westdeutschland erscheint ein Buch von 350 Seiten mit dem Titel "NS-Massentötungen durch Giftgas".
Die Seiten 171-174 handeln vom Gerstein-"Bericht". Der Verfasser dieser drei Seiten ist der Israeli Yitzhak Arad. Für die Veröffentlichung insgesamt zeichnen Hermann Langbein, Eugen Kogon und Adalbert Rückerl verantwortlich.
Man findet die auszugsweise Wiedergabe von T3; insgesamt sind es 47 Zeilen, wobei an vier Stellen, durch Auslassungspunkte gekennzeichnet, Weglassungen erfolgen, die 65 Zeilen umfassen und gleichzeitig einen Großteil der Unwahrscheinlichkeiten unter den Tisch fallen lassen.
Die Schilderung des Vergasungsvorganges fehlt. Der Leser wird darüber im unklaren gelassen. Er hat es hier mit einer sog. "frommen Kürzung" zu tun.
[27]
Warum wurde die Untersuchung der "Geständnisse" des Deutschen Kurt Gerstein als Thema einer Doktorarbeit gewählt? Hauptsächlich aus folgenden Gründen:
1. Die "Geständnisse" werden seit 1945 von zahlreichen französischen wie nicht-französischen Autoren für Bücher, Zeitschriften oder Zeitungsartikel benutzt.
2. Aufmerksame Leser der fraglichen Bücher oder Zeitschriften- und Zeitungsbeiträge wurden durch die bedeutenden Unterschiede verwirrt, die man in der Wiedergabe der Texte wie auch in der Frage der Datierung der Geständnisse feststellt. Diese "Geständnisse" gibt es in mehreren Fassungen. Allein das rechtfertigt schon eine vergleichende Untersuchung.
3. Wir sahen uns einem Rätsel gegenüber, das vor allem in der eigenartigen Person Gersteins seinen Ursprung hat. Eine kritische Untersuchung seiner "Geständnisse" könnte möglicherweise zu einer Lösung dieses Rätsels beitragen. Das Rätsel Gerstein steht jedoch nicht im Mittelpunkt der Doktorarbeit, da es sich um keine geschichtliche Untersuchung handelt. Wir nehmen auf die Person Gerstein nur Bezug, indem wir die ihm gewidmeten Bücher dreier Autoren sowie die Briefe verwenden, die wir von Frau Gerstein erhalten haben.
4. Die Texte, die der ehemalige SS-Offizier hinterlassen hat, stellen ein Schlusseldokument zur Frage der Massentötungen in Gaskammern der NS-Konzentrationslager dar; die Gaskammern werden von revisionistischen Forschern stark angezweifelt. (1) [28]
5. Nicht nur alle revisionistischen Forscher, sondern auch nicht-revisionistische verlangen, daß eine Doktorarbeit die Genauigkeit der Bezugstexte erbringt. Léon Poliakov und Pierre Vidal-Naquet haben anläßlich eines Gerichtsverfahrens (2) gegen Prof. Faurisson am 29. Mai 1981 erklärt, daß es sich bei den Ergänzungen, Auslassungen und Fehlern in den Veröffentlichungen Poliakovs bei den Erzählungen von Gerstein um unbedeutende Fehler handelt, da hier ja keine Doktorarbeit vorliege.
Die Ungewißheit hinsichtlich der Genauigkeit der Bezugstexte der "Geständnisse" hinsichtlich ihrer Echtheit sowie ihres Wahrheitsgehaltes rechtfertigt unserer Auffassung nach die vorliegende Doktorarbeit im Rahmen einer U.E.R. (3) in französischer Sprache.
Die erste wichtige Frage, die zu lösen war, war die Frage der Wiedergabe von Texten, deren Stil mittelmäßig ist, weil der Verfasser nicht in seiner Muttersprache schreibt. Obwohl Gerstein Deutscher ist, sind vier der bekannten Fassungen der "Geständnisse" auf französisch abgefaßt.
Gerstein, der auf dem Gymnasium Französisch gelernt hatte, ergab sich den Truppen der 1. französischen Armee, die Ende April 1945 Württemberg besetzt hatten. Für die Franzosen schrieb er seine "Geständnisse" auf französisch. Sein [29] Französisch ist häufig holprig und ungenau, jedoch so verständlich, daß Sinnwidrigkeiten ausgeschlossen sind.
Man kann sich fragen, warum wir die von Gerstein hinterlassenen Texte "Geständnisse" nennen. Im allgemeinen werden sie von den Autoren, die sie veröffentlicht und darüber gesprochen haben, als "Berichte" bezeichnet. Der Ausdruck "Bericht" erscheint uns nicht zutreffend. Die Texte des ehemaligen SS-Offiziers haben nichts von der Strenge und Nuchternheit von Berichten an sich.
Um die allzu häufige Wiederholung des Wortes "Geständnisse" zu vermeiden, werden manchmal die Ausdrücke "Erzählung" und "Dokument" benutzt. Doch sind dies farblose Ausdrücke. Sie werden den verschiedenen Textfassungen nicht gerecht.
Aufgrund des Tons, der Form sowie des Inhalts vertreten wir mit Olga Wormser-Migot (Système concentrationnaire nazi/ Das System der NS-Konzentrationslager, S. 11 und 426) die Auffassung, daß das Wort "Geständnis" im Fall Gerstein eher angebracht ist. -- Das Wort "Geständnis" wurde jedoch in Anführungszeichen gesetzt, da der Ausdruck nicht von Gerstein stammt.
Ein aktuelles Thema?
Von der Aktualität des Themas ist auszugehen. Am 21. Februar 1979 veröffentlichte die französische Zeitung "Le Monde" auf S. 23 eine "Erklärung von Historikern" zur Frage (vgl. S. 30/31) der Hitlerschen Vernichtungspolitik.
Die Erklärung wurde von L. Poliakov und P. Vidal-Naquet verfaßt. Sie erhielten die Unterschriften von 32 Kollegen, darunter die der Universitätsprofessoren E. Leroy-Ladurie, P. Chaunu, J. P. Vernant, J. Le Goff, F. Furet...
In dieser Erklärung heißt es: "...Unter den unzähligen Zeugenaussagen, die es von den Toten natürlich nicht geben [30-31 Original Zaitung. 32] kann, sei die des SS-Offiziers Gerstein erwähnt, der seit 1942 vergeblich versucht hat, zivile wie kirchliche Stellen über das, was sich in den Konzentrationslagern abspielte, aufzuklaren. Die Erzählung, die von ihm selbst am 26. April 1945 für die französischen Behörden in einem holprigen Französisch niedergeschrieben wurde, ist im wesentlichen in dem, was er in Belzec sah, unstrittig und deshalb um so ergreifender..."
Es folgen dann 52 Zeilen. Sie stammen aus der maschinengeschriebenen französischen Fassung, welche die Archivnummer PS-1553 trägt. Unter dieser Bezeichnung lag sie den Nürnberger Richtern am 30. Januar 1946 vor, wurde jedoch nicht beigezogen. Die auszugsweise Veröffentlichung dieses Textes (in dieser Untersuchung T2 genannt) stimmt mit dem Bezugstext überein.
Die überzeugendste Zeugenaussage für das Vorhandensein der Gaskammern?
Die beiden Historiker, welche die Aussage Gersteins unter so vielen anderen ausgewählt haben, halten sie wohl für die überzeugendste Aussage in dieser Frage überhaupt. Die Zeugenaussagen kann man indes nur dann als zahlreich bezeichnen, wenn man die oft schwammigen und widersprüchlichen Aussagen ehemaliger französischer Deportierter und von Soldaten, die kurz nach der Evakuierung in die Lager kamen, hinzuzählt.
Nur die schriftlichen Aussagen sind von Interesse. Davon gibt es nur wenige. Die Verfasser der Historiker-Erklärung hatten keine große Auswahl. [33]
Ein Sonderfall
Ein Anwalt stellte P. Joffroy, der im erwähnten Gerichtsverfahren vom 29. Mai 1981 zugunsten von L. Poliakov aussagte, folgende Frage: "Kann der Zeuge dem Gericht sagen, ob er Kenntnis von einer weiteren Zeugenaussage aus den Reihen höherer SS-Offiziere oder zumindest von Offizieren im Rang von Gerstein hat, die auf das Vorhandensein und Funktionieren der Gaskammern hinweist? Ob eine solche weitere Aussage dem Gericht zur Verfügung gestellt werden kann? Anders ausgedrückt: Gibt es weitere zugängliche Quellen aus den Reihen der SS während des Krieges und nicht erst danach?"
Die Antwort P. Joffroys lautete: "Meiner Kenntnis nach nicht. Ich glaube, daß gerade deswegen Gersteins Zeugenaussage wichtig ist. Als ich mein Buch schrieb, habe ich sozusagen eine Art Sendungsbewußtsein gefühlt, nämlich auszusagen, daß dieser Mann wahrheitsliebend und aufrichtig ist. Wenn man versucht, seine Zeugenaussage zu zertrümmern, dann deswegen, weil es meiner Kenntnis nach aus den Reihen der SS keine weitere Aussage gibt." (CR sténogr. 1981.)
Kurz vorher hatte P. Joffroy in der gleichen Verhandlung erklärt: "Ich zögere, es auszusprechen, denn das Wort scheint mir nicht zutreffend genug. Gerstein war ein Held, ich würde sagen, er war ein Heiliger. " (CR sténogr . 1981. ) Diese Haltung erklärt auch Joffroys Buchtitel: "L'espion de Dieu -- La Passion de Kurt Gerstein" (Der Spion Gottes/Die Leidensgeschichte des Kurt Gerstein).
Auf gleicher geistiger Wellenlänge schwimmt L. Poliakov, wenn er in der Nummer Marz/April 1964 von Le Monde Juif, S.4, schreibt: "Der Deutsche Gerstein war ein Gerechter unter den Nicht-Juden."
Angesichts einer solchen Darstellung der Person des Kurt Gerstein und seiner Texte sagt der Verfasser vorliegender Doktorarbeit nicht, er sei von einer Art Sendungsbewußtsein erfüllt. Ihm schien es einfach dringendes Erfordernis, die Texte, [34] die als Gerstein-"Geständnisse" bezeichnet werden, in ihrer Urform herauszuarbeiten und in einer vergleichenden Untersuchung die verschiedenen Fassungen auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen.
Sechs bekannte Fassungen und einige Entwürfe
P. Joffroy kennt drei Fassungen. S. Friedländer erwähnt vier, L. Poliakov und P. Vidal-Naquet erwähnen fünf Fassungen. Wir haben den Vorzug, sechs Fassungen zu kennen. Dazu kommen noch einige Einzelblätter, die oft als Entwurf gedient haben mögen.
Es ist indes nicht sicher, ob dies alle zur Verfügung stehenden Dokumente sind. Möglich ist, daß einige französisch geschriebene Texte verschwunden sind. Mehr dazu im Verlauf dieser Untersuchung.
Es liegen also sechs Texte vor. Jeder stellt eine Fassung der "Geständnisse" dar. Sie stammen aus der Zeit vom 26. April bis zum 6. Mai 1945 einschließlich. Die Urschriften oder ihre Abschriften (einige Urschriften sind vorhanden) befinden sich in verschiedenen Archiven. Dazu mehr bei der Erörterung der einzelnen Fassungen.
Im Nachfolgenden eine zeitliche Auflistung der sechs Texte mit den ihnen gegebenen Bezeichnungen.
T1 -- handschriftlicher französischer Text vom 26. April 1945
T2 -- maschinengeschriebener französischer Text vom 26. April 1945 (PS-1553)
T3 -- maschinengeschriebener deutscher Text vom 4. Mai 1945
T4 -- handgeschriebener *anzosischer Text vom 6. Mai 1945
T5 -- maschinengeschriebener französischer Text vom 6. Mai 1945 mit der Überschrift "Bericht des Dr. Gerstein aus Tübingen" .
Von T5 gibt es drei Fassungen: [35]
1 Die Fassung des O.R.C.G. (4); sie ist die erste der drei Fassungen von T5a.
2 Eine weitere Fassung, die auf 1 zurückgeht, aber einige Abweichungen und Übertragungsfehler aufweist. Dieser Text (T5b) wird im "National Archives" in Washington unter der Bezeichnung 01.0813 aufbewahrt.
3 Eine englische Übersetzung -- auf der ersten Seite findet sich das Wort "Übersetzung". Sie geht offensichtlich auf T5b zurück. Sie trägt die gleiche Bezeichnung der "National Archives": 01.0813 (T5c).
T6 -- maschinengeschriebener deutscher Text vom 6.Mai 1945 (PS-2170).
Außer diesen sechs Texten werden untersucht:
-- Ergänzungen und Entwürfe; sie erhalten keine Bezeichnung.
--Gersteins letzter Brief an seine Frau vom 26. Mai 1945.
-- Die Unterlagen von zwei Verhören durch die französische Militärjustiz im Juni und Juli 1945 in Paris.
--Ein France-Soir-Artikel vom 4. Juli 1945.
--Gersteins Bitte um einen Anwalt vom 15.Juli 1945; diese Bitte ist in Druckbuchstaben abgefaßt.
-- Einige Bruchstucke von Unterlagen, die nach Gersteins Tod in seiner Gefängniszelle in Cherche-Midi gefunden wurden.
Kein Text aus der Zeit vor 1945
Einige Autoren haben die Behauptung aufgestellt, es gebe seit 1942 "Berichte Gersteins"(!). - Dies erfordert unbedingt eine Antwort.
Der SS-Offizier hat tatsachlich mit einigen Zeugen, die das [36] bestätigt haben, darüber gesprochen. Der schwedische Diplomat von Otter sowie zwei Holländer, die 1943 in Berlin arbeiteten, haben das bestätigt. Einige protestantische Pfarrer, darunter Otto Dibelius und Kurt Rehling, gaben in etwa zu, sich mit Gerstein über seine Erlebnisse in den polnischen Lagern unterhalten zu haben.
Aus den Texten der "Geständnisse" geht zu keiner Zeit hervor, daß Gerstein für irgend jemand einen Bericht geschrieben hat. Einer der beiden holländischen Zeugen (Verfahren von 1981) hat vor Gericht erklärt: "Gerstein hat uns gesagt, er könne darüber nicht schreiben (d. h. über die Vergasungen in Belzec und Treblinka) - CR sténogr. 1981.
S. Friedländer schreibt nichtsdestoweniger: "Gerstein, der im August 1942 an Tötungen durch Gas teilnahm, versucht, vom Nuntius Orsenigo empfangen zu werden. Er wird abgewiesen. Danach laßt er dem Rechtsberater des Bischofs von Berlin, Preysing, einen Bericht zukommen mit der Bitte, diesen an den Heiligen Stuhl weiterzuleiten. Es besteht keinerlei Veranlassung anzunehmen, daß das Dokument nicht nach Rom gelangte. Der Bericht Gersteins vom August 1942 entsprach in etwa dem vom 4. Mai 1945, denn er beschreibt das gleiche Ereignis (...). Da der Heilige Stuhl bis zum heutigen Tag nicht bestritten hat, den Bericht Gersteins während des Krieges erhalten zu haben, kann man mit Recht davon ausgehen, daß dem Papst Ende 1942 durch Bischof Preysing ein Text zugegangen ist, der dem vom 4. Mai 1945 ziemlich ähnlich war." (Pie XII et le Troisème Reich/Pius XII. und das 3. Reich, 1964, S. 123.)
Die Schlußfolgerung des Historikers Friedländer scheint gewagt. Die Tatsache, daß ein Empfanger nicht abgestritten hat, ein behauptetes Dokument erhalten zu haben, reicht noch nicht aus anzunehmen, daß es dieses Dokument möglicherweise gegeben hat.
S. Friedländer folgt in seinen Überlegungen fast der theatralischen Linie des Rolf Hochhuth in dessen Stuck "Der Stellvertreter". [37] Gerstein spielt darin eine wichtige Rolle; desgleichen Papst Pius XII. Auf der Buhne sieht man, wie Gerstein anläßlich der Erlaubnis, den Nuntius Orsenigo wieder zu treffen, in den Vatikan eindringt. Nach Hochhuth hatte Gerstein schon einmal eine Unterredung mit dem Nuntius in Berlin; dies ist falsch. In seinen "Geständnissen" schreibt der ehemalige SS-Offizier selbst, daß er abgewiesen wurde. In Rom unterhalt sich Gerstein mit Prälaten, die dem Papst sehr nahestehen, und wirft ihnen aufs heftigste vor, der Papst schweige zur Tötung der Juden in Polen. Hochhuth arbeitet hier mit reinen Erfindungen. Die Übertreibungen haben weltweit Skandale ausgelöst. R. Hochhuth hat jedoch nie behauptet, er sei Historiker.
Abschließend kann hierzu gesagt werden: es ist nicht der geringste Hinweis vorhanden, um anzunehmen, daß Gerstein 1942 oder zu einem späteren Zeitpunkt vor 1945 (5) irgendeinen schriftlichen Bericht verfaßt hat.
Die Biographen Gersteins
Drei Bücher befassen sich ausführlich mit dem Fall Gerstein. Alle drei wurden in den sechziger Jahren nach der fast weltweiten Aufführung des Hochhuth-Stückes "Der Stellvertreter" veröffentlicht .
Mit Hilfe eines Theaterstückes wurde die Legende des SS-Offiziers Gerstein geschaffen, der während des Krieges versucht haben soll, die ganze Welt auf die Massentötung der Juden in Gaskammern aufmerksam zu machen. Gewisse protestantische und israelische Kreise versuchten, Gerstein zu rehabilitieren. Der tote SS-Offizier wurde von der Tübinger Entnazifizierungskammer 1950 nicht freigesprochen, erhielt [38] aber mildernde Umstände zugebilligt und wurde nur als Belasteter eingestuft. Die gewünschte Rehabilitierung erfolgte 1965. Das Theaterstück "Der Stellvertreter" erschien Ende 1962. Zu diesem Zeitpunkt fand auch das von Papst Johannes XXIII. einberufene Zweite Vatikanische Konzil statt.
Die erste Lebensgeschichte von Kurt Gerstein erschien 1964 in Zürich. Sie stammt von dem Deutschen Helmut Franz, dem Bruder eines Pfarrers, und hatte den Titel "Kurt Gerstein, Außenseiter des Widerstandes der Kirche gegen Hitler".
Franz, ein alter Freund Gersteins, war mit diesem zwischen 1925 und 1933 in der evangelischen Jugendbewegung tätig. Er bleibt mit Gerstein in Verbindung und trifft ihn mehrmals während des Krieges. Am Ende seiner Darstellung veröffentlicht Franz die deutsche Schreibmaschinenfassung vom 4. Mai 1945. Die Wiedergabe ist genau, auch wenn er Kürzungen vornimmt; es wird jedoch darauf hingewiesen. Franz kannte diese Fassung wohl aufgrund der Veröffentlichung von H. Rothfels (a.a.O.).
Die zweite Lebensgeschichte stammt von S. Friedländer. Sie wurde 1967 unter dem Titel "Kurt Gerstein ou l'ambiguité du bien" (K. G. oder die Zweideutigkeit des Guten) in Frankreich veröffentlicht. Darin findet man viele Hinweise auf das Leben Gersteins in der Vorkriegszeit und im Kriege. Eigene Nachforschungen haben uns zur Überzeugung gebracht, daß manche Hinweise ungenau sind. Was die Texte anbelangt, so ist offensichtlich, daß S . Friedländer auf L. Poliakov zurückgegriffen hat. Wie Friedländer vorgegangen ist, wird später aufgezeigt.
1969 eroffnete P. Joffroy eine neue und entscheidende Phase in Frankreich. Sein Buch heißt "L'Espion de Dieu -- La Passion de Kurt Gerstein" (Der Spion Gottes/Die Leidensgeschichte des Kurt Gerstein). In diesem Buch geht es nicht mehr um Zweideutigkeiten wie bei Friedländer. Joffroy bemuht sich, seinen Lesern deutlich zu machen, daß es sich bei Gerstein um eine Art Heiligen handelt, einen Mittler zwischen Gott und den [39] Menschen. Die Menschen haben ihn nicht verstanden und sind mittel- oder unmittelbar für seinen Tod in einem Pariser Gefängnis verantwortlich. Joffroy kennt drei Gerstein-Fassungen (a.a.O., S. 283). Joffroy veröffentlicht den Text, den wir als T2 bezeichnen, getreu und ungekürzt. Er verbessert auch nicht das manchmal ungenaue und holprige Französisch, das manchen Leser abstoßen könnte (a.a.O., S.283-290).
Die Veranderungen der "Geständnisse"
1951 veröffentlicht L. Poliakov sein Buch "Le Bréviaire de la Haine" (Brevier des Hasses). François Mauriac schreibt das Vorwort. Auf den Seiten 220-224 findet man einen langen Auszug aus einer Gerstein-Erzählung. Um welche handelt es sich? Poliakov schreibt, sie trage "mit Gewißheit das Datum des 5. Mai 1945". Mit diesem Datum gibt es keine Gerstein-Fassung. Poliakov hat jedoch die maschinengeschriebene französische Fassung vom 26. April 1945 (T2) benutzt und daraus Auszuge veröffentlicht, die grobe Entstellungen und Auslassungen enthalten.
1953 veröffentlicht der deutsche Professor Hans Rothfels in der Zeitschrift "Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte" (Nr. 2, April) die deutsche Fassung vom 4.Mai 1945. Die Wiedergabe ist getreu, aber unvollständig. Der Historiker nimmt Kürzungen vor, auf die er hinweist. Die Ergänzungen werden nicht veröffentlicht.
Das Poliakov-Buch "Le Bréviaire de la Haine" erfahrt in Frankreich drei weitere Auflagen (1960, 1974 und 1979). Der Autor bleibt beim ungenauen Text von 1951 und baut Satze aus der deutschen Fassung ein, die H. Rothfels 1953 der Öffentlichkeit zur Kenntnis brachte. Poliakov weist den Leser auf die Einschübe nicht hin.
L. Poliakov, H. Rothfels und weitere Forscher, welche die [40] Veröffentlichungen der beiden ersteren übernahmen, hatten in Frankreich einen aufmerksamen und kritischen Leser: Paul Rassinier. (6)
Rassinier wurde durch die Unterschiede in den verschiedenen Gerstein-Wiedergaben verwirrt. Insbesondere legte er sich mit L. Poliakov an, dem er vorwarf, Texte des ehemaligen SS-Offiziers in wechselnder Form darzubieten und dabei stets zu behaupten, es handle sich um das gleiche Dokument. L. Poliakov reagierte auf die Kritik Rassiniers nicht; er zog daraus keine Folgerungen.
Versucht man, eine Bilanz der Verwendung der sechs bekannten Fassungen zu ziehen, so ergibt sich folgendes Bild:
1. T2 und T3 sind die Fassungen, die am häufigsten für z. T. vollständige, aber sehr häufig entstellte und auszugsweise Veröffentlichungen benutzt werden.
2. T5 ist nie vollständig veröffentlicht worden. Es wurde nur für sehr bruchstückhafte Wiedergaben benutzt, ohne daß die Quelle genau angegeben wurde.
3. T6 wurde, obwohl von S. Friedländer erwähnt (a.a.O., S. 11), noch nie, auch nicht auszugsweise, veröffentlicht.
4. T1 lernten die Leser bislang nur durch die Wiedergabe der Seiten drei und vier im Buch Friedländers kennen (a.a.O., S. 100-103).
5. T4, die handgeschriebene französische Fassung vom 6. Mai 1945, wurde von uns im Archiv der Evangelischen Landeskirche [41] Westfalen in Bielefeld entdeckt. Bislang hat niemand auf das Vorhandensein dieser Fassung hingewiesen.
6 Die Ergänzungen zu T3 und T4 wurden noch nie veröffentlicht. - Im Nachfolgenden eine möglicherweise unvollständige Aufstellung der Veroffentlichungen von T2, T3 und T4.
I. T2, die französische Schreibmaschinenfassung vom 26. April 1945
1. vollständig und genau bei:
P. Joffroy (a.a.O., S. 283-290). Er ließ am Anfang nur die biographischen Hinweise sowie am Ende die Liste der Personen weg, die Gerstein als NS-Gegner bezeichnet.
Arthur R. Butz, revisionistischer Forscher (The Hoax of the Twentieth Century/Der Jahrhundertbetrug, 1976, S. 251-258). Es finden sich kleinere Fehler, vor allem bei der Schreibweise der Eigennamen. Sein englischer Text geht auf die offizielle US-amerikanische Übersetzung von PS-1553 zurück. Der ärgerlichste Fehler betrifft die Auslassung des Wortes "aussi" (auch) in einem Satz. Statt "nus aussi en hiver" (nackt auch im Winter) liest man "nus en hiver". Der Besuch Gersteins im Lager Belzec fand im August 1942 statt. So könnte man annehmen, daß der SS-Offizier diesen Monat in den Winter verlegt.
2. vollständig, aber ungenau bei:
L. Poliakov (Le Monde Juif, Ausgabe März/April 1964, S. 4-12).
3. auszugsweise und genau bei:
Adalbert Rückerl in "NS-Vernichtungslager", 1977, S. 61-66 (in einer deutschen Übersetzung).
L. Poliakov (Le Procès de Jérusalem/Der Jerusalem-Prozeß, 1963, S. 224-228). Der darin veröffentlichte Text weicht von denen früherer und späterer Veröffentlichungen stark ab.
4. auszugsweise und ungenau bei:
L. Poliakov (Bréviaire de la Haine, 1951, S. 220-224). Poliakov behauptet, das gleiche Dokument in den Folgeausgaben von [42] 1960, 1974 und 1979 wiederzugeben, obwohl die Wiedergabe des Bezugstextes im Vergleich zur Ausgabe von 1951 weniger getreu ist. In jeder Ausgabe bricht die Wiedergabe an der Stelle ab, an der Gerstein die Zahl der Opfer allein für die Lager Belzec und Treblinka auf 25 Millionen schätzt.
Joe Heydecker und Johannes Leeb (Der Nurnberger Prozeß, 1958, S. 456-460) in einer deutschen Übersetzung. Grobe Ungenauigkeiten, die von denen Poliakovs abweichen.
II. T3, die maschinengeschriebene deutsche Fassung vom 4. Mai 1945
1. genau, aber mit Kürzungen bei:
H. Rothfels (V. f. ZGesch., Nr. 2, 1953, S. 177-194) weist auf alle Kürzungen hin und gibt zahlreiche Erläuterungen. -- Die Ergänzungen werden nicht veröffentlicht.
Helmut Krausnick (Dokumentation zur Massenvergasung, 1956) übernimmt die Rothfelssche Wiedergabe, gibt aber weniger Erläuterungen.
L. Poliakov und J. Wulf (Das 3. Reich und die Juden, 1955, S. 101-115) übernehmen die Rothfelssche Wiedergabe mit den gleichen Kürzungen, ohne jedoch darauf hinzuweisen; sie geben auch weitaus weniger Erklärungen.
2. ungenau und mit Kürzungen bei:
L. Poliakov und J. Wulf (Le 3e Reich et les Juifs, 1959, S. 107 bis 119). Die französische Ausgabe entspricht dem deutschen Text von 1955 (S. 101-115.) Die Wiedergabe unterscheidet sich jedoch vom Bezugstext, ohne daß die festgestellten Ungenauigkeiten einzig und allein durch ungeschicktes Übersetzen zu erklären sind.
3. auszugsweise und ungenau bei:
Robert Neumann (Hitler - Aufstieg und Untergang des 3. Reiches, 1961, S. 190-192) ersetzt die auf 25 qm zusammengepferchten 700-800 Menschen durch 170-180 Menschen.
III. T5, die maschinengeschriebene französische Fassung vom 6. Mai 1945
1. bruchstuckweise, aber genau bei:
[43] P. Joffroy (a.a.O.) hat aus T5 einzelne Stellen entnommen und sie auf verschiedenen Seiten seines Buches wiedergegeben.
2. bruchstückweise, aber ungenau bei:
L. Poliakov (Le Monde Juif, März/April 1964, S. 7-11) fugt sechs Zeilen aus T5 in einen Text ein, den er als T2 ausgibt. Zwei dieser sechs Zeilen sind genau, die vier übrigen sehr ungenau wiedergegeben.
In der obigen Liste sind weder S. Friedländer (Kurt Gerstein ou l'ambiguité du bien, 1967, S. 34, 73, 96 99, 104-108, 118 bis 119, 143, 156-158) noch F. Delpech (Historiens et Géographes -- Geschichts- und Erdkundelehrer, Nr. 273, Mai/Juni 1979, S. 628-629) aufgeführt, denn beide übernehmen einfach die Poliakov-Fassungen. Schließlich haben weitere Autoren -- es handelt sich um den größten Teil -- über Gerstein, seine mögliche Rolle und seine möglichen Enthüllungen gesprochen, ohne irgendeine Stelle seiner "Geständnisse" zu veröffentlichen. Es sind dies:
Gerald Reitlinger: The Final Solution (Die Endlösung), 1953; The SS (Die SS), 1956.
Raul Hilberg: The Destruction of the European Jews (Die Vernichtung der europäischen Juden), 1961.
Rolf Hochhut: Der Stellvertreter (Theaterstück), 1963; französische Übersetzung unter dem Titel "Le Vicaire".
Jacques Nobécourt: Le Vicaire et l'Histoire (Der Stellvertreter und die Geschichte), 1963.
Lucy S. Davidowicz: The War against the Jews (Der Krieg gegen die Juden), 1975.
Gidéon Hausner: Justice à Jérusalem (Gerechtigkeit in Jerusalem), französische Übersetzung 1976.
John Toland: Adolf Hitler, 1976.
In diese Aufzählung gehört auch die Historikerin Olga Wormser-Migot, die 1968 eine Doktorarbeit mit dem Titel "Le Système concentrationnaire nazi" (Das System der NS-Konzentrationslager) veröffentlichte. Im Gegensatz zu den übrigen erwähnten Autoren, welche den Wahrheitsgehalt der [44] Gerstein-Erklärungen nicht in Zweifel ziehen, bleibt sie skeptisch. Sie schreibt: "Der rote Faden des Geständnisses einschließlich der Gebete der Opfer stimmen mit 50 ähnlichen Erzählungen überein; die Hoess-Erinnerungen gehören auch zu dieser Gattung. Insofern fallt es uns schwer, die Echtheit des Geständnisses des Kurt Gerstein oder den Wahrheitsgehalt all seiner Aussagen als gegeben hinzunehmen." (a.a.O., S. 426.)
Zu Beginn dieser Doktorarbeit sahen wir uns folgenden Problemen gegenüber: sechs schriftliche Fassungen der "Geständnisse" in drei Sprachen lagen vor; es gab durchweg nur auszugsweise und entstellte Wiedergaben von nur drei Fassungen; viele Autoren haben die Texte benutzt, indem sie Teilzusammenfassungen veröffentlicht haben;
Daraus ergab sich die Hauptaufgabe, nämlich die Texte mit größtmöglicher Genauigkeit zu erstellen.
Erstellung der Ursprungstexte der verschiedenen Gerstein Fassungen
Vorbemerkung
Das Lesen und die vergleichende Untersuchung der sechs uns bekannten Texte ist mühsam. Pierre Vidal-Naquet hat als Zeuge im Gerichtsverfahren (Prof. Robert Faurisson) am 29. Mai 1981 erklärt, daß die Veröffentlichung der Gerstein-Fassungen im Original fast unleserlich ist. Im übrigen hat er eine Veröffentlichung als diplomatische Aufgabe bezeichnet (Stenograf. Prozeßniederschrift, CR 1981).
Eine Veröffentlichung der Originale ist indes nicht unleserlich, sie ist jedoch ermüdend.
Im Kapitel "Erstellung der Texte" wird für jede Fassung eine [45] Schreibmaschinenabschrift in Französisch gegeben; die Abschrift entspricht dem jeweiligen Original. Manchmal wurden in Klammern Wörter oder Wortgruppen gesetzt, um ein verständliches Lesen des holprigen Französisch von Gerstein zu erleichtern.
Es wurden zwei Kürzungen vorgenommen, die ebenfalls das Lesen erleichtern sollen. Es handelt sich 1) um den Anfang. -- Hier wurden Gersteins biografische Angaben für die Zeit von 1905 bis 1938 weggelassen. - Kurzung 2) findet sich am Ende. -- In manchen Fassungen hat Gerstein auf einer zusätzlichen Seite eine Auflistung von Personen vorgenommen, die er als NS-Gegner bezeichnet. Diese Seite fehlt ebenfalls.
Die vollständigen Ablichtungen der Originale finden sich im Anhang zur Doktorarbeit, und zwar in Band 2. Die Ablichtungen enthalten auch die in der Schreibmaschinenabschrift fehlenden Stellen.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, daß die weggelassenen Stellen keine Probleme aufweisen und sich in den einzelnen Fassungen (7) kaum unterscheiden. Auf den vergleichenden Übersichtstafeln lassen sich die Unterschiede in den einzelnen Fassungen leicht feststellen.
Was die Zusatztexte - die viel kürzer als die "Geständnisse" sind, anbelangt, so waren wir der Auffassung, sie in dieses Kapitel aufzunehmen. Sie werden in Ablichtung wiedergegeben und, sofern erforderlich, auch in Schreibmaschinenabschrift.
[46]
Anmerkungen des Herausgebers
In der deutschen Ausgabe finden sich T2 (die am häufigsten verwendete französische Fassung vom 26. April 1945) in Schreibmaschinenschrift sowie einige Seiten als Faksimile, die deutsche Übersetzung, die anläßlich des Eichmann-Prozesses von den israelischen Behörden veranlaßt wurde, sowie die deutsche Fassung T3, die 1953 erstmals von Hans Rothfels veröffentlicht wurde.
Als Faksimile werden einige weitere Originalseiten gebracht, um einen Eindruck zu vermitteln.
Mit den vergleichenden Übersichtstafeln wurde genauso verfahren. Eine ist abgedruckt, um die Arbeitsweise aufzuzeigen. - Auf die wesentlichsten Unterschiede und Abweichungen wird in den verschiedenen Kapiteln naher eingegangen.
Er ist mit der Maschine geschrieben und auf französich verfaßt. Er stammt vom 26. April 1945.
Er besteht aus sechs Seiten; auf der letzten Seite befindet sich die handschriftliche Unterschrift von Gerstein. Es gibt weiterhin eine siebte Seite mit dem Vermerk "Kurt Gerstein Ergänzung"; sie ist nicht unterschrieben.
Wir besitzen eine Ablichtung aus den "National Archives" in Washington. Auf jeder Seite befindet sich eine Nummer mit dem Buchstaben B davor; also B 49357 bis B 49363. (Deutsche Übersetzung vgl. S. 163.)
[S. 47-63: Text T2 in Französisch : Sehen Sie La Thèse de Nantes: http://www.abbc.com/aaargh/fran/ACHR4.html>]
ANMERKUNGEN
(1) Als Revisionisten gelten die Autoren, die nach den zwei Weltkriegen der Meinung waren und sind, daß man als Antwort auf die propagandabedingten Übertreibungen die Geschichte der beiden Weltkonflikte hinterfragen und aberprüfen müsse, um so die Geschichte in Übereinstimmung mit den tatsächlichen Geschehnissen zu bringen. Die wichtigsten Revisionisten nach dem Ersten Weltkrieg sind der Amerikaner Harry Elmer Barnes, der Brite Lord Ponsonby und der Franzose Jean Norton Cru (Témoins..., Du témoignage / Zeugen..., Zeugenaussage). -- Die wichtigsten Revisionisten des Zweiten Weltkrieges sind der Franzose Paul Rassinier (1906-1967), der in Rassiniers Fußstapfen getretene Prof. Robert Faurisson, der Amerikaner Arthur Robert Butz und der Deutsche Wilhelm Stäglich.
(2) Eine stenografische Niederschrift dieses Verfahrens wurde vom Büro J. Fleury angefertigt, das beim "Tribunal de Grande Instance" in Paris zugelassen ist. Sie wurde für die Doktorarbeit ausgewertet. Die Bezugsstellen der Niederschrift werden mit der Bezeichnung C.R. sténogr. 1981 in Klammern angegeben.
Wir waren der Auffassung, daß man ein solches Dokument aus einem Genchtsverfahren, in dessen Mittelpunkt die "Geständnisse" Gersteins standen und an dem nicht nur L. Poliakov und P. Vidal-Naquet, sondern auch Zeugen aus den Jahren 1942/43 teilgenommen haben -- u. a. der schwedische Baron von Otter, der damals als Diplomat in Berlin war, und zwei Holländer, die damals freiwillig in Berlin gearbeitet haben --, nicht außer acht lassen kann.
(3) U.E.R. = Unité d'Etudes et de Recherches (Abteilung Untersuchungen und Forschungen).
(4) O.R.C.G. = Organe de Recherche des Crimes de Guerre = Amt zur Untersuchungvon Kriegsverbrechen . - Es handelt sich um eine französische Dienststelle, deren Sitz sich 1948 in 48, rue de Villejust, in Paris befand.
(5) Es gibt ein holländisch verfaßtes Dokument vom 25. März 1943. Es ist derartverdächtig, daß keiner der Gerstein-Biographen es für notwendig hielt, es zu erwähnen. Es könnte sich um eine vordatierte Falschung handeln.
(6) Rassinier war seit fruhester Jugend in anarchistischen Gruppen tätig. 1939 zahlte er zum linken Flügel der Sozialisten (S.F.I.O. = Section Française de l'lnternationale Ouvrière/ Französische Gruppe der proletarischen Internationalen) und vertrat einen entschiedenen Pazifismus. Während der deutschen Besetzung Frankreichs gehörte er zu den Mitbegrundern der Widerstandsbewegung. 1943 wurde er vom SD verhaftet und gefoltert. Er kam dann in die Lager Buchenwald und Dora. 1945 wurde er 100,5 % invalid befunden. Er war Träger mehrerer Auszeichnungen, darunter der "Rosette de la Résistance" (Widerstands Rosette). Nach einem kurzen parlamentarischen Zwischenspiel als S.F.I.O.-Abgeordneter von Belfort zog er sich aus dem politischen Leben zurück und widmete sich geschichtlichen Forschungen zum Thema NS-Konzentrationslager. Er ging dabei von seinem persönlichen Erleben aus. Später interessierte er sich für das Verhalten der Sieger gegenüber den Besiegten und hinterfragte die Ursachen, die zum Zweiten Weltkrieg geführt haben.
(7) In den "Geständnissen" vom 26. April 1945 (T1 und T2) irrt sich Gerstein in seinem Hochzeitsdatum. Man liest 2. Mai 1937 und nicht 2. November 1937 (Tag der kirchlichen Trauung). -- Frau Gerstein hat auf Anfrage mitgeteilt, daß der 2. Mai ihr Geburtstag ist.
Dieser
Text ist -- ohne kommerzielles Interesse -- vom InternationalenSekretariat
der Vereinigung der langjährigen Liebhaber von Kriegs- undHolokaust-Erzählungen
(AAARGH) zu reinen Lehrzwecken ins Netz gesetztworden; er soll
zu weiterer Forschung anregen und eine maßvolle Verwendungfinden.
Die Postanschrift: PO Box 81475, Chicago,IL 60681-0475, USA.
Einen Text ins Netz zu stellen, ist, als ob man ein Dokument in
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uns etwas Zeit und Geld. Wir denken, daß der freiwillige
Leser seinen Nutzen hat und gehen davon aus,daß er zu eigenen
Gedanken fähig ist. Ein Leser, der im Internet auf die Suche
nach einem Dokument geht, tut dies immer auf eigene Gefahr. Der
Verfasser ist für die hier anderen verfügbaren Texten
natürlich nicht verantwortlich. Mit Rücksicht auf Gesetze,
die in bestimmten Ländern (Deutschland, Frankreich, Israel,
Schweiz, Kanada und anderen) eine besondere Zensureinführen,
erfragen wir die in diesen Ländern lebenden Autoren nicht
um ihre Einwilligung, denn sie haben für eine Einwilligung
nicht die Freiheit.
Wir unterstellen uns dem Schutz von Artikel 19 der Erklärung
der Menschenrechte, der bestimmt:
ARTIKEL 19 der Menschenrechte: <Jederman hat
das Recht auf Freiheit der Meinung und der Meinungsäußerung;
dieses Recht umfaßt die unbehinderte Meinungsfreiheit und
die Freiheit, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen
und Gedankengut durch Mittel jeder Art sich zu beschaffen, zu
empfangen und weiterzugeben.>Vereinigten
Nationen, 10 Dezember 1948.